XLII

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Gequält öffnete ich am Morgen die Augen. Ich hatte alles andere als gut geschlafen und würde mich am liebsten einfach umdrehen und weiterschlafen. Doch das ging nicht.

Also streckte ich mich ausgiebig und warf die Bettdecke beiseite. Mein Shirt war klatschnass geschwitzt, weswegen ich es schnell auf die Dreckwäsche legte. Alpträume hatten mich wachgehalten und ich war mindestes dreimal in der Nacht aufgewacht. Zusätzlich schmerzten meine Verletzungen, obwohl Mara sie gut versorgt hatte.

Deutlich fitter als ich mich fühlte, lief ich ins Bad und ging unter die Dusche, nachdem ich meine Klamotten losgeworden bin.

Was Laila jetzt wohl machte? Ob sie mir immer noch so böse war? Bestimmt.

Ich hatte mich schon vor Jahren daran gewöhnt, dass Laila meine Gedanken dominierte, aber manchmal war es auch etwas anstrengend. Meine Konzentration und meine Prioritäten litten darunter. Dennoch liebte ich sie über alles und ich war nicht bereit, wegen eines Mordes unsere Beziehung aufzugeben. Außerdem, der Typ war selber schuld! Nur Laila sah das anders...

Gereizt trat ich aus der Dusche, machte mich fertig und lief dann runter zum Speisesaal. Dort warteten bereits Jessie und David.

„Morgen", brummte ich. Meine Laune war noch immer im Keller und leistete den Ratten Gesellschaft, weil ich wieder an letzte Nacht denken musste.

Die Zwillinge drehten zeitgleich ihre Köpfe zu mir. „Schön, dass du auch mal wach bist", zickte Jessie zugleich. Ihre schwarzen Haare hatte sie wieder im Zopf und dieser ließ sie noch böser aussehen.

„Was hast du eigentlich mit ihm gemacht?", fragte ich und unterbrach David, der mich wahrscheinlich auch begrüßen wollte.

Doch irgendwie wollte ich jetzt nicht mit ihm reden. Es war falsch und er konnte auch nichts dafür, aber ich war sauer auf ihn. Mir gefiel es nicht, dass Laila vor mir mehr Angst hatte als vor ihm und ihn mir vorgezogen hatte gestern Nacht.

„Was denkst du denn?!", blaffte Davids Schwester. „Ich hab ihn jedenfalls nicht dort liegen gelassen!"

Das war mir Antwort genug.

Es entstand eine unangenehme Stille und ich wünschte mir insgeheim Molotov her. Er würde diese Stimmung definitiv zum kippen bringen und gute Laune mitbringen. Mit einem Seufzer setzte ich mich den Zwillingen gegenüber und beobachtete sie beim Essen. Ich selbst hatte keinen Hunger. Nein, ich wollte so schnell wie möglich zu Laila. Nur wäre es gut, wenn ich noch etwas warten würde. Und bis dahin brauchte ich Ablenkung. Training! Aber allein?

„David?", fragte ich deshalb. Ich sollte den ersten Schritt machen, immerhin hatte er mir letzte Nacht einen Gefallen getan.

Fragend hob er den Kopf und zog eine Augenbraue hoch, während er sein Essen kaute. „Hm?"

„Willst du nachher mit mir trainieren? Wir machen auch langsam, wegen deiner Verletzung." Abwarten sah ich ihn an.

„Ja, können wir machen."

Grinsend wartete ich darauf, dass er mit Essen fertig war. Jessie schaffte derweil ihren Teller weg und stattdessen setzte sich jemand anderes neben uns. Kion. 

Er war gelegentlich mein Trainingspartner und war ungefähr ein Jahr jünger als ich. Anders wie die anderen Clanmitglieder in unserem Alter war er nicht trainiert wurden. Alles was er vom Kampfsport wusste, hatte er von mir. Wir trainierten seit einem halben Jahr zusammen und er war erstaunlich gut. Manchmal hatte ich schon die Vermutung, dass er bereits vorher trainiert hatte, doch er stritt es immer ab. Er war dem Clan auch erst vor kurzem beigetreten.

Seine blonden Haare waren mal wieder verschwitzt, wahrscheinlich vom frühen Joggen und seine braunen Augen sahen mich mitleidig an.

„Tut mir leid, wegen dem von letzter Nacht." Woher wusste er das nun schon wieder?! „Hoffe der Kleinen ist nichts passiert?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, sie hat nur nen ordentlichen Schrecken bekommen und außerdem heißt sie Laila."

In Kions Blick lag kurz etwas Verächtliches, ehe er sich abwandte und ging. Was war denn mit dem los?

„Wir können", meinte David und gemeinsam standen wir auf.

Als wir zur Halle liefen, hielt ich ihn kurz auf und musterte ihn prüfend. „Hast du Kion davon erzählt?"

„Was? Nein. Ich hab ihn vorher doch noch gar nicht gesehen", verteidigte er sich und ich wurde nur noch verwirrter. Dann hatte er das wahrscheinlich von Jessie...

„Naja, ist ja jetzt auch egal", murmelte ich und ging weiter.

Das Training mit David verlief ziemlich gut, auch wenn wir beide uns ein wenig zurückhalten mussten. Als Davids Schmerzen dann aber doch zu groß wurden, hörten wir auf. Genau rechtzeitig, denn ein aufgebrachter Kion stürmte in die Halle. 

„Darryl?!"

„Ja?" Auffordernd sah ich ihn an, während ich aus meiner Flasche trank, die er mir zum Glück dieses Mal gelassen hatte.

„Mara... wir haben sie im Wald gefunden und sie ist... tot." 

Augenblicklich spuckte ich mein Wasser aus und fing an zu husten. David hingegen klappte die Kinnlade runter. „Sag mir, dass das ein Scherz ist!", knurrte ich und der Blonde zuckte zusammen. Er schüttelte mit dem Kopf und so folgten David und ich ihm.

Draußen auf der Lichtung war bereits ein großer Tumult und die Leute hatten sich um etwas versammelt. Ich drängte mich durch die Clanmitglieder hindurch und blieb dann angewurzelt stehen.

Mara lag in der Mitte des Kreises und alle starrten gebannt auf ihren toten, blutüberströmten Körper. Von ihrer Haut war fast nichts als Fetzen übrig und sie badete in ihrem eigenen Blut. Ihre Kleidung war längst durchgeweicht und ihre Augen waren weit aufgerissen.

Ich kniete mich neben sie und betrachtete ihren verletzten Körper.

Wer auch immer das war, hatte sie absolut gewalttätig und qualvoll getötet. Das Wissen, dass Mara offenbar einen langsamen, schmerzhaften Tod hatte und sich nicht wehren konnte, ließ mich tief auf knurren und die Augen schließen. Sie war wie eine Mutter für mich. Nicht nur für mich, sondern auch für die meisten anderen in unserem Alter. Immer war sie da und hatte alles für uns gemacht und so wurde es ihr gedankt.

Das Verlangen sie zu rächen, wurde immer größer. 

„Darryl?", riss David mich vorsichtig aus meinen Gedanken. Anhand seiner zitterten Stimme erkannte ich, dass er den Tränen nahe war.

„Wir haben das hier bei ihr gefunden", ergänzte Kion, der sich zu mir gekniet hatte und mir einen blutbefleckten Zettel hinhielt. Ohne aufzublicken, nahm ich ihn an und faltete ihn auseinander.

Sie wird nicht die Letzte sein!

In meinem Kopf machte es klick. Ich musste sofort an Laila denken. Noch immer waren sie in unserem Revier und wir hatten es nicht mal bemerkt! Ich musste sofort zu ihr!

His Green EyesDär berättelser lever. Upptäck nu