►66

249 8 4
                                    

Julian Pov.

Schon lange war es her, seitdem ich von meinem ersten Kunden zum nächsten gegangen war. Tatsächlich hatte ich den Überblick verloren: Der wie vielte Kunde war dies nun? Ich seufzte. Auch egal. Was zählte, war, dass ich etwas verdiente. Der Gedanke, bald wieder mehr als nur eine Tanzleistung erbringen zu müssen, sorgte für eine gewisse Übelkeit, die einfach nicht verschwinden wollte. Ich hatte Angst und das mehr als ich wollte oder es für angebracht hielt. Die Crush Bar war sicher und scherte sich nicht davor, unhöfliche, gar vulgäre Kunden mit einem Hausverbot herauszuschmeißen, vor allem, da es der Bar nicht an Kunden mangelte. Sam legte hohe Priorität auf das Wohlergehen seiner Arbeitskollegen, oder wie er es nannte: Familie, daran zweifelte ich nicht. Doch was, wenn er nichts mitbekam? Wenn er zu spät käme? Es schauderte mich bei diesen düsteren Gedanken und weckte in mir umso mehr das Verlangen nach Hause zu gehen und nie wieder zu kommen, dabei mochte ich diesen Arbeitsplatz eigentlich.

Wählerisch sollte ich in solchen Zeiten aber nie und nimmer sein. Ich musste Dad helfen, anderes konnte ich vor allem nach dem Drogenvorfall heute nicht mit meinem eigenen Gewissen vereinbaren. Und doch war ich mir sicher, sexuelle Interaktionen mit fremden Männern nicht ohne das Privileg als Zugedröhnter überstehen zu können. Ob mir Nelton doch noch etwas geben würde? Dad hatte mir mittags alles abgenommen, auch die Gratis-Probe Speed, die ich jetzt wahrscheinlich wirklich gebrauchen konnte.

Wenn ich mit einer Frau in ein Räumchen ging? Das hatte zuerst auch geklappt. Ja, so würde ich es tun, drumherum kam ich nämlich eh nicht. So lief ich also geradewegs auf eine meiner vorherigen Kunden zu, die mich seither einige Male aus den Augenwinkeln gemustert hatte und sichtlich interessiert wirkte. Sie saß alleine auf einem der Hocker an der Bar und nippte an ihrem halbausgetrunkenen Cocktail, während sie versuchte, mich unauffällig zu mustern. Doch als ich tatsächlich vor ihr stehen blieb und auf den Tresen klopfte, hob sie überrascht ihren Kopf und schaute mich an. Provokant beugte ich mich etwas vor, zum einen, um auf Augenhöhe mit ihr zu sein und zum anderen, um ihr mein scheinheiliges Interesse zu verdeutlichen. Sanft nickte ich Richtung Räumchen und lächelte verschmitzt. Die jüngere Frau schien verwundert, gar etwas überfordert, ehe sie ihr restliches Getränk in einem Zug leerte.

"Weißt du was, wieso nicht", behauptete sie schulterzuckend, bevor sie sich vom Hocker erhob und bereit schien, zu den Räumen zu laufen.

"Merkt er schon, was er von hat..", murmelte die Frau auf dem Weg bloß, woraufhin sie von mir einen verwirrten Blick erntete. Wer merkt was?

Plötzlich wurde ich am Arm gepackt und zurück zum Tresen gedreht.

"Sag mal, was wird das?", zischte der Junge in mein Ohr und schien da so seine Vorahnungen zu haben. Nicht wissend, was ich sagen sollte, biss ich mir zunächst auf die Lippe.

"Die Idee..", nuschelte ich bloß leise und wich seinem Blick aus. Ich hatte vollkommen vergessen, dass er noch hier war.

Nelton erwiderte lange nichts auf die Aussage, weshalb ich mich wieder zu meiner Kundin wandt, die geduldig wartete. Als er jedoch plötzlich aufsprang und mich an beiden meiner Arme packte und zurück zu sich drehte, bemerkte ich, dass er bloß nicht geantwortet hatte, weil er sich seine Worte zurechtlegen wollte.

"Lass das. Ich geh mit dir. Lass das also bitte..", flehte der Ältere förmlich. Überfordert schauten meine Iriden in die seinen und versuchten seinen Blick zu deuten, woran sie kläglich scheiterten.

Das Einzige, was mir über die Lippen lief, war ein simples "Warum?", auf das Nelton wohl keine Antwort zu wissen schien.

"Bitte, mach es einfach nicht, zwing dich zu nichts, was du nicht tun möchtest", forderte er fürsorglich und lockerte seinen Griff um meine Arme. Traurig sah er in meine Augen, ließ mir keine Chance ihm zu widersprechen. Ich wollte nicht noch eine Person enttäuschen heute. Es reichte mir eindeutig, was auch der Grund war, wieso ich mich bei meiner Kundin entschuldigte und sagte, dass man dies auf ein ander Mal verschieben musste – was ich natürlich nur leise hinterhergemurmelt hatte –, Nelton durch die Haare strubbelte und das zweite Mal am Abend seufzte.

Romeo und.. - Julian?!Where stories live. Discover now