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Ben Pov.

Leise grummelnd machte ich mich mit gesenktem Blick auf den Weg zu meiner Wohnung. Das Auto hatte ich bereits in einer der Nebenstraßen geparkt, da in meiner tatsächlich kein Parkplatz mehr frei gewesen war.

Doofe Stoßzeiten aber auch. Jetzt hat natürlich jeder Feierabend.

Während meines zugegebenermaßen nicht ganz so kurzen Spaziergangs von Auto zu Wohnungstür vibrierte mein Handy mehrfach. Das Augenpaar bereits richtung Boden gesenkt, erleichterte mir die Ermittlung des Störenfrieds. Mein Handy hatte ich kurzerhand aus der tiefen Hosentasche gezerrt und den Bildschirm angestellt.

Luisa (don't call):

???

4:39pm

Luisa (don't call):

wieso?

4:39pm

Luisa (don't call):

bin bis heute Abend sowieso bei ner Freundin. Wieso soll ich nicht heimkommen? Was ist mit meinem Bruder??

4:40pm

LouLouLou:

Bro, deine Schwester meinte, ihr gehts super. Was für "sie hat Fieber muss mich um sie kümmern"?

4:40pm

Gereizt seufzte ich und rieb mir mit Zeigefinger und Daumen das Nasebein.

Als ich vor etwas mehr als einer Stunde in Julians Zimmer gewartet und wahrgenommen hatte, dass da wohl etwas eskaliert und ich absolut nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, ja, da hatte ich seiner Schwester sofort geschrieben, dass sie wohl besser erstmal nicht heimkommen sollte. Nachträglich, als ich dann tatsächlich Julian in die Augen geblickt und realisiert hatte, wie sehr ihn die Lage mitnahm, da hatte ich angefügt, sie solle sich aber – sobald sie daheim ankam – um den Jungen sorgen und ihn irgendwie aufheitern. Natürlich hatte sie das verwirrt und auch beunruhigt, vor allem da solche Nachrichten gerade von mir, ihrem Missetäter, kamen.

Selbstverständlich hatte ich nicht darüber nachgedacht, dass ich mich letztlich auch mit ihren Antworten rumschlagen müsste. Konnte sie es nicht einfach akzeptieren und geduldig warten, bis sie daheim ankam? Ironisch lachte ich auf. Wer könnte das jetzt schon in ihrer Lage.

Dennoch wollte ich ihr die Informationen nicht vorwegnehmen, vor allem da sie mich nichts angingen. Dass Julians Mutter wieder Insasse des Hauses Adams war und dass sie ihnen bei den Schulden helfen würde, das hatte ich mitbekommen. Zugegebenermaßen befürwortete ich es. Wer würde sich denn nicht um eine Mutter freuen, die sich ihre Fehler eingesteht und tatsächliche Nähe zu ihrem Sohn sucht? Eine Mutter, die nicht zu sehr von ihren eigenen Idealen überzeugt ist?

Laut hörbar atmete ich aus, als ich vorm Fahrstuhl zum Stehen kam und den Knopf betätigte, der mir dessen Türen öffnen würde. Aber wer war ich schon, meine Ansichten diesbezüglich auf Adams zu schieben? Ich hatte gesehen – nein, ich hatte gespürt wie sehr er doch am Boden nach dem Auftauchen seiner Mum gewesen war. Es war, als wäre sein ganzes Lebensfundament von neunzehn Jahren langen mühsamen Zusammenbastelns ineinandergestürzt, als wüsste er nicht länger, wie er sich verhalten und was er tun sollte. Purer Zorn und pure Verzweiflung hatten sich in seinen Iriden zusammengefunden und fochteten gegeneinander an. All seine Unsicherheit im Bezug auf die Theaterszene war verweht, war in seiner Prioritätenliste weit nach unten gesackt.

Schwer trottete ich in den schmalen, aber doch gut beleuchteten und sauberen Fahrstuhl hinein und drückte die vier.

Nachricht Nummer vier.
Lou hatte auch herausgefunden, dass ich ihn am Wochenende doch etwas angeschwindelt haben musste. Ich wollte nicht wirklich damit prahlen, dass Adams Probleme hatte und ich ihm zu helfen versuchte. Ich dachte nicht, dass der Junge es für gut befunden hätte, würde ich mit anderen darüber sprechen. Ich wagte auch nicht zu bezweifeln, dass er seine winzigen inoffiziellen Momente mit mir nicht auch vor der Welt fernhielt.

Romeo und.. - Julian?!Where stories live. Discover now