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Julian Pov.

Ich würde gerne behaupten, heute morgen von meinem Wecker, Bauarbeiten, klirrendem Geschirr oder, ja, sogar dem Gestöhne meiner Schwester geweckt worden zu sein, doch traf all dies nicht zu. Meine brennenden Augen, die tiefen Augenringe und meine grimmige Grimasse bestätigten mir dies, als ich in den Spiegel im Bad blickte. Denn anstatt meine – ohnehin schon viel zu wenigen – Stunden Schlaf weise zu nutzen, war mein Körper schlichtweg nicht in der Lage gewesen, abzuschalten. Wach lag ich im Bett, hatte nach einigen Stunden des verzweifelten Hin- und Herwendens die Bettdecke beiseite gestrampelt und starr an die Decke meines Zimmers gestarrt, auch wenn ich in der Dunkelheit kaum etwas ausmachen konnte.

Unter normalen Umständen würde wohl jeder behaupten, dass das Problem, nicht einschlafen zu können, entweder durch Nervosität oder durch Stress entstand, sprich durch zu viele Gedanken im Kopf. Doch tatsächlich war mein Kopf die ganze Nacht leer gewesen. Mir war es daher ein Rätsel weshalb ich nicht schlafen konnte.

Selbstverständlich könnte man den Mangel an Schlaf darauf schieben, dass mir das Geld fehlte, dass Nelton mir seine Liebe gestanden hatte oder dass sie versucht hatte, mich zu erreichen. Aber nichts, aber auch rein gar nichts von diesen Erklärungsmöglichkeiten traf zu!

Schlurfend überwand ich die letzten paar Meter zu meinem Auto, welches brav vor der Haustür wartete. Dass Dad mal wieder nicht anwesend war, war wohl kaum mehr verwunderlich und dennoch verleitete es mich ins Grübeln. Ob er gerade vielleicht genauso sehr arbeitete wie ich? War er genauso fertig mit seinem Leben wie ich? Ging's ihm immer so?

Ich seufzte.

Es war beinahe, als hätten diese nervigen Gedanken darauf gewartet mich wie Plagegeister heimzusuchen, sobald ich etwas zutun hatte, anstatt mich einfach zu belästigen, wo ich sowieso nicht schlafen konnte. Meine Schwester dagegen schlief noch immer, da ihr Lehrer krank war und sie daher in den ersten beiden Stunden Entfall hatte. Die Glückliche! Man könnte meinen, sie schliefe für mich mit. Ironisch lachte ich auf. Es trieb mich in die Verzweiflung, bereits seit Tagen mehr schlecht als recht zur Ruhe gekommen zu sein. Mehr noch trieb mich dieses ständige Hibbeln, die ständige Unzufriedenheit, meine ständigen Stimmungsschwankungen, meine ständigen Schwächeanfälle und meine plötzlichen Schweißausbrüche zur Weißglut. Wenn ich eins konnte, dann war es auf jeden Fall mich verrückt zu machen.

Die Fahrt verging wie im Flug, doch nicht, weil sie mir Spaß bereitete, sondern eher, weil meine Gedanken die Oberhand auf ein Weiteres übernommen hatten. Ab morgen sollte ich wirklich laufen oder mit den Öffis fahren.

Am Parkplatz der Schule angekommen, öffnete ich meine Autotür, um aussteigen zu können und konnte dabei nur unschwer erkennen, dass meine Hand zitterte. Gottverdammt, geht's mir scheiße! Grob griff ich mit meiner anderen Hand nach dem Gelenk der zitternden, um so ein größeres Gefühl der Sicherheit wiederzuerlangen. Dies half mir tatsächlich für einen kurzen Moment, weshalb ich triumphierend grinste. Na also, alles im Griff. Gewohnterweise schnappte ich nach meiner Schultasche, schloss die Autotür, darauf auch das Auto und machte mich auf den Weg vom Parkplatz zum Schulgebäude. Von den vielen Menschenmengen, die üblicherweise vom Parkplatz zum Unterricht eilen, war kaum mehr was übrig, da ich zu spät war. Nur drei allzu bekannte Figuren konnte ich an einer Wand lehnend ausmachen. Als der eine mich erkannte rief er auch schon und winkte mich zu sich rüber. Unruhe schlich sich in mir herauf und ich biss mir die Innenseite meiner Wange.

"Na, wie geht's dir, Kumpel?", wollte Miles frech grinsend wissen. Mir war unwohl, da ich bei seinem Gesicht an Dads enttäuschtes denken musste. Wenn er wohl wüsste, dass die Schule schlussendlich doch die Quelle meines Drogenvorrats gewesen war. So schnell es ging, wollte ich weg von dem Trio, rasch in den Unterricht, dem Drang nach etwas enkommend. Der Drang nach was?

Romeo und.. - Julian?!Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum