Pre Game

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Jonathans Sicht

Konzentriert zog ich das weiße Tape über die Schaufel meines Eishockeyschlägers um ihn dann kurz darauf zu wachsen. Heute Abend würde ein Heimspiel gegen die New York Islanders stattfinden und ich war gespannt wie wir uns schlagen würden. Die letzte Niederlage hing mit nach wie vor hinterher. Die Schuld für das verlorene Spiel gab ich aber nicht mir oder dem Team, nein, ich schrieb sie einer Frau mit roten Haaren zu. Irgendjemand musste immer der Sündenbock sein und dieses Mal war es nunmal sie.

Ja, die Frau mit dem roten Haar und den stechend blauen Augen. Tag und auch Nacht war June in meinem Kopf.  Ich war unkonzentriert und einfach nur neben der Spur. Zu meinem Glück fiel das weder Maxim noch dem Team auf. Mein schlechtes Gewissen verdrängte ich nach wie vor. Erfolgreich. Meine schlaflosen Nächte bestanden jetzt also nicht mehr deswegen sondern weil ich nicht aufhören konnte an sie zu denken. Ich lag wach in meinem Bett, starrte an die Decke und dachte an ihr Lachen, ihre Haare die mir durch meine Finger rannen und ihre heißen Küsse. Ich vermisste ihre Anwesenheit.
Aber ich zwang mich, nicht daran zu denken, was mir offensichtlich nicht besonders gut gelang. Ich kannte diese Frau nicht und war ein verdammtes Weichei, das seine Gefühle nicht im Griff hatte. Ich liebe meine Frau nun seit insgesammt neun Jahren. Vielleicht war es uns beiden nur nicht aufgefallen, dass wir in den fünf Jahren Ehe etwas eingerostet sind. Würden wir das offen ansprechen und dann ändern, würde ich keinen Gedanken an den Rotschopf oder irgendeine andere Frau verschwenden.

Nikolaj Titow ließ sich neben mir auf seinen Platz fallen. Er rückte gerade seinen Tiefschutz zurecht und fing damit an, seine Ausrüstung anzulegen. Genauso wie die anderen Spieler die gerade aus dem Kraftraum, der Halle oder dem Aufenthaltsraum kamen. Wir würden uns jetzt anziehen und uns dann auf dem Eis aufwärmen und uns ansehen wie unsere Gegner heute angerichtet waren. Die Islanders waren diese Saison stark. Sie haben viele neue Spieler erworben, die das richtige Alter und die richtigen Fähigkeiten haben. Alleine der Kapitänskader war dieses Jahr komplett neu besetzt und wenn ich ehrlich war, hatte ich größten Respekt vor dieser Mannschaft. Sie waren rasendschnell aufgestiegen. Die letzten Jahre bestanden sie aus älteren Spielern die alle ihren Hunger schon gestillt haben. Jetzt aber, konnten die jungen Spieler ausbrechen. Ich könnte mir sogar bei der Leistung die sie momentan ablieferten vorstellen, dass sie es hoch bis ins Stanley Cup Finale schaffen könnten. Hart aufprallen würden sie aber vermutlich wenn sie Chicago gegenüberstünden. Das Team um Tyler Brown würde sie eher vernichten als sie an den Cup kommen zu lassen.
"Wie glaubst du geht heute aus?" fragte Nikolaj mich mit seinem gewohnten russischen Akzent.
"Ganz ehrlich? Wir könnten sie schlagen oder einen Arschtritt kassieren"
"Recht hast du" stimmte er mir zu und verschluckte wie immer das ch.

Nach einer dreiviertel Stunde begaben wir uns dann zu den Warm-ups auf das Eis und stellten fest, dass sich unsere Gegner auch schon auf der anderen Seite tümmelten. Während ich den Puck in das Tor beföderte und dann hinter dem Tor herumlief schaute ich durch das Stadion. Die unteren Ränge waren wie immer schon voll und der Rest füllte sich langsam. Maxim würde heute mit Titows Frau Liana und den Kindern herkommen. Von der VIP Louge aus konnten sie dann das Spiel verfolgen. Diese war so nobel, dass jedes Mal Kellner da waren und die Kinder frei spielen konnten wenn sie nicht grade an der Scheibe klebten um ihren Daddy zu sehen.

Ich kniete mich aufs Eis um einige Dehnübungen zu machen. Dabei beobachtete ich die Gegner. Gerade recht kam mir, dass der Kapitänskader in der Nähe stand und ich sie so gut mustern konnte. Niko Gerraughty, eigentlich noch ein kleines Kind in Sachen Eishockey, trug dieses Jahr das erste mal das C über dem Herzen und meisterte seine Aufgabe sehr gut. Er spielte Center, hatte flinke Hände und war schneller als der Blitz. Und was ist schon schneller als ein Blitz? Die Antwort: Gar nichts.
Neben ihm Sam Dahl. Das Arschloch. Ich konnte diesen Typen nicht ausstehen. Er hob den Kopf nach oben mit solch einer Arroganz, die in mir das Gefühl auslöste ihn zu verdreschen. Er war aber trotzdem der zweite Verteidiger des Teams und in Top Form. Letztes Jahr hat er das erste Mal die NHL All Star Competition besucht und verdammt gut abgeschnitten was ihm seinen A-Kader eingebracht hat.
Und zu guter letzt, stand Owen the mighty DeBlanc bei ihnen. Erster Verteidiger der Islanders und A-Kader. Er spielte seine erste Saison für New York und es war der gesammten Liga klar, dass er am Ende des Jahres die Auszeichnung für den besten Verteidiger der NHL entgegen nehmen würde was Lias Koslowsky so gar nicht gefiel. Er hat unter Nathan LaGuiche, dem Kapitän der Buffalo Sabres gespielt und hat sich mit seinen 23 Jahren ganz nett was aufgebaut. Aber nun ja, ich schätze das Sprungbrett machts.

Nach einer weiteren halben Stunde zur Besprechung in der Kabine, sollte es nun endlich losgehen. Wir begaben uns aufs Eis, lauschten der Nationalhymne und warteten bis alle Spieler aufgerufen waren die am Anfang auf dem Eis waren. Zu unserem Pech waren genau die drei besten Waffen der Islanders aufgestellt. Ich stand Dahl schräg gegenüber und schaute ihm in seine kalten Augen in denen sofort ein Feuer entflammte als der Puck eingeworfen wurde.

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