XXIV

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Noch bevor ich mich umdrehte, wusste ich bereits, wem die Stimme gehörte. Und tatsächlich. Darryl stand nur in drei Meter Entfernung vor mir und funkelte Jessie mit seinen grünen Augen sauer an. Molotov stand neben ihm und beobachtete uns stillschweigend.

„Du hast mir gar nichts zu sagen!", fauchte sie garstig zurück und ich konnte Molotov und David pfeifen hören, die sich über die Situation sehr amüsierten.

Ich erwartete einen bissigen Kommentar vor dem Schwarzhaarigen, doch er sagte nichts. Stattdessen sah er das Mädchen hinter mir einfach nur an und das hatte Wirkung. Wütend schnaufte sie, ehe sie die Lichtung verließ und im Wald verschwand.

„Was machst du hier?", fragte er nun an mich gerichtet. Die Wärme und Liebe in seinem Blick von vorhin war weg und wurde durch Emotionslosigkeit und Kälte ersetzt. Das versetzte mir einen Stich ins Herz und niedergeschlagen senkte ich meinen Blick.

„Sie ist durch Zufall hier. Ich wollte sie erst aufhalten, aber du kennst sie ja", antwortete Molotov für mich lachend.

„Wenn das so ist..." Darryl lief an mir vorbei zu einer der Bänke und kramte in seiner mitgebrachten Tasche rum. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie alle wieder so komische Trainingsklamotten trugen.

Außer Darryl, er hatte noch die selbe Kleidung wie vorhin an und angelte jetzt seine Trainingssachen aus der Sporttasche. Ein wenig wegen seiner Ignoranz verletzt drehte ich mich um und beobachtete ihn stumm. Ich wusste nicht so recht was ich tun sollte, also warf ich David einen hilflosen Blick zu. Doch der unterhielt sich flüsternd mit Molotov.

„Sie kann doch mit uns trainieren", schlug nun David vor. Doch sein Vorschlag wurde von Darryl nur mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert.

„Stimmt, dass würde ihr bestimmt helfen, oder Darryl?", unterstützte Molotov den Vorschlag.

„Nein!", antworteten Darryl und ich gleichzeitig und sahen uns wenig später verblüfft an. „Ich hab von sowas keine Ahnung, ich würde euch nur behindern", versuchte ich mich heraus zu reden, da ich keine Lust auf eine Sporteinlage hatte.

„Außerdem könnte sie sich verletzen!", fügte Darryl noch knurrend hinzu. Seine Besorgnis hellte mein Gesicht wieder auf und positiv überrascht sah ich zu ihm.

Molotov hob die Hände hoch und tat so als würde er in den Augen reiben. „Bohu! Sie könnte sich verletzen! Wie alt ist sie bitte, fünf?"

„Nein, aber-", setzte Darryl an, wurde aber von David unterbrochen.

„Lass sie einfach mit trainieren und wenn sie sich verletzt, kannst du sie ja heldenhaft beschützen und wir machen dann eben dich fertig", ergänzte David grinsend. „Du bist einfach ihr Trainingspartner und ich bilde mit Molotobrudi ein Team!" Dabei setzte er das 'Trainingspartner' in Anführungszeichen und grinste wieder dreckig.

Darryl seufzte genervt und Molotov riss die Augen auf. „Molotobrudi?!", wollte Genannter wissen.

„Ja, Molotobrudi! Also hob, wir bilden zwei Zweierteams!", erklärte der Braunhaarige motiviert.

Toll, dass das einfach ohne mich entschieden wurde!

Darryl sah mich entschuldigend an, dabei konnte er ja nichts dafür. Mein Problem war eher, dass ich keine Ahnung hatte, was ich tun musste. Während Molotov und David sich fertig machten, gab Darryl mir eine Kurzeinweisung.

Es war eine Art Aufwärmspiel. Beim richtigen Training sollte ich zum Glück nicht mit machen. Da Jessie nicht da war, ging es auch perfekt auf. Ich fand das Spiel zwar ziemlich sinnlos und fragte mich, wozu einem das helfen sollte, aber gut. Darryl hatte es früher als Kind oft mit seinen Ziehgeschwistern und Malcom gespielt. Er hatte es ihnen auch beigebracht.

Das Zeil war relativ einfach. Ein Team hatte gewonnen, wenn einer der Mitglieder wieder im Sandring stand. Das Gegnerteam durfte dabei den Standpunkt des anderen Teams aussuchen. Das Spielfeld war hierbei der ganze Wald.

Man konnte entweder versuchen so schnell wie möglich zurückzurennen, wenn der Start kam oder man konnte das Gegnerteam behindern. Erlaubt war hierbei fast alles, auch Waffen! Nur hatte ich davon doch keine Ahnung! Zwei gegen Zwei erschien fair. Aber nicht, wenn einer das noch nie gespielt hatte und die anderen schon jahrelang.

Als wir unseren Standpunkt hatten waren wir nun allein. Nur Darryl und ich. Die Tatsache, dass er und unsere beiden Feinde bewaffnet waren, beunruhigte mich sehr. Vor allem, da ich keine Waffe hatte.

„Keine Sorge, das wird schon. Außerdem bin ich bei dir", versuchte Darryl mich zu beruhigen und als ich ihm in die Augen sah wurde ich tatsächlich ruhiger. Bei ihm fühlte ich mich sicher.

Als der Countdown runter gezählt wurde, stellte sich der Schwarzhaarige neben mich und unsere Arme berührten sich. Ein leichtes Kribbeln entstand dort und wohlig seufzte ich auf. Ich hatte ihn schon nach so kurzer Zeit vermisst und nun war er wieder bei mir. Hatte ich vielleicht doch wieder Gefühle für ihn? Oder war unsere Verbindung nie weg gewesen?

„Du rennst einfach so schnell zurück wie du kannst und ich kümmere mich um die beiden Chaoten", erklärte er mir und ich zweifelte seine Worte nicht eine Sekunde lang an.

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und drehte ihn leicht, um ihn ansehen zu können. „Gut, ich vertrau dir."

Darryl schien dieser Satz unendlich glücklich zu machen, denn seine kalte Maske von vorhin war wie weggeblasen und er lächelte über beide Ohren. In seinen Augen war wieder dieser freudige, ehrliche Glanz.

Doch unser Blickkontakt wurde unterbrochen als das Signal zum Start kam. Kurz zuckte ich zusammen, erinnerte mich jedoch an meine Aufgabe und rannte los. Darryl direkt hinter mir. Zum Glück erinnerte ich mich an den Weg. Zusammen mit ihm stolperte ich durch das Gestrüpp und als der Wald größer wurde konnte ich besser rennen. Hier war weniger Unterholz und es gab keine tiefhängenden Äste.

Für einen Augenblick drehte ich mich nach hinten, da ich Darryls Schritte nicht mehr hörte. Er war weg, nicht mehr hinter mir. Doch ich rannte weiter, er würde schon wissen was er tat.

Ich konnte schon die Lichtung sehen, als hinter mir ein Schrei die Luft durchschnitt. Erschrocken blieb ich stehen. Dann noch einer. Doch es waren keine Schmerzensschreie. Jemand hatte sich wohl erschrocken, wie ich und jetzt lachte jemand lauthals. David.

„Darryl, du Arsch!", schrie er durch den Wald und ich schmunzelte. Darryl hatte ihn wohl erwischt, wie er mir versprochen hatte.

Also rannte ich weiter, der Sieg war uns so gut wie sicher. Ich wollte unbedingt gewinnen. Klar, es war nur ein albernes Spiel, aber ich wollte Darryl nicht enttäuschen.

Es war nicht mehr weit, gleich war ich da. Doch zu früh gefreut. Denn David hatte ja noch einen Partner. Molotov hatte wohl denselben Plan wie ich und holte erstaunlich schnell auf. Mir war klar, dass ich keine Chance gegen ihn hatte. Er war viel sportlicher als, spielte dieses Spiel schon seit Kindheit und war ein Junge.

Ich sah ihn schon vor mir, wie er mich überholte.

Aber auch ich hatte einen Partner. Und genau der war Molotov gefolgt und hielt ihn nun von hinten fest. So konnte ich entspannt ins Ziel laufen, während hinter mir die Flüche des Orangehaarigen hallten.

Bei der Lichtung angekommen drehte ich mich um und sah belustigt dabei zu, wie Molotov verzweifelt versuchte sich zu befreien. Darryl wusste, dass wir gewonnen hatten, doch er machte sich einen Spaß draus ihn zu ärgern.

Aus Rache wegen der Niederlage stürzte sich auch ein lachender David auf Darryls Rücken. Dieser fiel auf den Waldboden und am Ende waren sie nur ein lachendes Knäul, das sich nicht mehr einkriegte.

Bei dem Anblick musste ich auch lachen und eben dieses Geräusch ließ Darryl aufhorchen. Sofort drehte er seinen Kopf in meine Richtung. Anschließend kam er schnell zu mir und ich hatte schon Angst, dass er mich umrannte. Er aber zog mich in eine Umarmung, wobei er mich vom Boden hob und fast erdrückte.

His Green EyesWhere stories live. Discover now