XIX

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Mittlerweile waren wir wieder bei ihm Zuhause. Jessie hatte alles andere als freundlich reagiert als sie mich gesehen hatte und warf Darryl böse Blicke zu. David hingegen freute sich ehrlich und hatte mich zu dem großen Holzhaus geführt, worüber ich sehr froh war. Darryl hingegen war noch draußen geblieben, um ein paar Sachen zu klären und Molotov war nicht da.

„Was ist eigentlich passiert?", wollte David einfühlsam wissen und ich fühlte mich unter seinen sanften Blick etwas sicherer.

„Nichts, es ist nur... Ach keine Ahnung! In letzter Zeit passieren so viele merkwürdige Dinge und meinen Vater erkenne ich überhaupt nicht wieder!", erklärte ich ihm verzweifelt.

Statt weiter drauf einzugehen, nickte er nur und legte mir schützend einen Arm um die Schultern. „Du wirst sehen, es wird sich alles mit der Zeit aufklären. Was deinen Vater betrifft, wirst du dich wohl bald entscheiden müssen. Auch wenn ich dir das Alles gern erspart hätte."

Fragend sah ich ihn an und hatte schon meinen Mund geöffnet, um nachzufragen, doch er zog mich einfach mit sich. Wie auch einen Tag zuvor ging es die Treppe hinauf und anschließend standen wir wieder vor Darryls Zimmer.

„Du kannst dich schon mal hinlegen, er wird bestimmt gleich hochkommen und nochmal mit dir reden", sagte er noch und deutete auf Darryls Zimmertür. Er stand davor, so als hätte er nicht die Erlaubnis einzutreten.

Wieder nickte ich nur und ging anschließend ins Zimmer. Das dunkle Bett und der Geruch kamen mir noch bekannt vor und augenblicklich fühlte ich mich Zuhause. Da ich ja bettfertig war als ich aufgebrochen war legte ich mich einfach auf die eine Seite des Bettes und schloss müde die Augen.

Beinahe zehn Minuten später hörte ich das Knarzen der sich öffnenden Tür. Mit halb geöffneten Augen sah ich auf und sah Darryl, der die Tür geschlossen hatte und sich nun wieder mir zuwandte.

„Du bist noch wach", stellte er verwundert fest.

„Hm", brachte ich nur heraus.

Für einen Moment war es still zwischen uns. „Du kannst ruhig schlafen, hier passiert dir nichts. Ich bin gleich ein Zimmer weiter bei David, falls etwas sein sollte", meinte er.

„Nein, bleib hier!" Als er mich verwundert ansah, fügte ich noch hinzu. „Also naja, es ist dein Bett und es ist immerhin genug Platz für zwei, also...", stammelte ich müde und richtete mich auf, um ihn besser sehen zu können.

Die Situation wurde immer unangenehmer, je länger er nichts sagte.

Schließlich atmete er geschlagen aus. „Na schön, aber es ist dann deine Schuld, wenn Jessie mir den Kopf abreist", brummte er und zog sich sein Shirt über den Kopf, um sich dann neben mich mit etwas Abstand zu legen.

„Wieso sollte sie?", fragte ich verwirrt nach und die Angst, sie könnte seine Freundin sein, kam zurück. Doch eigentlich konnte es mir egal sein. Schließlich war nichts zwischen uns.

Der Schwarzhaarige drehte sich auf den Rücken und zog sich die Bettdecke höchstens bis zum Bauch. „Naja, sie will nicht, dass ich dich wieder mit in etwas hineinziehe. So wie das letzte Mal." Das Letzte flüsterte er nur und fast hätte ich es nicht verstanden.

„Wie meinst du das?" Langsam hatte ich es echt satt, dass Alle in Rätseln sprachen und keiner mir etwas erklären wollte.

Statt mir zu antworten drehte er mir den Rücken zu. „Gute Nacht."

Na toll, vielen Dank auch. „Ja, gute Nacht", erwiderte ich etwas beleidigt und drehte mich ebenfalls rum.

Anders als letzte Nacht brauchte ich ewig, um einzuschlafen, obwohl es schon sehr spät war. Der ruhige Atem von Darryl bewies, dass er schon schlief, während ich mich hin und her wälzte. Nach einer quälend langen Stunde schlief ich endlich ein und befand mich dann in meiner Traumwelt wieder.

Anders als sonst war ich nicht in einem dunklen, mysteriösen Wald und wurde verfolgt oder war stiller Beobachter eines Mordes. Nein, jetzt stand ich auf einem großen Anwesen vor einem hellen Haus. Meinem Haus.

Davor standen zwei Personen, die ich als meinen Vater und einem jüngeren Darryl identifizierte. Ich trat etwas näher, um sie verstehen zu können.

„Du scheiß Mistkerl verschwindest jetzt auf der Stelle! Und wehe du-", schrie mein Vater mit hochrotem Kopf, während Darryl ihn mit schneidender Stimme unterbrach.

Seine Augen glitzerten gefährlich und ich konnte die Anspannung nicht nur sehen, sondern auch ganz deutlich spüren. „Nen Scheiß werd ich! Sie können sie nicht einfach so da einsperren! Denken sie ernsthaft es könnte je wieder normal zwischen ihnen sein?! Laila hasst sie doch jetzt schon wie die Pest!"

„Du hast doch keine Ahnung! Laila mag mich vielleicht hassen. Aber bald nicht mehr. Ich müsste dafür nur die ganzen Vorkommnisse aus der Welt schaffen", meinte mein Vater überraschend ruhig.

„Was geht hier denn ab?!", wollte ich aufgebracht wissen, doch beide ignorierten mich. Es war als könnten sie mich nicht sehen und auch als ich mich zwischen sie stellte reagierte keiner von ihnen. Ich war also nicht wirklich hier.

„Ach ja, wie wollen sie das anstellen? Einfach alles ungeschehen machen?! Das wird nicht funktionieren, jeder weiß nun, dass sie das waren!" Auch wenn Darryl selbstsicher dastand, so konnte ich die Angst in seinen Augen sehen. Aber Angst wovor?

Gleichgültig zuckte mein Vater mit den Schultern und sein Grinsen jagte mir einen Schauer über den Rücken. „Ja, aber sie nicht."

„Was?", kam es erstickt von Darryl.

Doch ich konnte die Antwort meines Vaters nicht hören, denn plötzlich verschwamm alles und wenige Sekunden später war ich an einem anderen Ort.

Dieses Mal wusste ich nicht, wo ich gelandet war. Es sah aus wie ein Trainingsplatz. Mitten im Wald. Auf der kleinen Lichtung war jede Menge Sand verteilt und kleine Holzbänke und Barrieren standen am Rand.

„Und wie geht es jetzt weiter?", hörte ich plötzlich eine mir bekannte Stimme. David. Schnell drehte ich mich um und sah den Braunhaarigen vor einer der Bänke stehen. Er trug wieder Trainingsklamotten und war total durchgeschwitzt. Zudem sah er wie Darryl viel jünger aus.

Der Teenager, der vor David auf der Bank saß, hatte den Kopf gesenkt und zuckte hilflos mit den Schultern. Er sah einfach nur elendig aus und bestimmt nicht nur wegen des Trainings.

„Aber, sie wird doch wieder kommen, oder?", hakte David nach. Wieder nur ein Schulterzucken. Ein trauriger Schatten kam über Davids Gesicht und er machte einen Schritt zurück. „Soll das heißen, es ist vorbei? War das Alles umsonst? Ist Malcom einfach so gestorben?"

Der Schwarzhaarige auf der Bank hob den Kopf und ich konnte Darryls ausdruckslose Augen sehen. Ihr Grün hatte an Intensität verloren und er wirkte gebrochen.

„David... ich kann auch nicht glauben, dass es vorbei ist. Aber was soll ich machen?", wollte er verzweifelt mit kraftloser Stimme wissen.

„Was du machen sollst?! Du holst sie da gefälligst raus! Ich helfe dir auch dabei. Wir Alle! Egal wie lange es dauert, irgendwann kommt der Moment, wo er einen Fehler macht und dann holen wir Laila da raus und du kannst mit ihr zusammen sein!", motivierte er seinen Adoptivbruder.

Wovon sprachen die denn bitte alle?! Ich trat näher heran, wusste aber, dass sie mich weder sehen noch hören konnten. Und seit wann waren ich und Darryl zusammen?!

„Du stellst dir das ziemlich einfach vor!", appellierte Darryl.

Doch das ließ David kalt. „Vielleicht, aber wir dürfen jetzt nicht aufgeben. Nicht jetzt!"

Und wie vorhin entfernte sich plötzlich alles. Die Stimmen verstummten, alles drehte sich und wenig später wachte ich schweißgebadet in Darryls Bett auf.

Ich hatte keine Ahnung was diese Nacht passiert war, aber ich wusste, das waren keine Träume. Es waren Erinnerungen. Geschehnisse aus der Vergangenheit, die ich nicht ignorieren durfte, beziehungsweise konnte. Was auch immer das alles zu bedeuten hatte, irgendetwas lief hier komplett falsch und Darryl schuldete mir jede Menge Antworten. Er konnte sich einfach nicht länger drücken.

His Green EyesWhere stories live. Discover now