Kapitel 21

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Die Zeit. Sie war der größte Feind, eines jeden! Doch nicht meiner. Klar, auch ich wollte die berüchtigten fünf Minuten länger schlafen, doch ansonsten war mir die Zeit immer ein Freund gewesen. Sie hatte meine Wunden geheilt und meine Tränen getrocknet. Auch im Moment war die Zeit auf der meinigen Seite, nur leider das Leben nicht...

Die letzten Tage vergingen, wie im Fluge. Das Wetter war komisch. Vor kurzem war es noch relativ warm, im Verhältnis zu jetzt. Es stürmte viel und der Wind war beängstigend stark.

Santiago wusste, glaube ich, nicht wirklich, wie er sich mir gegenüber verhalten sollte. Also mied er mich. Was mich nicht gerade erfreute, aber ich kann es verstehen. Das ist viel zu verarbeiten, da weiß man nicht, was man tun oder sagen soll.

Es war ein verregneter Mittwochabend. Ich saß auf meinem Bett, an die Wand hinter mir gelehnt und hörte dem Regen zu. Irgendwie mochte ich ihn. Also den Regen. Er erinnert daran, dass jeder Mal weint, selbst der Himmel. Dass jeder das Recht hat, Schwäche zu zeigen, egal für wie mächtig und unverletztlich wir ihn halten.

An meinem Fenster zeichnete sich in der Ferne ein helles, grelles Licht ab, jedoch nur für wenige Sekunden. Kurz darauf war ein Donnern zu hören. Och, komm schon! Ich hasse Gewitter!! Regen ist super, Gewitter hingegen macht mich zum Kleinkind. Gerade an Tagen, wie heute, wenn ich alleine Zuhause bin, kriege ich richtig Muffensausen. Als ich erneut einen lauten Knall vernahm, zuckte ich zusammen.

Ganz automatisch fing ich an hin und her zu schaukeln und nervös nach draußen zu starren. Alles nach dem ich mich gerade sehne, ist menschliche Nähe. Meinen Dad! Früher, als ich noch ein Kind war, hatte er mich bei Unwettern immer in den Arm genommen und mich beruhigt, doch jetzt war er bei Neva. Und versteht mich nicht falsch, ich mag sie und habe auch nichts gegen diese Beziehung oder fühle mich benachteiligt, nur... Nur habe ich jetzt keinen mehr, der sich wirklich für mich interessiert.

Man, wie eine aufmerksamkeitssüchtige, egoistische Kuh klinge ich! Das möchte ich nicht sein... Allerdings überwiegt dann doch meine Angst und ich rufe meinen Dad an. „Hallo? Savage bist du's?", meldet er sich. „Ähmm...ja, hi Daddy.", antworte ich verlegen.

„Ist alles in Ordnung? Geht's dir gut? Was ist los?", durchlöchert er mich, da ich sonst nie Daddy nenne. „J-ja, aber d-das Gewitter...", stottere ich kurzangebunden. In der Leitung vernehme ich sein leises Lachen. Eine weitere Person fragt, was los sei, ich vermute mal Neva. „Sie hat eine riesen Angst vor Unwettern, schon immer.", antwortet mein Vater, wohl eher ihr als mir. „Schatz, soll ich heim kommen?", frag er wieder an mich gewandt. „N-nein, musst du nicht, das ist viel z-zu gefährlich bei dem Wetter zu fahr..." *Donner*, werde ich unterbrochen und ein verängstigtes Quicken entweicht meiner Kehle.

Im Hintergrund sind wieder Stimmen zu hören. „Also mein Engel, wie wär..." Was? Wie wäre was?! „Daddy?" Keine Antwort. Verwirrt betrachte ich das zusammen gepresste Kabelstück in meiner Hand, welches Handy genannt wird. Das Netzwerk ist wohl bei dem Gewitter beschädigt worden... super!

Erneut donnert es. Wieder verkrampfe ich. Wieso muss ich hier allein durch?! Welcher verdammte Arsch ist dafür verantwortlich? Ich weiß, ich weiß, es gibt genügend Gründe, warum ich mich nicht so anstellen sollte, aaaaber...a-aber... Meine Fresse, ich bin mir dessen bewusst, dass ich alt genug bin, allein zu sein. Und dass man manchmal alleine für oder gegen etwas kämpfen muss, wie in meinem Fall gegen die Angst, damit man wahrhaftig siegt. Doch was wenn ich nicht so stark bin? Wenn ich diesem Typ nicht zustimme? „Liebe heißt allein sein.", Zitat Rainer Maria Rilke. Was wenn ich finde, wenn mich jemand wirklich lieben würde, wäre ich nicht allein unter meiner Decke zusammen gemummelt? Sondern in den Armen dieser Person! Über meinen Vater kann ich mich nicht beschweren, schließlich hat er mir ja angeboten zu mir zu kommen. Aber ich darf nicht so egoistisch sein! Neva sollte auch nicht alleine sein, bei diesem Wetter. Und Pimen weiß nichts von meiner Angst.

Love is a flirty hell!Where stories live. Discover now