XVI

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„Wer war das?", fragte ich sofort mit dem Blick auf Darryl gerichtet.

„Das war Molotov. Molotov Tegna. Er wohnt nicht bei uns, kommt aber oft vorbei und gehört somit quasi zur Familie. Zudem trainiert er auch hier und ist wie ein Bruder für mich. Wir kennen uns also schon von klein auf", erklärte er mir mit einem leichten Lächeln.

„Und wieso wohnt er nicht bei euch? Ich mein, was hält ihn denn davon ab?", wollte ich irritiert wissen.

Der Schwarzhaarige neben mir seufzte. „Naja, er wohnt noch bei seinem Vater und hilft ihm oft bei der Arbeit. Deswegen kommt er nur manchmal. Es ist aber jedes Mal aufs Neue ein Highlight", grinste er. Ich würde zu gern nachfragen als was Molotovs Vater arbeitete, traute mich aber nicht und wechselte daher das Thema.

„Ich dachte David ist dein Bruder, ist er da nicht eifersüchtig?", stellte ich meine Frage.

„David und Eifersüchtig? Ne! Außerdem sind wir gar nicht blutsverwandt." Geschockt sah ich ihn an. Keine Geschwister?!

Erst konnte ich nicht glauben was ich hörte, fand dann aber doch meine Stimme wieder. „Was?! Aber ihr habt doch den selben Nachname und ihr habt doch gesagt, dass ihr Brüder seid?"

„Sind wir ja auch, wir haben bloß nicht die selben Eltern. David ist eigentlich der Zwillingsbruder von Jessie. Die Beiden wurden von meinem Onkel im Wald gefunden als sie noch Babys waren und so hat er sie mit hier hergenommen. Rechtlich nicht unbedingt das Richtige, aber wir haben halt unsere eigenen Regeln. Meine Eltern haben sich nie um mich gekümmert und somit hat er uns drei wie seine eigenen Kinder behandelt und großgezogen, obwohl er selber nie welche hatte. Nur mit dem Unterschied, dass ich bis zu meinem 15. Lebensjahr noch zuhause gewohnt habe. Und Molotov war eben unser Sandkastenfreund", beendete er seine Erzählung und ich stand mit offenem Mund da.

„Also ist David überhaupt nicht dein Bruder?!", entfuhr es mir, da ich noch immer etwas auf der Leitung stand.

„Doch! Wir haben nur nicht die selben Eltern. Trotzdem sind wir wie vier Geschwister", entgegnete er überzeugt und so langsam verstand ich es. „Wir kennen es nicht anders, wir sind so aufgewachsen", fuhr er fort.

Ich nickte nur. Allerdings musste ich sagen, dass sich David und Jessie nicht mal im Ansatz ähnelten und ich wahrscheinlich nie glauben würde, dass sie Zwillinge waren.

„Ich glaube übrigens du solltest vielleicht mal deine Freundin anrufen. Sie macht sich mit Sicherheit schon Sorgen um dich, weil du letzte Nacht einfach so verschwunden bist", kam es von ihm plötzlich.

Irritiert sah ich zu ihm auf. Dann machte es klick. „Stimmt! Ich hab Sara ganz allein gelassen. Oh man, sie reißt mir den Kopf ab!", bemerkte ich hysterisch.

Darryl sah mich kurz verwirrt und dann ernst an. „Das kann sie vergessen! Niemand reißt dir den Kopf ab!", knurrte er bedrohlich.

Irgendwie fand ich die Reaktion süß von ihm, aber auch etwas verstörend, weil er das wortwörtlich nahm. „Keine Sorge, das war nur so dahingesagt. So etwas würde sie nie tun!", versicherte ich ihm und tatsächlich wurde er wieder entspannter.

Mit der rechten Hand fischte ich mein Handy aus meiner Hosentasche und wählte ihre Nummer. Während es klingelte, beobachtete mich der Schwarzhaarige aufmerksam und fokussierte mich, was mir mehr als unangenehm war.

„Laila? Wo bist du?!", schrie plötzlich jemand am anderen Ende der Leitung. Sara hatte ich noch nie so aufgebracht erlebt, aber in Anbetracht der Tatsachen nahm ich es ihr nicht wirklich übel.

„Hey Sara, mir geht's gut! Es tut mir auch total leid, dass ich einfach so verschwunden bin, aber können wir den Rest zu Hause bereden?", fragte ich und hoffte sie würde mir zustimmen.

Kurz war Stille. „Oh man, ich habe mir echt Sorgen gemacht! Wieso hast du nichts gesagt? Und wo bist du jetzt überhaupt? Dein Vater hat mich angerufen, da du nicht Zuhause warst, aber bei mir bist du ja auch nicht!", verlangte sie zu wissen.

Bei der Erwähnung meines Vaters verspannte ich mich sofort und ich bildete mir ein Darryl leise knurren zu hören. „Ich bin letzte Nacht mit zu Darryl, da es mir nicht gut ging."

„Zu Darryl?!", rief sie geschockt und ich musste das Handy etwas weiter weghalten. Der Schwarzhaarige musterte es wie eine Bedrohung und verfolgte misstrauisch die Bewegung. „Hat er dir etwas getan?! Ich schwöre ich zieh ihm das Fell über die Ohren und nutze es als Bettvorleger!"

Nicht nur ich sah geschockt aus, auch Darryl, der alles mithörte blickte mich verstört und zweifelnd an. „Das schafft sie gar nicht. Die ist viel zu klein und zu schmächtig", brummte er und schien ernsthaft zu überlegen wie viel Gefahr von der Drohung aus ging.

„Er hat mir nichts getan und ich soll dir von ihm sagen, dass du das eh nicht schaffst", meinte ich grinsend in dem Wissen, dass ich sie provozierte.

Ich hörte schon, wie sie am anderen Ende empört nach Luft schnappte. „Und wie ich das schaff! Dieser Grünschnabel kann sich auf was gefasst machen!", fauchte sie.

Das Gespräch verlief eindeutig in die falsche Richtung und so versuchte ich es zu retten, bevor es eskalierte. Doch da hatte ich die Rechnung ohne Darryl gemacht, der mir das Handy klaute und es außer meiner Reichweite hielt.

„Pass mal auf, du kleine Furie! Du kannst mir Garnichts mit deinen mickrigen Mäusehändchen und Laila würde ich nie etwas antun! Sonst hätte ich sie ja gestern Nacht nicht gerettet", knurrte er wütend und am liebsten hätte ich ihn dafür geschlagen.

Jetzt würde Sara sich noch mehr Sorgen machen als ohne hin schon und ich durfte am Ende wieder alles erklären. Bevor die Beiden sich noch telefonisch umbrachten, zog ich Darryls Arm nach unten und riss ihm mein Handy aus der Hand.

Wütend funkelte ich ihn an. „Sara ich erklär dir alles Zuhause, versprochen. Ich werde gleich da sein. Mein Vater ist bestimmt schon arbeiten und wir können uns bei mir treffen", schlug ich vor und nachdem sie sich geschlagen gab, legte ich auf.

„Was war das denn jetzt?", fragte ich an Darryl gewandt.

Dieser war sich keiner Schuld bewusst. „Was meinst du? Ich hab dich und mich nur verteidigt. Was ist das eigentlich für eine Freundin? Am Ende grillt die dich noch zum Abendessen wenn ihr euch mal streitet", sagte er missgestimmt.

Innerlich schlug ich mir die Hand gegen die Stirn. Er nahm das ja wirklich ernst. Genervt seufzte ich. „Ich sollte wohl besser gehen, sonst wird es nur noch schlimmer", murmelte ich, ohne auf seine Frage einzugehen.

„Ich bring dich!", bestimmt er sofort.

Wieder etwas glücklicher sah ich ihn an. „Hast du ein Auto?", wollte ich wissen, da ich keine Ahnung hatte, wie er mit einem Auto durch den Wald kommen wollte.

Kurz überlegte er. „Nein habe ich nicht, aber ein Quad!", meinte er begeistert. Damit lief er los. Ich folgte ihm und wusste in dem Moment nicht, dass ich diese Fahrt noch bereuen würde.

His Green EyesWhere stories live. Discover now