XXVI

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• L U K E •

Missmutig sah ich Ben durch die Scheibe hindurch hinterher. Laila wollte unbedingt mit ihrem Vater sprechen, da sie sich von ihm Hilfe erhoffte. Und mich wollte sie bei dieser Gelegenheit gleich vorstellen. Ben allerdings wollte nicht mitkommen. Es sollten nicht zu viele bei Lailas Vater aufkreuzen und da Laila Ben gegenüber noch immer abgeneigt war, gingen wir nun zu dritt zu ihm.

So saß ich zusammen mit David und Laila im Bus, der gerade wieder losfuhr und sah Ben hinterher, der gerade ausgestiegen war und nun nach Hause lief.

Bei Lailas ehemaligem Zuhause würden wir uns mit Darryl treffen. Durch ein Gespräch hatte ich mitbekommen, dass es schon länger Probleme mit Herr Laslo gab, Darryl aber noch immer nichts davon wusste. Und das sollte sich heute ändern.

Sehnsüchtig sah ich nach draußen. Die Bäume zogen an dem riesigen Fahrzeug vorbei und wurden durch die Geschwindigkeit ganz unscharf. Nicht nur aufgrund des anstrengenden Schultags wollte ich mein altes Leben zurück. Es waren für mich hier einfach zu viele Dinge, die ich nicht kannte. Die Veränderungen waren manchmal einfach zu groß. Das war hier zwar keine Großstadt, aber dennoch reichte es aus, um mich zu verunsichern. Das zeigte ich aber nach außen natürlich nicht.

Selbst bei Darryls Clan hatte ich mich wohler gefühlt. Die Atmosphäre war eine ähnliche und auch, wenn sie etwas moderner waren als mein Stamm, so hatte es trotzdem etwas Heimisches. Vielleicht auch deswegen, weil deren Unterkunft mitten im Wald lag.

Das, was mir aber mit Abstand am meisten fehlte, war mein Bruder. Zain.

„Denkst du, dass er mit sich reden lässt?", riss mich David aus meinen Gedanken und interessiert sah ich zu Laila.

Die Blondine zuckte nur mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung, aber er hat sich geändert... unser Kontakt ist zwar noch immer begrenzt... dennoch glaube ich, dass er die Augen nicht vor dem Problem verschließen wird. Er wäre doch der Erste, der den fremden Clan wieder loswerden will."

„Auch wahr."

Skeptisch zog ich die Augenbrauen hoch. Wer auch immer dieser Mann war, er musste schon ganz schön was auf dem Kasten haben, wenn er für uns eine Hilfe sein wollte.

Der Bus wurde immer leerer und ich spürte wie mein Herzschlag sich verschnellerte. Ich wusste nicht, wann wir aussteigen würden, und die Ungewissheit nagte an meinem Nerven. Krampfhaft versuchte ich meine Beine stillzuhalten und wartete einfach ab. Mehr blieb mir ja nicht übrig.

Dann stiegen auch wir aus. Irgendwo umgeben von Wald, nur wenige Häuser standen hier. Das prächtige Anwesen, welches sich vor uns erstreckte, hatte ich definitiv nicht erwartet. Dennoch hatten der Garten und die Fassade wohl schon besser Tage gesehen. Es machte mehr den Eindruck nach einem Familienhaus, welches einmal voller Leben war und nun irgendwie verlassen schien. Als wäre sämtliches Leben entflohen und hatte die Villa mit ihrem Garten zurückgelassen, damit sie mit der Zeit dahinschied.

„Da seid ihr ja endlich!", empfing uns Darryl, der neben einem schwarzen Quad stand und schnellen Schrittes auf uns zukam.

Laila fing sofort an über beide Ohren zu strahlen. „Du müsstest doch langsam mal wissen, dass Buse nicht ganz so zuverlässig sind", entgegnete sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihren Freund zu küssen. Dessen Hände wanderten zu ihrer Hüfte und Laila legte ihre Arme um Darryls Nacken, woraufhin beide den Kuss vertieften und ich mich fragte, warum ich überhaupt hinsah.

„Habt ihrs dann?!", krähte David dazwischen.

Darryl löste sich atemlos und grinste ihn schelmisch über Lailas Schulter hinweg an. „Bist nur eifersüchtig."

„Worauf denn?", lachte David nur. „Etwa auf die Sabber, die dir scheinbar fehlt, weil Laila dir ihre leiht."

„Ne, auf-"

„Ist gut jetzt!", unterbrach Laila den Schwarzhaarigen und küsste ihn nochmal kurz, um ihren Willen endgültig durchzusetzen. „Wir sind wegen etwas anderem hier."

David verdrehte genervt die Augen. „Ja, dein Vater erwartet uns bestimmt schon freudig."

„Das auch." Zögerlich sah Laila Darryl an, woraufhin dieser die Augenbrauen hochzog. Ich konnte die Frage, die ihm durch den Kopf schoss, förmlich sehen. „Es gibt da noch etwas, was du vielleicht vor dem Gespräch wissen solltest."

„Was denn?"

„Naja..." Einen Augenblick lang sah Laila zu uns, doch dann sah sie selbstbewusst in Darryls grüne Augen. „Versprich mir, dass du nicht böse wirst, aber wir haben schon seit längerem ein kleines Problem-"

„Kleines Problem?", entwich es David. „Du meinst wohl eher, ein großes Problem!"

Sauer verzog Laila das Gesicht. „Er übertreibt."

„Worum gehts denn jetzt?", verlangte Darryl zu wissen und in letzter Sekunde schaffte ich es ein Ausweichen nach hinten zu verhindern. Er war eben eine Autoritätsperson und die Verhaltensregeln, die uns unser Stamm gelehrt hatte, sorgten eben dafür, dass die Hackordnung eingehalten wurde. Überrascht riss ich die Augen auf. Das würde ja glatt bedeuten, dass ich Darryl als Anführer oder dergleichen ansah.

„Unser neuer Lehrer...", setzte Laila wieder an und legte die Arme um Darryls Hüften. „Weiß mehr als er wissen sollte. Also über uns. Er..." Laila seufzte ergeben. „Er gehört zu der Sekte, mit denen wir Probleme haben und er weiß, wer wir sind."

Augenblicklich fror Darryls Gesicht ein. „Bitte was?!"

Laila zuckte unmerklich zurück, umarmte ihn aber weiterhin. „Keine Sorge, es ist nichts passiert."

„Ja, noch nicht!" Sauer sah Darryl zu David. „Wieso habt ihr nie etwas gesagt? Wisst ihr eigentlich, was alles hätte passieren können?!"

„Tut uns leid", murmelte David nur.

Darryl fuhr sich einmal über den Nacken, dann sah er deutlich sanfter zu seiner Freundin hinunter. „Wie heißt er?"

„Arthur Laslo", antwortete Laila.

„Kenn ich nicht. Muss wohl neu sein."

David schüttelte den Kopf. „So hat sich das nicht angehört, aber könnte sein. Was eigentlich wichtig ist... wir könnten ihn auf unsere Seite ziehen."

„Das wissen wir noch gar nicht", warf dieses Mal ich ein und alle sahen mich überrascht an.

„Wie kommst du darauf?", fragte Darryl.

Sofort grinste David. „Er scheint den Waldmenschen gegenüber ziemlich abgeneigt und das, obwohl er einer Sekte angehört. Das passt doch nicht. Außerdem ist er Lehrer geworden. Er hat studiert... denke ich. Würde er wirklich fest auf der Seite der Sekte stehen, dann macht das keinen Sinn."

Darryl nickte. „Könnte was dran sahen, dennoch-"

„Na sieh mal einer an", erklang eine fremde Stimme hinter uns und erschrocken drehten wir uns alle um. In der offenen Haustür stand ein älterer Mann, der uns wachsam, amüsiert und irgendwie misstrauisch musterte, was nicht wirklich eindeutig war und möglichst entspannt lehnte er am Türrahmen. „Hätte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen. Hab natürlich nichts dagegen, aber... euer Besuch sagt mir, dass es scheinbar Probleme gibt... schon wieder", knurrte er.

„Könnte man so sagen", meinte Darryl und legte besitzergreifend seinen Arm um Lailas Schulter.

„Dann kommt mal rein", forderte der Mann, vermutlich Lailas Vater, uns auf und ging hinein. „Und bringt den kleinen Sullivan mit, nicht, dass er noch draußen bleibt. Hab gehört, dass die Angst vor Häusern haben."

His Green EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt