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"Wie gefällt dir die Uni?", fragte Luke, der auf meinem Sofa lag und versuchte mit seinen Essstäbchen zurechtzukommen.
"Brauchst du eine Gabel?", sagte ich lachend, worauf er seufzte.
"Nein, ich will es endlich hinbekommen mit Essstäbchen gebratene Nudeln zu essen! Und jetzt beantworte die Frage!!!"
"Die Uni ist toll", erwiderte ich. "Ich wohne mit Nate ganz in der Nähe vom Campus."
"Ach ja, Nate", schwärmte Luke. "Warum bekommst du immer die heißesten Typen ab? Wann bin endlich ich dran? Ich arbeite in der Firma meines Onkels nur mit alten Säcken."
"Tut mir leid", erwiderte ich. "Vielleicht kann ich dich ja mit jemandem aus der Uni verkuppeln. Du müsstest uns nur mal besuchen."
"Lyra, bekomm das jetzt echt nicht in den falschen Hals, aber findest du nicht, dass es zu früh ist mit Nate zusammen zu wohnen?", fragte er vorsichtig, worauf ich mit den Achseln zuckte. "Erst der Unfall, dann Shawn. Ich will nur nicht, dass du wieder verletzt wirst."
"Luke, ich weiß, dass es schnell ging, aber ich liebe Nate. Bei ihm kann ich einfach ich sein. Er ist immer für mich da und er würde mir nie ein Ultimatum stellen", erklärte ich lächelnd. "Und vielleicht wird er der Mann, den ich mal heirate. Ich bin mir einfach sicher mit ihm."
"Das warst du auch mit Shawn", sagte Luke, worauf ich mich an meinem Essen verschluckte und wie bekloppt hustete. "Was ist los?"
"Ich hab mich verschluckt. Geht wieder."
"Das dachte ich mir, aber du hast dich verschluckt als ich seinen Namen gesagt habe", sagte Luke und sah mich misstrauisch an. "
"Ich habe ihn ein paar Mal getroffen", winkte ich ab, als wäre es keine große Sache.
"Aha", gab Luke zurück.
"Okay, vielleicht ist noch was anderes passiert", gab ich zu.
Luke setzte sich auf und sah mich neugierig an. "Erzähl schon!!!"
"Wir haben gestern Kaffee getrunken und er hat möglicherweise versucht mich zu küssen!"
"Was?!", rief Luke ganz außer sich. "Ich wusste es!"
"Wir haben uns nicht geküsst", erwiderte ich verteigend.
"Wieso nicht?!"
"Falls du es vergessen hast, habe ich einen Freund", gab ich empört zurück. "Und Shawn hat mein Herz gebrochen. Ich bin fertig mit ihm."
"Na, wenn das so ist, dann kann ich ihn ja haben!", jubelte Luke, bevor er verstummte. "Naja, das würde sich aber als schwierig erweisen, immerhin liebt er dich noch."
"Das hat niemand gesagt!", entgegnete ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
"Lyraaa", sagte Luke. "Kann es sein, dass du noch Gefühle für ihn hast?"
"Ich? Was?! Du hast Gefühle für ihn", gab ich zurück.
"Deine Stimme ist höher geworden. Das passiert immer, wenn du lügst!", neckte Luke mich, worauf ich mit einem Kissen nach ihm warf.
Luke hob verteidigend die Hände und lachte, bevor er zu seinem Handy griff. "Ich hab Shawn ewig nicht gesehen. Zum Glück gibt es Instagram!"
"Luke!", rief ich und wollte das Handy aus seiner Hand nehmen, doch er lehnte sich zurück.
"Was denn? Du magst ihn nicht mehr, also was interessiert es dich?"
Er hatte Recht. Shawn lag weit in der Vergangenheit. Wir hatten uns nicht geküsst.
"Ich war neulich bei ihm", gab ich zu, worauf Luke mich mit offenem Mund anstarrte.
"Nein!"
"Doch, Luke. Er hatte eine Panikattacke und hat mich ständig  angerufen, weshalb ich mich mit Nate gestritten habe. Und statt mit Nate zu reden, bin ich mitten in der Nacht zu Shawn gefahren."
"Naja, aber da ging es ja um einen Notfall."
"Eben... Ich hatte mir Sorgen gemacht", entgegnete ich, bevor ich seufzte. "Ich habe Nate nichts davon gesagt."
"Und?"
"Und jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen", sagte ich.
"Hast du Shawn geküsst?", fragte Luke nach, worauf ich den Kopf schüttelte. "Dann brauchst du auch kein schlechtes Gewissen haben."
"Und ich habe von ihm geträumt", erwiderte ich, worauf Luke mit den Achseln zuckte. "Okay, ich formuliere es anders. Als ich mich mit Nate vertragen habe, habe ich in seinen Armen geschlafen und hatte einen Sex-Traum... mit Shawn."
"Heilige Scheiße", rief Luke aus. "Ist das dein Ernst?"
"Es war nur einer, okay?"
"Hey, ich werde dich dafür nicht verurteilen, Lyra. Ich hatte auch mal so einen Traum mit Shawn."
"Zu viel Information, Luke", gab ich zurück. "Es war nur ein Traum, richtig?"
"Eben! Und solange du nicht willst, dass er Realität wird, ist ja auch nichts dabei", entgegnete er, worauf ich seufzend in die Küche ging, um das Besteck wegzubringen. Ich wollte nichts von Shawn. Der Traum war unbedeutend. Oder?
Als ich ins Wohnzimmer kam, starrte Luke mich an. "Er steht noch auf dich."
"Tut er nicht!"
"Ach ja? Dann erklär mir, warum dieser Song genau auf dich passt."
Er hielt mir ein Video hin, auf dem Shawn sang und Gitarre spielte.
"Das könnte von jedem handeln, Luke. Shawn und ich sind miteinander fertig!"

Nachdem Luke weg war, konnte ich es mir nicht verkneifen, das Video nochmal anzuschauen.
Shawn saß auf einer Fensterbank und spielte auf seiner Gitarre.
"Thought I knew just what I wanted. I didn't know myself at all. You're with somebody I can't be, but I can tell that you're happy. It's time for me to finally meet somebody new. Take her to all the places that I took us to. And she might help me forget, but loving her was something I could never do", sang er, bevor er in die Kamera sah. "Because I had you."
Und egal wie sehr ich versuchte nicht daran zu denken, hoffte ich doch, dass der Song für mich bestimmt war.

Tides [german] Where stories live. Discover now