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Julian Pov.

Ausgelaugt saß ich am Steuer meines Wagens, der mich zur Schule führen würde. Kein verdammtes Auge hatte ich zugemacht, seitdem ich gestern heimgekommen war. Wie eine Memme hatte ich mich unter meiner Bettdecke verkrochen und zu einer kümmerlichen Kugel gekrümmt. Geweint hatte ich lange, bis ich einfach nichts mehr als Müdigkeit und Leere fühlte. Da lag ich nur noch im Bett und starrte die Decke an, mich fragend wieso ich überhaupt geweint hatte. Jimmy war im Endeffekt total schockiert von der Tatsache, dass er mir solche Angst gemacht hatte. Er hatte mir das Doppelte gezahlt und vermittelte nicht den Eindruck noch einmal in die Bar kommen zu wollen. Eingebildet hatte ich mir das gehässige Grinsen, welches für mich scheinbar auf seinem Gesicht gewesen war, aber dennoch: Ich war kaputt, war angeekelt und was am schlimmsten von all dem war, dass ich verdammten Schiss hatte. Ich hatte Schiss zu meinem Arbeitsplatz zu gehen und dort weitermachen zu müssen, wo es gestern geendet hatte.

Fester umgriff ich das Lenkrad des Autos und brachte es nur schwer zustande, meine Aufmerksamkeit der Straße allein zu widmen. Daher seufzte ich erleichtert, als ich mein Schulgebäude und den dazugehörigen Parkplatz erkennen konnte. Sobald ich eingeparkt und die Handbremse des Wagens gezogen hatte, rieb ich mir erschöpft über das Nasenbein.

Bald ist das alles vorbei.

Mein Blick hob sich zum Handschuhfach des Beifahrersitzes, welches ich kurzerhand öffnete, um ein kleines Döschen herausnehmen zu können. Meine letzte Ladung Ritalin.

Murrend warf ich sie mir in den Mund und spülte sie mit etwas Wasser hinunter. Eigentlich sollte man die nicht auf nüchternem Magen nehmen. Schlecht gelaunt griff ich nach meinem Rucksack, für den ich mich zu den Rücksitzen verdrehen musste und stieg aus dem Auto. Dessen Tür hatte ich vielleicht etwas zu laut zugeworfen, was ich anhand des lauten Knalls feststellen musste, doch nur ein Schulterzucken erwiderte ich darauf.

Meine Augen schauten das erste Mal heute tatsächlich etwas bewusst an, anstatt in die Leere zu starren und meinen Gedanken Gehör zu widmen. Ihr gefundenes Zielobjekt war mein bester Freund Rick, der alleine an der Wand der Raucherecke lehnte. Fast könnte man meinen, er wirkte bedrückter als ich, was mich zu Sorge verleitete. Schnell waren meine Probleme beiseite geschoben und machten stattdessen denen meines besten Freundes Platz, der sie mir hoffentlich beichten würde.

Noch einmal zog ich meinen Rucksack an meiner Schulter zurecht und machte mich auf den Weg zu Rick. Dort angekommen, bemerkte mich der Junge zunächst nicht einmal. Erst als ich ihn begrüßte und meine Hand für einen brüderlichen Handschlag hervorstreckte, reagierte er.

"Morgen", grummelte der Ältere und erwiderte zögerlich den Handschlag. Leise zischte er dabei auf und verzog sein Gesicht schmerzhaft. Irritiert runzelte ich die Stirn und zog meine Augenbrauen zusammen.

"Was ist los?", wollte ich ernst von ihm wissen. Mir war seine verwundete Hand sicherlich aufgefallen, doch war Rick nicht der Junge, der sich gerne prügelte. Ihm musste wohl jemand gewaltig ans Bein gepisst haben, sodass er seine Fassung verloren hatte.

Mein bester Freund wandte seinen Kopf von mir ab und schien das Schulgebäude wohl deutlich interessanter als mich zu finden. Doch welche Aussicht sich mir deshalb darbot, schockierte mich. Sofort packte ich ihn am Shirt und holte ihn an mich heran.

"Wer war das?!", forderte ich säuerlich. Rick war blau am Hals, an manchen Stellen sogar lila, Grind war zu erkennen und angeschwollen waren einige Stellen ebenfalls. Aber der Junge schwieg. Mein Wut stieg und stieg. Niemand tat meinem besten Freund ungeschoren weh!

"Antworte schon!", zischte ich harsch und zog ihn am Shirt näher an mich. Rick hingegen lachte bloß und legte seine Hand auf meine eigene.

"Darf ich mich nicht prügeln?", hinterfragte dieser ruhig, als er meine Hand von seinem Shirt löste. Perplex schaute ich den Blonden an, wusste nicht, wie ich auf diese Frage antworten sollte. Mein Mund öffnete und schloss sich, beinahe fühlte ich mich wie ein Fisch. Hielt er mich für dumm?

"Du weißt selbst am besten, dass du dafür nicht gemacht bist", behauptete ich nach einer Weile trocken und schaute in seine blauen Augen. Starr erwiderte er jedoch meinen Blick.

"Und du weißt am besten, dass auch ich unter gewissen Umständen austicken kann. Belassen wir es dabei, ja? Wie war die Arbeit gestern?", lenkte der Junge vom Thema ab, was ich jedoch nicht bemerkte. Viel zu fixiert war ich auf den Begriff den er verwendete und welche Erinnerungen ich damit verband. Arbeit.

Ein unwohles Gefühl schlich sich meinen Hals hinauf, was mich dazu veranlasste sofort die Hand vor den Mund zu heben und wegzurennen. Geradeso schaffte ich es um eine nahegelegene Ecke zu laufen, ehe mich das ekelhafte Gefühl überkam und ich mich übergab. Grauenvolle Galle fand ihren Weg aus meinem Magen, leerte diesen und ließ mich die Einzelteile der Tabletten erkennen, die ich zuvor geschluckt hatte. Die haben Geld gekostet!

Und dennoch hörte es nicht auf, im Gegenteil: Tränen stiegen mir in die Augen, da es schlichtweg schmerzte, mich zu übergeben. Ich hatte nichts gegessen, fühlte mich heute morgen nicht danach, denn viel zu groß war der Ekel vor mir selbst. Warum also? Warum wollte es nicht aufhören?!

Ich keuchte und stützte mich mit einem Arm gegen die nahegelegene Wand, woraufhin ich mich in die Hocke gleiten ließ. Ich hustete noch vereinzelt, bis auch dies stoppte.

Hatte Rick das mitbekommen? War er mir gefolgt? Unsicher schaute ich mich um, bis ein Paar Schuhe vor mir zum Stehen kamen.

"Wusste ich doch, dass du am Notausgang Zeug gekauft hast", stellte eine tiefe, bassige Stimme fest, die ich gerade eigentlich am wenigsten hören wollte.

"Was willst du, Lewis?", murrte ich, ohne den tätowierten Jungen anzusehen. Geradezu fixiert waren meine Augen auf den Boden, der seltsamerweise verlockend interessant wirkte.

Zwei starke Hände packten mich am Arm und zogen mich in die Höhe, welche ich sofort wegschlug. Eine peppige Aussage blieb jedoch aus, da ich mich schlichtweg nicht stark und munter genug dazu fühlte. Dies bestätigte mir auch mein Körper, der auf bestem Wege darauf war, ineinander zu sinken, wie ein alter, schwerer Kartoffelsack. Doch auch dieser Sturz blieb aus. Ich spürte wie ich hochgehoben und auf einem breiten, muskulösem Rücken platziert wurde.

Hierbei gab ich allen Protest auf, wissend, dass ich dazu einfach nicht in der Lage war.

"Wieso nimmst du Drogen, Julian?", wollte der Ältere ruhig wissen. Seiner Frage entnahm man nicht nur Interesse, nein, viel mehr war es Sorge die aus dem Jungen sprach, was mich noch missmutiger stimmte, als ich es bereits war. Pah, dein Mitleid kannst du dir sonst wohin stecken!

"Ich hasse dich, Ben."

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Done~

Romeo und.. - Julian?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt