III

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L A I L A

So schnell ich konnte rannte ich zur Bushaltestelle, da ich mehr als nur spät dran war. Aber das war alles Darryls Schuld! Er wollte mich nicht gehen lassen. Jeden Morgen diskutierte er mit mir darüber, ob ich nicht später oder gar nicht zur Schule gehen konnte. Doch schwänzen war für mich keine Option. Schließlich hatte ich damals schon genug Unterrichtsstoff verpasst.

Mittlerweile hatte ich schon alles nachgeholt und mein Alltag war wieder in Ordnung. Fast ein halbes Jahr war vergangen, in dem wir wieder alles aufgebaut hatten und ich meine Beziehung zu Sara und meinem Vater wieder gestärkt hatte.

Trotzdem wohnte ich bei Darryl und daran würde sich hoffentlich auch nichts ändern. Was den fremden Clan betraf, dieser hatte sich nicht noch mal blicken lassen. Ausgerottet war er zwar nicht, aber sehr geschwächt.

Und Ben, naja, der ließ mich in Ruhe. Zur Not ging ja auch noch David zur Schule. Dieser musste sich, wie Darryl, entscheiden. Training oder Schule. Und es war abzusehen, wer sich für was entscheiden würde. Die Verletzung des Braunhaarigen war wieder geheilt, aber seine Narbe würde immer sichtbar sein. So wie meine...

Gerade stieg ich in den Bus ein und setzte mich in den Viersitzer, wo bereits David saß. Dieser konnte schon eher loslaufen, da er keinen anhänglichen Bettnachbar hatte.

„Und, wollte Darryl dich wieder nicht gehen lassen?", fragte er mit einem fiesen Grinsen.

Gehetzt lächelte ich, während ich meinen Rucksack vor meine Füße stellte. „Was glaubst du denn?"

Eine Weile blieb es still und ich war in meinem Handy vertieft. Mit meinem rechten Zeigefinger scrollte ich durch meine Musik Playlist und suchte nach dem passenden Lied. David hingegen sah aus dem Fenster. Ich hatte es endlich gefunden und wollte es anklicken, als mein Gegenüber mich plötzlich anstupste.

„Ist ne blöde Frage, aber haben du und Darryl... naja, du weißt schon, also... Molotov und ich fragen uns-"

Sofort unterbrach ich ihn. „Das geht dich nichts an!", zischte ich. „Ich frag doch auch nicht nach, wie es bei dir und Sara läuft."

„Naja, eigentlich ja doch...", murmelte er noch, doch ich hörte ihn nicht mehr, da ich meine Musik bereits am Laufen hatte.

So eine blöde Frage! Was ging ihn das an?! Bei Sara und ihm hatte sich auch nichts im letzten halben Jahr ergeben. Nicht mal ein Kuss!

Vielleicht war ich aber auch so sauer auf ihn, weil er ein Thema ansprach, was ich nicht mochte. Denn es stimmte, Darryl und ich hatten noch nicht miteinander geschlafen. Und das lag ganz allein an mir! Darryl hatte schon mehrere Annäherungsversuche gestartet, doch immer hatte ich ihn abgewiesen, da ich noch nicht bereit war. Zwar meinte er, dass es nicht schlimm sei und er so lange warten würde, wie nötig. Doch manchmal hatte ich den Eindruck, dass ich ihn damit verletzte.

Heute jedenfalls war Freitag und ich freute mich sehr aufs Wochenende. So genau wusste ich noch nicht, was ich tun würde, aber Sara würde schon dafür sorgen, dass uns nicht langweilig werden würde.

„Laila! Nicht träumen, wir müssen raus", versuchte David meine Aufmerksamkeit zu erlangen, der mit seiner Hand vor meinem Gesicht herumwedelte.

Als mein Blick raus zum Fenster ging, schreckte ich auf und folgte ihm schnell nach draußen. Am Schultor wurden wir auch schon von Sara erwartet. Während sie mich umarmte, schien sie sich bei meinem Begleiter unsicher zu sein, wie sie ihn begrüßen sollte. Man sollte doch meinen, dass nach einem halben Jahr, wenigstens die Begrüßung anständig möglich war.

„Hey, schon was vor am Wochenende?", wollte sie wissen. Meine beste Freundin hatte sich einfach dazu entschlossen, David freundlich zu zunicken, was diesen dezent erleichterte, da er sich ebenfalls unsicher war. Vielleicht sollte ich sie verkuppeln?

„Nein, du?", fragte ich. Darryl hatte mit Sicherheit eine Idee, wie er sein Wochenende verbringen konnte, doch ich wollte auch mal wieder etwas mit Sara unternehmen.

Überglücklich strahlte sie mich an. „Dann hast du ja jetzt was vor! Wir beide machen einen Mädelsabend!", meinte sie. Damit war ich selbstverständlich sofort einverstanden, nur David verdrehte die Augen.

„Super, was mach ich denn dann?", wollte Genannter wissen.

Nachdenklich kniff Sara ihre Augen zusammen. „Du machst dir mir Darryl einen Männer Abend!", bestimmte sie.

„Genau und Molotov nimmst du auch gleich mit, der war schon viel zu lange nicht mehr da!", ergänzte ich noch, denn der Orangehaarige ließ sich fast nicht mehr bei uns blicken. Mit seiner aufgedrehten Art hatte er immer gute Stimmung verbreitet und sein Fehlen war überall spürbar.

David schien der Vorschlag zu gefallen. „Und was macht man da?"

„Ähm..?", ratlos blickte ich zu Sara.

„Das fällt euch schon noch ein, solange es nicht illegal ist!", erklärte sie und legte mir einen Arm um die Schulter, um mich ins Schulhaus zu zerren. David folgte uns. In letzter Zeit hatte ich das Gefühl, dass er anhänglicher geworden war. Das konnte entweder an Sara liegen, oder aber an Darryl, der darauf bestand, dass David auf mich aufpasste.

„Wisst ihr eigentlich, dass wir einen neuen Lehrer haben?" So kannte ich Sara, immer über alles und jeden informiert. David und ich schüttelten mit den Köpfen. „Haben wir, nämlich in Sport und Geschichte."

Ich öffnete die Tür zum Klassenzimmer. „Aha."

Der neue Lehrer interessierte mich herzlich wenig, bis mir auffiel, dass wir jetzt als Vertretung Geschichte hatten. Bestimmt auch nur so ein alter Mann, wie der Letzte.

Doch als ich mit auspacken fertig war und nach vorne blickte, stockte ich. Der Mann vor uns konnte unmöglich Lehrer sein! Er sah unglaublich jung aus und machte nicht gerade einen vernünftigen Eindruck. Seine fast schwarzen Augen hatten einen komischen Ausdruck und als er seine Ärmel nach oben krempelte, hatte ich freie Sicht auf vier kleine Narben, die sich mehrfach kreuzten. Die dunklen Haare sahen recht ungekämmt aus und seine Muskeln und das Schwert Tattoo, welches auf seiner Brust war und durch das offene Hemd zu sehen war, passten nicht zu seinem Job.

„Morgen, ich bin Arthur Laslo und werde euch ab heute in Geschichte und Sport unterrichten."

Ich kannte diesen Mann seit paar Minuten und misstraute ihm schon jetzt. Das konnte noch was werden.

His Green EyesWhere stories live. Discover now