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"Shawn, ich muss aufstehen", sagte ich und versuchte mich aus seinen Armen zu lösen, die eng um mich geschlungen waren.
"Vergiss es."
"Shaaawn."
"Ich will nicht, dass du gehst", murmelte Shawn und vergrub sein Gesicht in meinem Hals. "Bleib bitte hier."
"Du weißt, dass ich zur Uni muss, Shawn", erwiderte ich und drehte mich zu ihm um.
"Ich weiß", murmelte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Ich will nur nicht, dass du schon wieder gehst. Ich hab dich doch eben erst zurück."
"Du weißt, dass es ab jetzt immer so sein wird. Ich kann nicht jede Woche hier sein."
"Ich weiß", erwiderte Shawn und zog mich näher zu ihm. "Deshalb will ich, dass du hier neben mir liegst. Wenigstens noch eine Minute."
"Okay", wisperte ich und küsste sanft seine Lippen, bevor ich meinen Kopf auf seiner Brust ablegte. "Nur eine Minute."
Ich musste ihn nicht ansehen, um sein Grinsen zu sehen. Seine Hände strichen sanft über meinen Rücken, als ich sein Herz regelmäßig an meinem Ohr schlagen spürte.
"Du bist sicher, dass du schon gehen musst?"
"Ja, Shawn. Ich kann mir nicht leisten, hier noch eine Woche zu bleiben. Ich darf in der Uni nichts verpassen."
Shawn seufzte, worauf ihn anblickte.
"Bist du jetzt sauer?"
"Nein, ich bin stolz auf dich."
"Ach ja?"
"Ja, natürlich", erwiderte Shawn und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich werde dich nur vermissen."
"Ach und du denkst mir geht das nicht so? Ich sitze in einem kleinen Wohnheim, während mein super heißer Freund in New York unterwegs ist und jede andere haben könnte."
"Zu schade für all die anderen Frauen, dass ich nur dich will", erwiderte er grinsend, bevor er sich über mich lehnte. Ich blickte hoch zu ihm und legte meine Hand an seine Wange. Vorsichtig streichelte ich mit meinem Daumen über Shawns kleine Narbe.
"Du hast mir nie erzählt, woher du die Narbe hast", murmelte ich.
"Sicher?"
"Als ich dich gefragt habe, meintest du, es wäre nicht so wichtig."
Shawn seufzte und lehnte sich auf seinem Ellenbogen auf. Am liebsten wäre ich dort für immer gelegen. In seinem weichen, warmen Bett mit seiner Hand auf meiner Hüfte.
"Okay, die Geschichte ist etwas peinlich. Als ich klein war, kam ich auf die tolle Idee das Rasierzeug meines Vaters zu klauen und mein Gesicht zu rasieren. Daher die Narbe."
Ich kicherte und legte meine Hand auf seinen Oberarm. "Das ist nicht peinlich, das ist einfach nur niedlich."
"Du bist niedlich", erwiderte er und lehte sich zu mir herunter, um mich zärtlich zu küssen. "Ich liebe dich."
"Shawn", murmelte ich.
"Du musst es nicht zurücksagen, weißt du."
"Tut mir leid."
"Wofür entschuldigst du dich?"
"Ich will nur, dass du weißt, dass ich es ernst meine", murmelte ich, worauf er mich anlächelte.
"Das weiß ich doch. Du musst es nicht sofort sagen. Ich weiß, dass ich dich verletzt habe und ich will, dass du dir Zeit lässt, okay?"
"Danke", flüsterte ich. "Und jetzt küss mich."
"Ach, wolltest du nicht aufstehen?", fragte er und zog herausfordernd eine Augenbraue nach oben.

Mit gesenktem Blick liefen wir zu meinem Gate. Erst jetzt, da wir wirklich am Flughafen waren, wurde es mir klar, dass ich gehen musste. Ich wusste nicht genau, wann Shawn und ich uns wiedersehen würden und das machte mir Angst. Konnte das zwischen uns überhaupt funktionieren? Shawn hielt meine Hand fest in seiner und blickte mich an.
"Alles okay?"
Ich nickte schweigend, bevor ich anhielt. "Da wären wir."
Shawn stellte meine Tasche ab, die er für mich getragen hatte und sah mich fragend an. "Was ist los?"
Ich blickte ihn mit glasigen Augen an, worauf seine Gesichtszüge weicher wurden. "Es ist nichts."
"Wenn du's mir nicht sagst, lasse ich dich nicht in dieses Flugzeug einsteigen."
Ich wischte mir eine Träne weg und schüttelte den Kopf.
"Hey", flüsterte Shawn und nahm mein Gesicht in seine Hände. "Sag schon."
"Denkst du, dass wir das hinbekommen?"
Shawn blickte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an. "Natürlich, warum fragst du sowas?"
"Weil es eine Fernbeziehung ist, Shawn. Wir wissen ja nicht einmal wann wir uns das nächste Mal sehen werden."
"Ich will dich, Lyra. Und du willst mich. Wenn wir beide bereit sind das durchzuziehen, dann bekommen wir das hin."
"Und was, wenn es nicht funktioniert? Ich will nicht wieder verletzt werden, Shawn", sagte ich, worauf er meine Hände in seine nahm und mich liebevoll anblickte.
"Ich werde dich nicht verletzen, Lyra, nicht dieses Mal. Wir bekommen das hin. Bei allem, was wir durchgemacht haben, was ist da schon eine Fernbeziehung?"
"Ich weiß, aber-"
"Ich weiß, du hast Angst verletzt zu werden, Lyra. Aber das wird funktionieren. Ich rufe dich jeden Abend an und wir schreiben uns einfach den ganzen Tag", erklärte Shawn. "Und wenn irgendwas schief läuft oder du mich brauchst, dann bin ich in innerhalb von ein paar Stunden da. Wenn irgendwas ist, dann reden wir darüber, okay? Wir bekommen das hin."
"Okay", gab ich schwach lächelnd zurück. Shawn zog mich näher zu sich und lächelte mich an, bevor er mich noch ein letztes Mal küsste. Zum Abschied schlang er seine Arme um meinen Körper und zog mich eng an sich. Ich hörte wie mein Flug erneut aufgerufen wurde und löste mich aus unserer Umarmung.
"Wir bekommen das hin."
"Okay", erwiderte ich und lächelte ihm zu.

"Da bist du ja endlich!", rief Erin aufgeregt, als ich durch die Tür kam.
Ich zog meine Schuhe aus und lief in die Küche, wo Erin gerade den Abwasch machte. "Wie war's bei Shawn?"
"Es war gut", sagte ich mit einem Lächeln.
"Du hast die letzten Tage kaum gemeldet, ich will Details!!!"
"Wir sind eventuell wieder ein Paar", murmelte ich.
"Ha! Ich wusste es!", rief Erin.
Ich rollte gespielt mit den Augen. "Ich bin dann mal in meinem Zimmer, ich muss meine Hausarbeit noch schreiben."
"Du bist die nächsten Tage mit der Wäsche dran!", rief Erin mir hinterher.
"Alles klar", gab ich zurück, bevor ich die Tür zu meinen Zimmer schloss.
Ich wechselte erstmal meine Klamotten, bevor ich mich auf mein Bett fallen ließ. Ich schrieb Shawn kurz eine Nachricht, dass ich angekommen war, bevor ich lächelnd mein Handy weglegte. Obwohl ich immernoch Zweifel hatte, fühlte ich mich doch irgendwie anders. Ich wusste, dass das mit Shawn irgendwie funktionieren konnte und vielleicht könnten wir einfach wieder so zusammen sein wie beim ersten Mal in Pickering.

Tides [german] Where stories live. Discover now