XXVII

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„Laila, wo warst du gestern?!", fragte mich eine hysterische Sara, die am Schultor bereits auf mich gewartet hatte. Darryl hatte heute Morgen murrend und widerwillig seinen Schulrucksack gepackt und kam nun verschlafen neben mir zum Stehen. „Hast du etwas damit zu tun?!", fauchte sie ihn auch gleich an und legte beschützend einen Arm um mich, den ich jedoch sofort wegschlug.

„Wann wolltest du mir eigentlich all das sagen?!", wollte ich aufgebracht wissen. Zwar hatte Darryl mich gebeten nachsichtig zu sein, doch das konnte ich im Moment einfach nicht.

„Was sagen?" Sara hatte offensichtlich keine Ahnung, wovon ich sprach. Doch ich wollte sie nicht aufklären, sie musste schon von selbst draufkommen. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und schwieg.

Da sie von mir keine Antwort bekam wandte sie sich an meinen Nebenmann. Der Schwarzhaarige jedoch war noch etwas im Halbschlaf und daher auch keine große Hilfe. Er gab nur ein vielsagendes Seufzten von sich und sah Sara mit seinen Smaragden an.

„Sag nicht, dass du es ihr erzählt hast?!", schrie sie auf einmal empört und Darryls Gesichtsausdruck verwandelte sich zu genervt.

„Sara-", fing er an, konnte aber nicht ausreden.

„Nein, wir hatten eine Abmachung!", redete sie ihm rein und ich sah beide nur verwirrt an. Mir blieb nichts anderes übrig als dem Gespräch zuzuhören und ratlos nebenan zu stehen. Die meisten Leute drehten sich schon zu uns um, da Sara und Darryl so laut miteinander diskutierten.

Also beschloss ich schon mal reinzugehen. Sie würden es schon merken, wenn ich weg war.

„Laila, warte mal!", rief plötzlich jemand hinter mir. Schnell drehte ich mich um und stand nun David gegenüber. Wollte er nicht Schule schwänzen?

Trotzdem lächelte ich ihn an, da ich froh war nicht allein zu sein. „Hey, du willst also heute doch zur Schule?"

„Von Wollen kann keine Rede sein! Mara hat mich förmlich dazu gezwungen und mich aus dem Haus gejagt. Sie meinte, wenn ich schon mal in die Schule geh, dann richtig", beschwerte er sich und machte währenddessen mit seinen Armen dramatische Bewegungen.

„Okay, dann bin ich ja nicht die Einzige, die zur Schule gezwungen wird", antwortete ich und zog ihn am Arm hinter mir her zum Klassenraum.

Er ließ es über sich ergehen und war wieder ganz der alte David den ich kannte. „Wo sind eigentlich mein Bruder und Sara?"

„Die streiten sich."

Es war zugegeben etwas komisch, dass er Darryl seinen Bruder nannte. Genauso wie Molotov. Die Vier waren nicht miteinander verwandt, aber betitelten sich trotzdem so. Naja, außer Jessie und David, die waren Zwillinge. Aber wahrscheinlich würde ich so etwas als Einzelkind nie verstehen. Sie waren so aufgewachsen in ihrem Clan, sie kannten es nicht anders.

Im Klassenraum setzten wir uns beide an unseren Platz und packten unsere Sachen aus. Da meine Schulsachen noch Zuhause waren, musste ich mir einen Stift und ein paar Blätter von David leihen. Das Dumme war nur, dass er selbst keine hatte.

So mussten wir auf Sara warten und bekamen letzten Endes von ihr ein paar Blätter nach hinten geworfen. Darryl und sie waren zu unterschiedlichen Zeiten ins Zimmer gekommen und warfen sich Todesblicke zu.

Dem Unterricht folgte ich nicht, sondern sah zum Fenster hinaus. Unglaublich wie sich mein Leben in der letzten Woche verändert hatte. In nur wenigen Tagen hatte sich meine Lebenssituation zum kompletten Gegenteil gewandelt.

Aber eigentlich war sie ja nie anders. Ich hatte bloß alles vergessen und dank Darryl nahm es nun wieder Form an.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als David mich verzweifelt ansprach, da er die Matheformeln nicht verstand. Verständlich er war nie in einer Schule vorher gewesen und die meisten in unserer Klasse hatten in Mathe immer noch Probleme. Zum Glück verstand ich das Thema recht gut und konnte es ihm erklären. Dabei spürte ich immer mal wieder Darryls Blick im Nacken. Die Situation kam mir mehr als bekannt vor und ich musste schmunzeln.

„Alter wie machst du das nur?!", quengelte David und rutschte auf seinem Stuhl nach unten. Ich wollte gerade ansetzen, um es ihm erneut zu erklären, doch er hatte andere Pläne und meldete sich, weil er angeblich aufs Klo müsse. Ja klar.

Somit flüchtete er aus dem Raum. Kopfschüttelnd sah ich ihm hinterher.

Auf einmal landete ein Zettel auf meinem Platz auf dem Laila stand. Ich erwischte mich schon dabei, wie ich hoffte er wäre von Darryl und öffnete ihn.

Nachher in der Pause bei unserem Spint.
Ohne Darryl und David.
Wir müssen dringend reden!

~ Sara

Verdutzt sah ich nach vorne, doch Sara sah mich nicht an. Ihre braunen Haare waren heute in einem kurzen Zopf zusammengebunden und lagen auf ihrem Rücken, während sie mit ihren Aufgaben beschäftigt war.

Genau rechtzeitig steckte ich den Zettel weg, denn David war schon zurück und ließ sich leidend auf seinen Stuhl nieder. Wenn ich ehrlich war, wollte ich eigentlich gar nicht mit ihr reden. Sie hatte mich die ganze Zeit belogen, wie sollte ich ihr da noch vertrauen? Auf der anderen Seite wollte ich ihr die Chance geben, sich zu erklären und Darryl und David hatten mich ja auch belogen. Und ihnen war ich komischerweise nicht böse.

Das war auch der Grund weswegen ich nach der ätzenden Mathestunde bei meinem Spint stand auf Sara wartete. Darryl musste ich dafür erstmal abwimmeln, da er bei mir bleiben wollte. David hatte mir dann den Gefallen getan und seinen Bruder mitgenommen.

„Laila, danke, dass du gekommen bist", vernahm ich Saras Stimme neben mir, die mich dankbar anlächelte.

„Hm", entgegnete ich nur und sah sie auffordernd an.

Sie blickte sich im Gang um, wahrscheinlich um sicher zu gehen, dass wir nicht belauscht wurden. „Bitte, Laila, ich hab keine Ahnung was Darryl dir erzählt hat, aber du musst mir glauben ich wollte nur das Beste für dich!", platzte es aus ihr heraus.

„Wieso hast du mir dann die ganze Zweit direkt ins Gesicht gelogen? Und vor allem, wieso hast du mich vor den Aksharas gewarnt, wenn du, doch genau wusstest wer sie sind?!" Vielleicht war ich etwas zu hart zu ihr, aber ich fühlte mich einfach hintergangen. „Ich hab dir immer die Wahrheit erzählt, wieso du mir nicht?"

„Darryl wollte es erstmal so, er hatte Angst, dass du dich nicht erinnern würdest. Nie mehr. Und deshalb wollte er erstmal sehen, wie du auf sie reagieren würdest", verteidigte sie sich.

Ich verschränkte wieder meine Arme vor der Brust. „Wieso hast du dann immer so schlecht von ihnen gesprochen?"

„Laila, ich fand es nicht in Ordnung was dein Vater getan hat und wollte dir helfen. Also musste ich ihnen helfen. Aber das heißt nicht, dass ich ihre Taten gutheiße!", meinte sie aufgebracht und sie senkte ihre Stimme, damit niemand uns hörte.

Klar waren die beiden Brüder keine Unschuldslämmer, aber Sara übertrieb einfach. „Was meinst du damit?"

„Erinnerst du dich an den Mann, der zu dem fremden, geheimen Clan gehört und dich im Wald angegriffen hat? Wir haben spekuliert, was mit ihm passiert ist. Was denkst du hat Darryl mit ihm gemacht? Denkst du ernsthaft, er hat ihn nur bewusstlos geschlagen?", fragte sie und redete immer schneller, wobei ihre Stimme leicht spöttisch klang.

„Ich weiß nicht." Verwirrt worauf sie hinauswollte, zuckte ich mit den Schultern.

Sie kam mir ganz nahe und sprach so leise, dass nur ich sie hören konnte. „Mach deine Augen auf, Laila! Er hat ihn getötet! Darryl ist nicht so gutmütig wie du glaubst."

„So ein Mist!", stieß ich schockiert aus. Klar wusste ich, dass er gut kämpfen und mit Waffen umgehen konnte, aber Mord?!

Sara lächelte bedauernd. „Dann frag ihn doch. Er wird es vor dir nicht leugnen können."

His Green EyesWhere stories live. Discover now