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"Nate, wir müssen reden", flüsterte ich fast.
"Ist alles okay?", fragte er und sah mich besorgt an.
"Ich habe mit Shawn geschlafen."

"W-Was?", stotterte Nate und sah mich verwirrt an.
"Ich habe mit Shawn geschlafen."
"Du hast mit Shawn geschlafen?", murmelte er, doch seine Stimme brach ab.
"Nate", murmelte ich und wollte nach seiner Hand greifen, doch er zog sie weg.
"Fass mich nicht an", schrie er, worauf ich zusammenzuckte. "Fass mich verdammt nochmal nicht an!"
"T-Tut mir leid", murmelte ich und zog meine Hand zurück, bevor ich meine Arme verschränkte.
"Es tut dir leid?", sagte er wütend. "Es tut dir leid? Willst du mich verarschen, Lyra?"
Er sah mich mit wütenden Augen an, die fast schwarz waren, bevor er gegen die Wand neben sich boxte, in der ein Loch entstand.
"Nate!", rief ich erschrocken. "Hör auf! Du tust dir noch weh!"
Er drehte sich wieder zu mir, die Knöchel seiner rechten Hand waren geschwollen und klebrig mit Blut. "Seit wann interessiert es dich, ob ich verletzt werde, Lyra?", schrie er und sah mich mit Tränen in den Augen an.
"Nate. Ich wollte dich niemals verletzen, ich liebe dich", flüsterte ich und nahm seine blutende Hand in meine. "Lass mich dir bitte helfen."
"Du liebst mich nicht, Lyra."
Er zog seine Hand weg und schüttelte den Kopf, als eine Träne seine Wange hinunterlief.
"Natürlich tue ich das."
"Warum hast du mir das dann angetan?", fragte er, als seine Stimme abbrach.
"Ich wollte das nicht."
"Ach? Du wolltest das nicht?!", erwiderte er kopfschüttelnd. "Dann bist du also einfach gestolpert und nackt in seinem Bett gelandet?"
Ich wischte mir eine Träne weg und schüttelte den Kopf, bevor ich auf den Boden sah.
"Wie lange ging das schon so?", hakte er nach.
"Nate", brachte ich erstickt heraus.
"Schau mich gefälligst an!", rief er, worauf ich im seine tränengefüllten Augen sah. "Wie lange geht das mit ihm schon so? Wie lange hast du mich belogen?"
"Als wir in Pickering waren und du schon zurück zur Uni gefahren bist... Da haben wir das erste Mal miteinander geschlafen."
"Das erste Mal? Wie oft hast du dich denn mit ihm vergnügt, während du mir eine heile Beziehung vorgelogen hast?!", fragte er wütend nach, während das Blut sein Handgelenk hinunterlief.
"Ich-"
"Wie oft?!"
"Zwei Mal", platzte es aus mir heraus. "Das zweite Mal war an Weihnachten."
"Ich wusste du hättest nie da hin fahren sollen", erwiderte er.
"Ich bin nicht wegen ihm da hingefahren, okay? Als ich mit ihm geschlafen hatte, habe ich gemerkt, was für ein Fehler das war. Und-"
"Warum hast du es mir dann verschwiegen?", zischte er.
"Ich wollte nicht, dass du mich verlässt", murmelte ich. "Weil ich dich liebe. Und als ich an Weihnachten nach Pickering gefahren bin, da bin ich nur wegen seiner Familie gegangen. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben, weil ich mich dafür gehasst habe, was ich dir angetan habe!"
"Und trotzdem hast du dich von ihm flachlegen lassen!"
"Ich weiß!", schrie ich tränenüberströmt. "Ich hätte es dir schon früher sagen sollen, ich hatte nur Angst vor diesem Gespräch."
"Wie konntest du mir das nur antun, Lyra?", gab er zurück, während Tränen seine Wangen hinunterliefen.
"Ich habe einen Fehler gemacht! Und ich weiß, dass du mir das niemals verzeihen wirst und ich werde es mir niemals verzeihen können. Ich will auch nicht, dass du mir verzeihst, Nate."
"Ich habe dich geliebt, Lyra", murmelte er. "Ich liebe dich."
Ich machte einen Schritt auf ihn zu und legte meine Hände an seine Wangen. "Ich weiß. Und ich liebe dich, Nate. Und du hast jemanden verdient, der dich so lieben kann, wie du es verdienst. Jemanden, der ehrlich zu dir ist. Und jemanden, der nicht so kaputt ist wie ich. Ich liebe dich. Aber ich liebe auch Shawn. Wir haben so viel miteinander durchge-"
"Ist das deine Ausrede?", murmelte er fassunglos und trat einen Schritt zurück. "Du hast mich mit ihm betrogen, weil ihr viel zusammen durchgemacht habt? Was ist mit mir? Wer war verdammt nochmal für dich da, als der Scheißkerl dich alleingelassen hat? Oder als du am Grab deiner kleinen Schwester zusammengebrochen bist? Ich war bereit, dir alles zu geben, Lyra. Du warst für mich immer die Eine, die ich eines Tages heiraten würde. Und ich war dir einfach nie genug! Du hast mich nie wirklich geliebt. Man verletzt die Person, die man liebt nicht. Du hast ihn niemals losgelassen! Ich war nie gut genug! Wie hätte ich auch mit ihm mithalten können?"
"Nate, du-"
"Verschwinde, verdammt!", schrie er wütend. "Verschwinde!"

"Danke, dass ich hier bleiben darf", bedankte ich mich bei Erin.
"Was auch immer da zwischen dir und Nate vorgefallen ist, ich hoffe ihr bringt es in Ordnung. Gute Nacht, Lyra."
Ich legte mich auf das Sofa und deckte mich zu, doch ich hörte nicht auf zu zittern. Es musste so kommen. Ich wusste, dass er mir nicht verzeihen würde. Und Shawn war bereit für einen Neuanfang. Wir könnten das wiederaufbauen, was wir einst hatten. Trotzdem griff ich nach meinem Handy und tippte eine Nachricht an Nate.
Es tut mir leid. Ich weiß, das macht die Sache auch nicht besser. Was ich dir angetan habe, ist unverzeihlich. Und nur damit du's weißt: Du warst immer gut genug. Du warst viel zu gut für mich, Nate. Jede könnte sich glücklich schätzen, dich zu haben. Ich war einfach nicht gut genug für dich. Ich hatte dich niemals verdient. Ich hoffe, du findest diejenige, die dich glücklich macht. Du verdienst nichts als Glück.

Tides [german] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt