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Julian Pov.

Müde öffnete ich langsam meine Augen, welche sich sofort wieder zukniffen. Zu hell. Nach einigen Minuten wagte ich einen zweiten Versuch, der mir glückte. Wo war ich?

Doch da erkannte ich die hellblauen Vorhänge, die mit Medikamenten befüllten Regale und die kleinen, instabilen Betten neben mir. Der brennende Geruch von Desinfektionsmittel in meiner Nase bestätigte mich schlussendlich in der Annahme, im Krankenzimmer der Schule zu liegen. Ich seufzte und setzte mich auf, woraufhin es knarzte und mich somit daran erinnerte, dass auch ich in einem der Betten lag, die dem Zusammenbruch nahe zu stehen schienen.

Richtig, Ben hat mich hier abgeliefert.

Doch nun lag ich alleine hier, von anderen Menschen keine Spur. Ich rieb mir über den Kopf und murrte unzufrieden. Was hatte ich mir auch erwartet? Hoffentlich hatte ich einfach nicht zu lange geschlafen.

Kurzerhand griff ich nach meinem Handy, welches auf dem winzigen Tischchen neben meinem Bett lag und fand dabei eine kleine Notiz auf diesem klebend.

"Hey, ich hoffe dir geht's besser. Der Arzt meinte, dass dein Magen wahrscheinlich nicht sehr gut auf die Tabletten zu sprechen war, vor allem da der obendrein leer war. Wir sehen uns heute Abend auf der Arbeit, bin mir nämlich ziemlich sicher, dass du dir die eh nicht entgehen lässt. - Ben"

Ich zerknüllte den Zettel und warf ihn in die nächstbeste Ecke.

"Er soll mal nicht so tun, als wären wir Freunde", zischte ich abfällig, ehe ich mich hinstellte, das Glas Wasser, welches auf dem Tischchen stand, leerte und nach meinem Rucksack griff, um zurück zum Unterricht zu gehen.

Beiläufig hatte ich auf die Uhr geschaut und bemerkt, dass mich die letzten Stunden des Schultages erwarten würden, nämlich Geschichte und Chemie, weshalb ich mich, wenn auch trottend, auf den Weg zum Klassenzimmer machte. Zögerlich öffnete ich die Tür zu meiner Klasse, da es mir schlichtweg unangenehm war, so mitten im Unterricht aufzukreuzen. Meine Lehrerin stoppte in ihrem Gerede und schaute zu mir. Verwirrt hob sie ihre Brauen und erwartete allen Anschein nach eine Entschuldigung von mir. Langsam hob ich meinen Blick zu Mrs. Thompson, die noch immer auf eine Antwort zu warten schien.

"Tut mir Leid, für die Verspätung. Mir ging's nicht gut, ich lag im Krankenzimmer", rechtfertigte ich mich und lief ohne auf eine weitere Reaktion zu warten auf meinen Tisch zu, an dem auch Rick saß. Wie in fast jedem Fach saß ich mit dem Jungen zusammen, und wenn es eben nicht er war, dann saß ich neben Jess, die mich momentan jedoch aus der hinteren Ecke des Klassenzimmers ziemlich argwöhnisch musterte. Aber auch dem schenkte ich keine weitere Beachtung, sondern viel mehr der vollbeschriebenen Tafel vor mir, die über Napoleon handelte. Ein französischer Revolutionär, der in Europa für Aufruhr sorgte. Ich seufzte. Wieso hatte ich mich nochmal für die europäische Geschichte eingetragen? Mit einem Kopfschütteln beantwortete ich mir meine eigene Frage. Keine Ahnung.

Rick hatte mich während des restlichen Unterrichts kein einziges Mal auf mein plötzliches Verschwinden, geschweigedenn auf die Aussage, dass es mir nicht gut ginge, angesprochen. Im Gegenteil, der Unterricht schien ihn überraschenderweise zu fesseln wie nichts anderes. Den Rick, der eigentlich die meiste Zeit in Geschichte am Handy vertrödelte. Was war denn nun los? Sollte ich ihn darauf ansprechen? Ich schluckte laut. War es nicht aber gut, dass er mich nicht auf mein Verschwinden ansprach? War es nicht gut, mich nicht rechtfertigen zu müssen? Und so beließ ich es dabei, ließ den weiteren Unterricht an mir vorbeiziehen und versuchte mich seit langem mal wieder auf diesen, anstatt auf meine Probleme, zu fokussieren. Bis es dann schließlich gongte und mich in die nicht so schöne Realität zurückholte.

Heute musste ich arbeiten.

Ungewöhnlich langsam machte ich mich auf den Weg nach Hause, drücken wollte ich mich vor der Konfrontation. Schämen tat ich mich zudem für meine Angst. Ich war verdammte 19 Jahre alt, wieso hatte ich also Schiss vor Sex? Ich verstand es nicht. Sonst konnte ich auch mit anderen One Night Stands haben und es machte mir nichts, vielmehr bereitete es mir sogar Spaß. Wieso also?

Romeo und.. - Julian?!Where stories live. Discover now