XXIX

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Mit verwirrtem Blick drehte er sich zu uns um. Das Buch noch immer in seiner Hand. „Laila, gehört das deinen Vater?", wollte der Braunhaarige wissen.

Ratlos zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte es noch nie zuvor gesehen und mir kam es auch nicht bekannt vor. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich es. Es sah ziemlich abgenutzt aus und einzelne Seiten lugten hervor. Da es nicht mir gehörte, musste es ja meinem Vater gehören.

Darryl nahm es David einfach aus der Hand und blätterte durch die Seiten. Sein Gesichtsausdruck war dabei sehr angespannt und nachdenklich. „Es muss deinem Vater gehören, wem sonst", murmelte er.

Während er das Buch überflog, fielen einzelne Seiten und Fotos heraus. Doch ihn störte das nicht, denn er blätterte weiter. Dabei murmelte er leise Sachen vor sich hin und ich starb fast vor Neugier. Zusammen mit David sammelte ich die heruntergefallenen Sachen auf. Einige der Blätter waren geknickt und sahen so aus, als wären sie oft zusammengefaltet worden. Die Fotos waren alle schwarz-weiß, bis auf eins. Ein Bild meiner Mutter. Ich erkannte sie von dem Bild im Arbeitszimmer wieder. 

„Ey, ich seh ja total hübsch aus!", stieß David neben mir aus, der ein Foto von sich selbst in der Hand hielt.

„Ist bestimmt Photoshop", entgegnete Darryl abwesend.

Sein Bruder schnaubte frustriert. „Spuck du nur keine großen Töne, du siehst schrecklich aus! Wie wenn du in eine saure Zitrone gebissen hättest!", verteidigte er sich und hielt uns jetzt ein Bild von Darryl vor die Nase.

Ich musste etwas lachen, denn der Schwarzhaarige sah wirklich komisch aus. In meinen Augen war Darryl zwar bildschön, aber das Bild kam an das Original nicht im Entferntesten ran. Für einen Moment biss ich mir schmerzhaft auf die Unterlippe. Vielleicht dachte ich über Darryl doch anders als ich mir momentan eingestehen wollte.

„Wen findest du heißer?", wollte David wissen und hielt mir demonstrierend nun beide Bilder hin. 

Leicht überfordernd sah ich ihn an, da ich meine Antwort schon hatte, aber mir nicht sicher war, ob ich diese preisgeben wollte.

„Na ganz klar mich! Ich bin auch der Einzige, den sie schön, süß oder heiß finden darf!", knurrte Darryl sofort bestimmend.

Mein Blick wanderte, wie der von David zu Darryl und leicht überrascht sah ich ihn an. Diese Art von ihm sollte mich eigentlich abschrecken, aber ich fand sie einfach toll und sie gehörte eben zu ihm. Ich wollte ihn gar nicht anders. Er war perfekt, insofern man perfekt sein konnte.

Darryl schien mein Blick falsch zu deuten, denn er sah etwas niedergeschlagen aus. Ganz so, als würde er seine Worte bereuen. David wollte schon den Mund aufmachen, um seine Frage von vorhin zu wiederholen, doch plötzlich ging die Haustür auf. Wir alle zuckten zeitgleich zusammen und panisch sah ich in den Flur. Ich konnte schon Schritte hören und wie der Schlüssel auf die Kommode geworfen wurde. Gleich würde mein Vater bei uns sein.

Darryl reagierte als Erster und zog mich am Arm mit sich. In der anderen Hand hielt er noch das Buch. Meine Tasche nahm David mit und so schnell wir konnten liefen wir nach oben in mein Zimmer.

„Toll, und wie kommen wir jetzt wieder raus?", flüsterte David gestresst und zauste sich die Haare.

„Fenster", war Darryls knappe Antwort und David machte sich sofort daran es zu öffnen. Anschließend ließ er sich mit meiner Tasche an der Hauswand hinuntergleiten.

Darryl wollte auch gerade hinunter, doch ich hielt ihn an der Hand fest. Verwundert drehte er sich zu mir. „Laila, wir müssen los."

„Ja, aber ich wollte dir noch sagen, dass du vorhin nichts Falsches gesagt hast." In seinen Augen blitzte sofort Erleichterung und Freude auf.

Er drehte sich nun komplett zu mir. „Ich hatte Angst, dich damit zu verschrecken. Ich bin manchmal einfach zu besitzergreifend und es ist immer noch ungewohnt", erklärte er und Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit, „Du stehst vor mir, aber ich kann dir nicht nahe sein. Du erinnerst dich nicht mehr an uns und das zerfrisst mich... irgendwie."

Seine Ehrlichkeit berührte mich und ich musste automatisch lächeln. „Ich finde es nicht schlimm, wenn du verteidigst, was dir gehört", sagte ich und realisierte erst jetzt, was ich da eben eigentlich gesagt hatte.

„Du meinst..." Er sprach nicht weiter, sondern sah mich erwartend an.

„Ich weiß es nicht, okay? Du musst mir Zeit geben. Aber was ich weiß ist, dass da etwas zwischen uns ist und du mir sehr wichtig bist", versicherte ich ihm und spürte, wie ich rot anlief.

Er lächelte mich breit an. „Du bist mir auch wichtig. Du weißt gar nicht wie sehr."

Ich wollte gerade antworten, da hörten wir Schritte auf der Treppe. Es war Zeit zu gehen. Darryl sah zur Tür und dann zum Fenster. „Du zuerst."

Damit kletterte ich nach unten und kam zum Glück sicher bei David an, der schon auf uns gewartet hatte und verschmitzt grinste. Darryl kam kurz nach mir unten an und wir liefen zurück zur Straße. Dort wartete ein dunkler Geländewagen auf uns.

„Wer ist das?", fragte ich die beiden, bekam aber keine Antwort. 

Darryl drückte mich sanft neben David auf die Rückbank und ich schnallte mich an. Darryl stieg vorne ein.

„Hat ganz schön lange gedauert", bemerkte der Fahrer. Als ich hochsah, erkannte ich Molotov. Er begrüßte uns mit Handschlag, sah aber leicht genervt aus.

„Sag bloß der ist neu?", wollte David wissen, der verträumt über das Innenpolster strich.

Molotov sah durch den Rückspiegel, während er den Wagen startete. „Ja, ist erst drei Tage alt." Obwohl er grinste, sah man ihm sein Unbehagen an.

„Kannst mir ja auch mal nen Ferrari vorbeibringen, wenn du Zeit hast", meinte David sarkastisch und kassierte dafür einen Klatscher von Darryl auf den Oberschenkel. Beide tauschten komische Blicke aus und irgendwie hatte ich das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Laut den beiden hatte Molotov also ein neues Auto. Na und? 

Also genoss ich einfach die Wärme im Auto und lehnte meinen Kopf an den Sitz.

Plötzlich fiel mich das Gespräch mit Sara wieder ein. Stimmt, da war ja was. Nur wollte ich Darryl nicht darauf ansprechen. Im Moment war es so schön zwischen uns. Das wollte ich nicht zerstören. Aber das hatte ja noch Zeit, er war ja immerhin unschuldig. Hoffentlich.

Die Fahrt über unterhielten sich die Jungs über alle möglichen Themen, die ich aber nur zur Hälfte verstand. Also hörte ich nicht wirklich zu. 

„Laila, hast du das schon mal gesehen?"

Verwundert darüber, dass ich mit in das Gespräch einbezogen wurde, hob ich meinen Kopf. Darryl hielt das Buch in der Hand und sah mich fragend an. 

„Nein, noch nie", antwortete ich.

„Dann hat dein Vater das ja gut versteckt, wenn er nie da war", schlussfolgerte Molotov.

Ich nickte betrübt. „Ja, er hat sein Arbeitszimmer immer abgeschlossen. Ich hatte also keinen Zugang und selbst wenn, ich wusste ja nicht, was er für Sachen da drin macht."

Darryl, David und Molotov warfen sich komische Blicke zu und schienen sich auf einmal alle einig. „Dann wissen wir ja, was wir heute Nacht so machen."

His Green EyesWhere stories live. Discover now