XXVIII

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Geschockt sah ich Sara hinterher, die wieder zum Klassenraum lief. Das konnte nicht stimmen. Es durfte einfach nicht stimmen! Darryl war doch kein Mörder! Vielleicht etwas brutal mit einer gewissen Neigung zu Gewalt, aber er würde doch niemanden um die Ecke bringen.

Oder doch? 

Ich wusste nicht mehr was ich glauben sollte. Darryl würde ich nicht als kaltblütigen Mörder einschätzen, jedoch hatten mir die letzten Ereignisse gezeigt, dass ich allem etwas misstrauischer gegenübertreten musste. In meinen Gedanken lief ich den Flur entlang und wich entgegenkommenden Schülern aus. So lang, bis ich gegen eine starke Brust lief. 

„Ah, hier bist du! Hab dich schon gesucht."

Ich legte meinen Kopf in den Nacken und sah zu Darryl hoch, der mich breit anlächelte. Seine Augen strahlten richtig und als ich mich von ihm entfernen wollte, schlang er seine Arme um mich. So anhänglich wirkte er irgendwie unschuldig. Gar nicht so, als könnte er jemanden umbringen. 

Beschämt wegen meiner Gedanken sah ich wieder nach unten und lehnte meinen Kopf gegen seine Brust.

Eine Weile standen wir einfach so da, ehe er sich von mir löste und seine Hände auf meine Schultern legte. „Alles okay?" Ich gab ihm keine Antwort, stattdessen kaute ich auf meiner Unterlippe und spielte mit meinen Fingern. Da ich ihn nicht ansah, nahm er mein Kinn in seine Hand und brachte mich sanft dazu meinen Blick zu heben. „Laila, ist alles in Ordnung?"

„Ja, alles ist gut", meinte ich leicht abwesend und nickte zur Bestätigung. 

Natürlich glaubte er mir nicht, das bewies sein zweifelnder Blick. Er wirkte sogar enttäuscht, weil ich ihm nicht die Wahrheit sagte. „Gut, wie du meinst. Aber denk daran, du kannst mit mir über alles reden. Ich will nur, dass es dir gut geht", dabei sah er mir tief in die Augen, um seine Worte zu unterstreichen.

Wieder ein Nicken meinerseits. Dann klingelte es und die Pause war vorbei.

Ich setzte mich also auf meinen Platz neben David und dachte über mein Gespräch mit Sara nach. Auf der einen Seite half sie ihnen und auf der anderen sprach sie so schlecht über sie. Zumindest über Darryl. Das machte doch keinen Sinn!

Den ganzen Unterricht zerbrach ich mir den Kopf darüber, wie ich das Thema indirekt anschneiden könnte, ohne Darryl dabei zu verletzen. Doch auch als die Schule endlich vorbei war hatte ich keine Idee.

„Tschüss, Laila", meinte Sara nur. Ihr Blick war unerwartet kühl und sie wirkte distanziert. Bevor sie ging, beugte sie sich noch einmal zu mir. „Und vergiss nicht was ich dir gesagt habe."

Damit war sie auch schon verschwunden, obwohl wir normalerweise einen ähnlichen Weg hatten.

„Willst du deine Sachen jetzt schon holen oder erst später?", fragte Darryl, der zusammen mit David angelaufen kam.

„Lieber jetzt, mein Vater müsste noch auf der Arbeit sein", entgegnete ich und so machten wir uns auf den Weg zu meinem Zuhause. Auch wenn ich noch minderjährig war, so wollte ich garantiert nicht mehr bei meinem Vater wohnen.

Zusammen saßen wir in einem dieser Viersitzer im Bus. Ich neben Darryl, der besitzergreifend einen Arm um mich gelegt hatte und David uns gegenüber, der wissend grinste. Ein paar Leute sahen immer wieder unauffällig zu uns rüber, da sie mich noch nie in deren Begleitung gesehen hatten. Sollten sie nur schauen, mich interessierte es recht herzlich wenig.

„Ist hier noch Platz?", fragte plötzlich jemand der gerade eingestiegen war, weil der Bus gehalten hatte. Ich sah nicht auf, immerhin war das nichts Sonderbares.

„Ähm, ja klar", sagte David und rutschte zur Fensterseite.

„Nein, hier ist kein Platz!", knurrte Darryl mit zusammengebissenen Zähnen. Verwundert sah ich auf. Die meiste Zeit war der Schwarzhaarige handzahm, aber auch Darryl fletschte nicht bei jeder fremden Begegnung die Zähne.

„Hä?", kam es verständnislos von seinem Bruder zurück. Jetzt sah ich auch auf und mir stockte der Atem als ich die Person erkannte. Ben! Den hatte ich ja vollkommen vergessen. 

Augenblicklich wurde ich etwas kleiner in meinem Sitz und drückte mich Darryl entgegen. Auch Ben hatte uns jetzt erkannt und sah uns schockiert an, grinste dann aber. Ich konnte förmlich spüren wie gern Darryl jetzt auf ihn losgegangen wäre, da er ihn offensichtlich provozierte.

Doch es gab noch weitere Fahrgäste, die durch den Gang wollten und somit schubste ein weiterer Junge Ben einfach beiseite. Direkt auf unseren freien Platz. Da dieser damit nicht gerechnet hatte, fiel er halb auf David drauf, entlastete dabei leise fluchend seine noch immer verletzte Hand.

Der Blauäugige fiepte erschrocken auf und gab dem vermeidlichen Angreifer eine heftige Ohrfeige. „Alter, fass mich nicht an!", fauchte er Ben an und beide sahen sich geschockt an. Ben, der sich die Wange hielt und David, der sich so weit wie möglich von ihm fernhielt.

In meinen Augen ein lustiges Bild und ich musste leicht schmunzeln. Die Angst vor Ben war vergessen.

Aber so lustig wie es auch war, Ben konnte nicht hierbleiben. Das sah Darryl genauso, denn er packte Ben grob am Arm und zerrte ihn zu einem Zweisitzer, wo ein kleines Mädchen saß. Die kleine sah Darryl und Ben mit großen Augen an, ehe sie sich wieder ihrem Handy widmete.

Als Darryl zurückkam und sich wieder neben uns setzte behielt er aber Ben weiterhin im Auge. Dieser drückte sich in seinen Sitz und traute sich nicht diesen zu verlassen.

David hingegen hatte sich wieder beruhigt und saß wieder aufrecht. „Perversling", murmelte er dabei zu sich selbst und schnaubte verachtend.

Eigentlich hätte ich ja gelacht, aber er hatte je keine Ahnung, wie recht er damit hatte.

Die restliche Busfahrt verlief gut und ohne weitere Zwischenfälle, was ich sehr begrüßte. Als wir dann ausstiegen, liefen wir noch den Rest und standen am Ende vor dem großen Gebäude und dem riesigen Garten.

„Man, irgendwie hatte ich das kleiner in Erinnerung", kam es von David, der sich mit großen Augen neugierig umsah.

Zum Glück hatte ich vor wenigen Tagen den Schlüssel mitgenommen und somit war es kein Problem die Haustür aufzusperren. Drinnen sah sich jetzt auch Darryl um. Nur nicht aus Neugier, sondern um abzuchecken, ob jemand hier war.

Auch wenn es nicht lange her war, so hatte ich das Haus irgendwie vermisst. Selbst wenn ich hier negative Erfahrungen gemacht hatte. 

Schnellen Schrittes ging ich in mein Zimmer, um meine Sachen zu packen. Darryl folgte mir natürlich. Mit seiner Hilfe hatte ich in kurzer Zeit alles Wichtige eingepackt und er nahm mir die große Tasche ab. Allerdings wollte ich weiterhin seine Klamotten tragen, auch wenn ich jetzt meine eigene Kleidung hatte.

Unten angekommen sahen wir David, der mit dem Rücken zu uns stand und ein dunkles Buch in den Händen hielt. „Was zum Geier ist das?"

His Green EyesDonde viven las historias. Descúbrelo ahora