VII

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Als sie außer Sichtweite waren, drehte Darryl sich zu mir um und unweigerlich zuckte ich zusammen, den Blick noch immer auf das Messer gerichtet. Er sah mich kurz fragend an, bis er begriff, warum ich solch eine Angst hatte. Also wischte er kurz das Blut ab und steckte es sich dann in die Hosentasche. Der wollte das behalten?!

„Normalerweise sagt man jetzt danke", meinte er, während er mich genauestens beobachtete.

Verwirrt hob ich meinen Blick von dem Messer und sah in seine grünen Augen. Die Aggressivität war komplett weg und er wirkte total entspannt. 

„Oh ähm, danke." Kurz atmete ich durch und versuchte mich zu entspannen. „Woher wusstest du überhaupt, dass Ben...", fragte ich ihn und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen.

Seine rechte Hand verschwand kurz in seiner Jackentasche und holte mein Handy heraus. „Ich habe es auf dem Flur gefunden und Bens Stimme gehört", erklärte er mir und hielt mir mein Handy hin.

„Danke", sagte ich nochmal und nahm mein Handy. Dabei streiften sich kurz unsere Hände und ein Kribbeln fuhr durch meine Hand. Als hätte ich in die Steckdose gegriffen. Schnell senkte ich den Blick, wobei mir ein paar Haarsträhnen ins Gesicht fielen.

„Kein Ding", entgegnete er gelassen. „Und nochmal sorry wegen letzter Nacht. Wollte eigentlich nur schnell rein und sie mir wiederholen, konnte ja nicht wissen, dass du noch wach bist", fügte er hinzu.

„Du hättest auch einfach warten können. Ich hätte sie dir schon wieder gegeben", versicherte ich ihm und war etwas schockiert, weil es für ihn anscheinend normal war, nachts in fremde Häuser einzubrechen.  

Er schüttelte kaum merklich den Kopf. „Das bezweifele ich auch nicht, aber ich wollte sie eben so schnell wie möglich wieder haben. Außerdem war ich gerade in der Nähe."

„In der Nähe? Woher wusstest du überhaupt wo ich wohne, und was machst du mitten in der Nacht, so abseits der Stadt?" Ich machte einen Schritt nach hinten und spürte wieder die kalte Wand an meinem Rücken.

Kurz blitzte Traurigkeit in seinen Augen auf, doch vielleicht hatte ich es mir auch nur eingebildet. „Glaub mir Laila, ich weiß mehr über dich, als du denkst." Unmerklich weiteten sich meine Augen. Er seufzte. „Denk an deine Träume, ich bin nicht dein Feind." Seine Stimme klang so liebevoll und dennoch verzweifelt und traurig.

Sprachlos sah ich ihn an. Nicht mein Feind? „Woher weißt du von meinen Träumen?", fragte ich entgeistert und meine Stimme überschlug sich fast.

„Es gibt Dinge, für die man erst bereit sein muss, ehe man sie wissen darf", sagte er nur. „Wir sehen uns." Dann ging er einfach. Gefolgt von seinem Schatten, verschwand er hinter der Ecke und ich rutschte an der Wand hinter mir hinunter. 

Das war irgendwie zu viel auf einmal. Woher wusste er das alles? Und konnte er mal aufhören, in Rätseln zu sprechen?!

Kurz legte ich meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen wie vorhin. Meine Hände umklammerten mein Handy und zittrig atmete ich aus. Ich brauchte jetzt unbedingt jemanden, mit dem ich darüber sprechen konnte. Sara. Schnell wählte ich in den Kontakten ihre Nummer aus. Es klingelte lange, doch sie nahm nicht ab. Was sollte ich jetzt machen? Gab es denn sonst keinen mit dem ich reden konnte?

Naja, da gab es schon jemanden, aber David eignete sich nicht sonderlich dafür. 

Kurz seufzte ich, ehe ich aufstand. Ich wollte einfach nur nach Hause. Nachdem was heute passiert war, wollte ich nicht zurück in den Unterricht. Also schlich ich leise durchs Schulgebäude, in der Hoffnung niemanden zu begegnen. Darryl war mit Sicherheit auch nach Hause gegangen.

Doch als ich draußen war, konnte ich ihn nirgends sehen. Wenn er raus gegangen war, musste er doch irgendwo hier sein. Er konnte doch unmöglich schon so weit gekommen sein. Ich lief die Hauptstraße entlang und sah mir ein wenig die Gegend an. Der Bus kam erst später, also musste ich laufen. Was wohl sehr lange dauern könnte, da ich sehr abseits wohnte.

Zwei Stunde später war ich Zuhause. Meine Beine schmerzten und ich wollte nur noch auf die Couch. Froh öffnete ich die Haustür, als mein Handy klingelte. Auf dem Display erschien Saras Name und meine Mundwinkel zuckten nach oben.

Ich ging ins Wohnzimmer und nahm den Anruf entgegen. „Hey Sara!"

„Hey, hast du nicht noch Unterricht?", fragte sie gut gelaunt.

Ich ließ mich nach hinten fallen und umklammerte mein Kissen. „Ja, aber ich bin schon eher nach Hause gegangen."

„Was? Wieso? Ging es dir nicht gut oder ist irgendwas passiert?", wollte sie sogleich besorgt wissen und in dem Moment war ich mal wieder froh, sie zu haben.

Mein Blick ging hoch zur Decke. „Naja, Ben ist passiert." Kurz stoppte ich. „Er hat mich verfolgt und gegen die Wand gedrückt. Dann hat er mich geküsst und als ich ihm auf die Lippe gebissen hab... wollte er mich schlagen."

„Was?! Diesen Arsch knöpf ich mir vor! Ist alles okay mit dir?", erklang ihre schrille, aufgebrachte Stimme.

Ich hielt den Hörer etwas weg. „Ja, mir geht es gut. Darryl hat mir geholfen", fügte ich noch leise hinzu.

„Wie?" Sara senkte ihre Stimme und ich konnte förmlich sehen, wie sie nachdachte.

Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Keine Ahnung, er war plötzlich da und hat sich mit Ben angelegt. Aber..." Ich sprach nicht weiter, sondern musste wieder an seine Worte denken. Es gibt Dinge, für die man erst bereit sein muss, ehe man sie wissen darf.

„Was aber?", hackte sie nach.

„Ich weiß selber nicht, er hat auf einmal so in Rätseln gesprochen und wusste, von meinen Träumen und die Kette hat er sich auch letzte Nacht wiedergeholt. Er meinte David hatte sie gesehen, aber irgendwie glaub ich ihm nicht. Da stimmt doch irgendetwas vorne und hinten nicht", erzählte ich ihr.

Kurz wurde es still am anderen Ende. „Ja, das klingt komisch. Aber wir werden schon noch herausfinden, was das alles zu bedeuten hat, verlass dich darauf."

„Ja, hoffen wir's", antwortete ich geschlagen.

„Komm schon, Kopf hoch! Morgen bin ich wieder da und dann schauen wir mal. Bis morgen!", verabschiedete sie sich.

„Ja, bis morgen!" Als ich auflegte wurde mir leicht ums Herz. Ich war so froh sie zu haben. Hoffentlich konnte ich mit ihrer Hilfe die ganzen Fragen in meinem Kopf beantworten.

His Green EyesWhere stories live. Discover now