- 28 -

594 32 6
                                    

Mein Handy vibrierte erneut und genervt warf ich einen Blick darauf. Die Nachricht war, logischerweise, nicht von Shawn. Dafür allerdings schon wieder von Sebastian. Seit unsrer gemeinsamen Nacht hatten wir hin und her geschrieben. Die Gespräche gingen zwar mehr von ihm aus, jedoch wollte ich nicht unhöflich sein und sah außerdem keinen Grund ihn zu ignorieren. Trotzdem hatte ich keine Lust zu antworten und schob mein Handy ein Stück von mir weg um ich besser auf das Lernmaterial vor mir zu konzentrieren. Als es nach weiteren 5 Minuten jedoch erneut vibrierte, seufzte ich entnervt auf, schnappte es mir und ging damit in die Küche um etwas essbares zu finden. Der Kühlschrank war leider nicht gerade voll, also gab ich mich mit einem Joghurt zufrieden. Ich setze mich an den Tisch und beschloss, Sebastian jetzt doch zu antworten.

Sebastian:
Hey!

Sebastian:
Na wie geht's dir?

Sebastian:
Hast du Lust heute was zu unternehmen? :)

Genau genommen konnte man nicht wirklich von Lust reden. Ich meine, er schien ein netter Kerl zu sein, aber erstens schwirrte Shawn immer noch konstant in meine Kopf herum und zweitens wollte ich die Sache nach unsere Nacht eigentlich so beruhen lassen. Und obwohl ich fest davon ausging, dass Shawn vielleicht wirklich mein Seelenverwandter war, war ich nach wie vor leicht sauer, wegen der Bilder die ich gesehen hatte. Falls, und die Betonung liegt auf falls, er wirklich zurückgekrochen kommen sollte, konnte es ja nicht Schaden etwas zum feuern zu haben. Und falls nicht, wer weiß, vielleicht war Sebastian ja mein neuer Seelenverwandter. Auch wenn ich daran ernsthaft zweifelte.

Lyra:
Ja klar, wann und wo?

Sebastian:
Kannst du in einer halben Stunde hier sein?

Sebastian:
Ich schick dir gleich die Adresse

Lyra:
Ja bis dann!

Kurz darauf folgte die besagte Adresse. Es war wirklich nicht weit, weswegen ich beschloss zu laufen. Ehe ich ging warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel. Ich sah passabel aus, aber das Treffen war es mir definitiv nicht wert mich noch extra dafür zu richten. Damit musste Sebastian eben klarkommen. Ich steckte meine Kopfhörer in meine Ohren, versicherte mich dass keins von Shawns Liedern in der Warteschlange war, und lief los.

"Hey!", begrüßte Sebastian mich mit einer stürmischen Umarmung, die ich überrascht erwiderte.
"Hey, Sebastian." Er grinste über beide Ohren, sah mich kurz an und began zu sprechen: "Ich hoffe es ist okay, wenn wir ein Stück gehen." Auch wenn er versuchte die Nervosität zu verstecken, war sie mehr als deutlich zu sehen.
"Ja natürlich, das Wetter ist ja gut", antwortete ich und schenkte ihm ein Lächeln. Es war bereits Ende April und die Sonne schien fröhlich vor sich hin. Es war noch nicht wirklich warm, aber man konnte getrost ohne Jacke aus dem Haus gehen. "Ich dachte wir machen erst einen kleinen Spaziergang und setzen uns dann in ein Café oder so", erläuterte Sebastian seine Plan für den Nachmittag. "Klingt gut."  Er nickte nur. Kurze Zeit entstand eine peinliche Stille ehe er wieder das Wort ergriff. "Und, was hast du die letzten Tage so gemacht?", wollte er wissen. "Nicht viel, hauptsächlich gelernt, du?" Ich hasste Smalltalk.
"Naja, gearbeitet. Und ich hab viel an unsere Nacht gedacht." Innerlich verdrehte ich die Augen. Er hatte dieses sowieso schon erzwungenes Gespräch gerade noch unangenehmer gemacht.
"Ah", erwiderte ich deshalb nur. "Wo arbeitest du nochmal?", fragte ich, um einer weiteren Stille zu entgehen. "So ein kleines Büro für Steuerberatung."
Ich nickte resigniert. Dieses "Date" war mehr als holprig und ich erwischte mich dabei, wie ich daran dachte, wie leicht es mir mit Shawn gefallen war. Wenn man es so erzwingen muss, kann daraus doch gar nichts werden, oder?
"Lyra? Hörst du zu?", riss Sebastian mich aus meinen Gedanken. Ich schaute peinlich berührt zu Boden. "Äh tut mir Leid, ich war gerade abgelenkt."
"Naja, macht ja nichts. Jedenfalls ist meine Schwester dann bei ihm ausgezogen. Was ein Arschloch, oder? Wer betrügt schon seine Freundin?", faselte er weiter. Naja. Hab ich bei meinem Freund auch schon gemacht. Vermutlich wäre unser Treffen nur halb so schlimm gewesen, hätte ich wenigstens versucht das Gespräch am Laufen zu halten, jedoch schaffte ich es weniger denn je, meine Gedanken von Shawn fernzuhalten. Ich hörte Sebastian bloß auf halben Ohr zu, nickte verständnisvoll und gab einsilbige Antworten auf Fragen. Ich fühlte mich wie das letzte Arschloch, hatte jedoch auch kein Interesse daran, es zu ändern.
"Also, willst du noch einen Kaffee oder so trinken?", fragte er schließlich als wir nach guten ein einhalb Stunden Spaziergang wieder an unserem Ausgangsort ankamen.
"Tut mir Leid, aber ich muss mich langsam echt wieder meinem Lernzeug widmen", log ich, "Aber es wirklich schön."  Er lächelte mich herzlich an und zog mich in eine Umarmung.
"Fand ich auch, das müssen wir wiederholen!"
"Ja klar!" Ich winkte ihm kurz und lief dann zügig aus seiner Sichtweite. Er war bestimmt nicht so schlimm wie ich es gerade empfunden hatte, aber im Vergleich zu Shawn hatte er eben keine Chance. Schnell lief ich zurück nach Hause, wich Erin's Fragen aus, wo ich gewesen war und verkroch mich in mein Zimmer.
Ich dachte, dass ich Shawn mittlerweile wenigstens einigermaßen aus meinen Gedanken raushalten konnte. Tja, ich lag wohl falsch. Mein Handy vibrierte neben mir und ich hätte schwören können, dass es erneut Sebastian war, doch der Name auf dem Display ließ mich aus meinem Bett hochfahren.

Shawn:
Hey

Was wollte er denn jetzt auf einmal. Der eine Teil von mir freute sich unfassbar über diese Nachricht, der andere war mehr als misstrauisch. Wenn ich ihm jetzt antwortete, würde er mir mein Herz wahrscheinlich nur wieder brechen. Aber was wenn ich ihn ignorierte und damit eine Chance vertun würde. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe ehe ich antwortete.

Lyra:
Hey..

Tides [german] Where stories live. Discover now