Kapitel 56

129 2 0
                                    

P.o.V. Savage:

Wie ich mich fühle? Wie sollte man sich denn fühlen, nach einem solchen Tag? Sollte ich traurig sein oder Angst haben? Vielleicht. Aber eigentlich verspüre ich bloß pure Wut. Nicht auf Deniz. Oder Satan. Nur auf mich selbst. Die bemitleidenswerte Erscheinung einer geschwächten, persönlichkeitsgestörten Teenagerin mit minimale Komplexen gegenüber ihrer Gefühle und Eigenkompetenz in Sachen Leben. Meine Knöchel bilden ein Zusammenspiel von Bergen und Tälern. Mit gewisser Geschwindigkeit trifft dieses das Glas des Badezimmerspiegels. 

Die einzelnen Risse, die sich in Sekundenschnelle durch eine Art Sprungeffekt, in jenem Spiegel bildeten, befreiten mich von all meiner Wut und auch ein wenig von dem Selbsthass. Wie einer dieser, als Psychopathen abgestempelter, gesellschaftlichuntergeordneten Zwangsfreaks aus unrealistisch dargestellten TV-Shows, fing ich an zu lachen. Ohne jeglich sinnhaften Hintergrund hallten die vergnügten Geräusche aus meinem Hals, während salzige Tränen meine Wangen herabflossen.

Das purpurrote Sekret bahnt sich seinen Weg entlang meiner Haut, bis es von meinen Fingerkuppen abwärts zu Boden tropft. Das laute Klopfen an der Tür ist kaum mehr in den Wind schlagbar. Und das war mein Moment...

Okay, jetzt hat sie definitiv den Verstand verloren! Was zur Hölle labbert die, denn jetzt von ihrem Moment?! Jeder hat diesen einen Augenblick, dieser eine Wimpernschlag bei dem sich etwas tief im Inneren verändert. Weder erzwing-, noch berechenbar. Einfach wie ein Schnipsen und alles bekommt einen ganz neuen Blickwinkel.

Und verdammte Scheiße, das war meine Millisekunde! Ich war keine Heulsuse und diese Tränen konnten mich auch nicht in die Knie zwingen. Das war einzig und allein Ich! Es war meine Entscheidung, ob ich mich schwach fühlte oder eben einfach nicht! Und ich war auch nicht hier, um irgendein verficktes Schubladendenken zu erfüllen oder mich so abzukapseln, dass man mich in keines dieser Gefächer mehr einsortieren konnte.

Ich öffnete die Tür und trat mit sofortiger Wirkung einen Schritt rückwärts, denn das stetige Klopfen, welches von Santiagos Faust ausging, hatte beinahe die Andockstelle, die ich gerne als mein Gesicht charakterisiere, getroffen. Sein verdutztes Gesicht verdeutlicht seine Überraschung, was einerseits durch das blutverschmierte Glas, welches auf dem Teppich verteilt ist, ausgelöst worden sein könnte. Aber auch das wasserfeste Lächeln auf der meinen vermeintlichen Andockstelle möge nicht ausgeschlossen werden, wenn es um den Grund seiner Verwirrung geht.

P.o.V.Santiago:

Nachdem ein lautes Scheppern erfolgte und ich gefühlte Jahre an die Badezimmertür klopfte, öffnet sich diese und das gerad eben noch weinend-weggelaufene Mädchen steht, zerzaust, wie es nun mal war, vor mir und zeigte mir ihre Zahnlücke, als sei das Blut und der kleine Glassplitter, des gebrochenen Spiegels, an ihrer Hand nur ein Kinderstreich.

Meine Hand, mit der ich bis vor ein paar Sekunden noch Geräusche fabrizierte, welche man als Verlangen nach Aufmerksamkeit interpretiert, steht noch immer in der Luft. Dies war wohl ein Anlass für Savage sie mit der ihren zu umschließen und auf Hüfthöhe sinken zu lassen. An jedem anderen Tag hätte ich diesen kleinen Akt zelebriert. Doch nicht heute...

„Leute wir sind zuhause!", hallt die hohe Stimme meiner Mamma durchs Haus. Savages Augen blitzen panisch auf. Schnell lass ich ihre Hand los und schubse sie aus den Räumlichkeiten der Spiegelscherben, wessen Ausgang ich danach knallend verschließe. Eine mit Blut verschmierte, scharfe Kante schürft die Haut, meine Knöchel umschließend, auf. Woraufhin sich die beiden Blutgruppe vermischen und das geringfügige Risiko der Hepatitis-C-Infektion auftut. Doch blende ich diese unnötige Information meiner Erinnerung, an den Bio-Unterricht, aus und konzentriere mich darauf mein T-Shirt, etwas mit dem roten Saft, zu beschmieren.

Love is a flirty hell!Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang