Sitze ich hier wirklich fest?

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Als ich wieder alleine war, das Mädchen, Constance hieß sie, hatte ich in die Küche geschickt, um mir Tee zu machen, setzte ich mich auf die Bettkante und wartete bis dieses Schwindelgefühl nachließ. Dann stand ich vorsichtig auf und ging zu der kleinen Kommode die dem Fußende des Bettes gegenüberstand.

Dort besah ich mich im Spiegel und stellte fest, dass ich tatsächlich grauenhaft aussah. Ich war blass, hatte tiefe Augenringe und eingefallene Wangen. Als ich an mir hinunter sah, sah ich eine leichte Wölbung meines Bauches. Instinktiv legte ich meine Hände darüber. „Dir wird nichts passieren, dafür sorge ich schon!" Warum ich das sagte? Ich habe keine Ahnung. Es war, als müsste ich es tun, so als würde mir jemand diese Worte in den Mund legen! Ich fühlte mich zwiegespalten, wie mit zwei Persönlichkeiten. Ich kann es einfach nicht besser erklären.

Langsam ging ich im Schlafzimmer auf und ab, um meinen Kreislauf ein bisschen wieder in Gang zu bringen. Es klappte meiner Meinung auch ganz gut. Als das Mädchen mit meinem Tee wieder erschien, setzte ich mich an den kleinen Schreibtisch, der an der linken Wand stand und genoss die Wärme und Süße in meinem Magen!

„Ich würde mich gerne ein wenig frisch machen, bring mir bitte frisches Wasser und neue Seife, danke Constance!" Sie knickste und verschwand. Ein wirklich ruhiges Mädchen, dachte ich noch so.

Ich ging ins Ankleidezimmer hinüber und suchte in MEINEM Kleiderschrank nach etwas passenderem als meinem Nachthemd. Ich fand ein schlichtes dunkelgrünes Kleid, welches ich an den Schrank hing. Constance brachte mir das Wasser und fragte schüchtern, ob sie mir noch helfen solle. Denn Mrs. Rouselant hatte ihr befohlen, mich nicht alleine zu lassen, solange ich auf den Beinen war.

„Das wäre sehr nett, denn bei dem Kleid werde ich Hilfe brauchen und auch bei meinen Haaren. Ich sehe ja grauenhaft aus." lächelte ich sie an und sie senkte nur schüchtern ihren Blick.

Als wir mit gemeinsamen Kräften das Kleid bezwungen hatten und auch meine Haare sich ordentlich um meinen Kopf legten, ging es mir besser und auch meine Nerven hatten sich ein wenig beruhigt.

Meinem Kreislauf ging es von Minute zu Minute besser. Doch diese Wut und diese Scham ließen sich nicht so leicht abschütteln. Es musste doch einen Weg geben, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen! Ich könnte HIER Charles bestrafen, wie es mir beliebte, aber in der anderen Welt könnte ich meinen Plan hinsichtlich Haytham weiterführen. Das klang erst mal logisch.

Aber... WIE kam ich wieder zurück. Constance begleitete mich nach unten in das Arbeitszimmer und ließ mich dann alleine. Am Schreibtisch nahm ich mir Papier und Feder und fing an, aufzuschreiben, was mir noch an Erinnerungen mit Haytham und diesem mysteriösen Besucher geblieben war.

Viel war es nicht und ich konnte mir auch keinen Reim darauf machen. Immer und immer wieder ließ ich mir die Bilder durch den Kopf gehen, aber mir wollte partout nicht einfallen, WAS diesen Sprung ausgelöst haben könnte. Diese Melodie die dieser Mann gesummt hat, konnte nur ich kennen. Sie war aus meiner Zeit. Also musste auch ER aus dieser kommen. Aber... wie war das möglich. Gab es noch mehrere dieser Armreifen?

Es musste ein Artefakt gewesen sein. Ich träumte das hier nicht, ich erlebte es real und bei vollem Bewusstsein. Trotzdem fiel mir beim besten Willen nicht ein, welche der Hinterlassenschaften der Vorläufer eine solche Macht hatten. Die beiden Ringe die ich besaß, waren bisher die einzigen die solche Kräfte auslösen konnten. Aber die waren... oh verdammt. Die waren nicht hier sondern bei meinem Templer!

Ich saß wirklich fest und ich konnte nicht einmal einfach so in meine ZEIT zurück. Jetzt kam zu der Wut und der Scham auch noch die Verzweiflung und mir liefen wieder die Tränen über die Wangen. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und ich ließ meinen Gefühlen jetzt freien Lauf, ich brauchte einfach dieses Ventil. Denn ich konnte mit niemandem darüber reden.

Wie lange ich so dasaß weiß ich nicht, aber es dämmerte schon, als mich der Chevalier schluchzend im Arbeitszimmer vorfand.

Er hob mich hoch, nahm mich in den Arm und trug mich nach oben. Ich ließ es zu, denn ich war zu müde und zu schwach zum selber laufen, geschweige denn zum Protestieren!

Even when your kind appears to triumph... Still we rise again. ...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt