15. Kapitel: Samstag, 18. März 2000

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Harry

Harry gab nach. Er gab nach, weil er wusste, dass er die Distanz nicht wahren konnte. Er gab nach wieder besseren Wissens, denn so würde es noch schwieriger werden. „Ich bin Theresia", sagte Theresia irgendwann. Ein leichtes Lächeln hatte sich auf ihren Lippen gebildet, auch wenn ihre Augen nicht ganz mitspielten. „Ich bin Harry", erwiderte Harry und sie schüttelten sich die Hand. Er holte Pergament und eine Feder aus seiner Tasche sowie ein Buch, dass er als Unterlage gebrauchen konnte.
„Ist dir vor dem Angriff irgendwas besonderes aufgefallen?". Die erste Frage gehörte zu dem Standart Katalog, den er in der Ausbildung hatte auswendig lernen müssen. Theresia überlegte einen Moment, dann nickte sie. „Ich habe mich den ganzen Weg über beobachtet gefühlt, dachte aber es liegt an meiner ungewöhnlichen Kleidung. Als ich dann die Person vor meiner Haustür gesehen habe, wusste ich, dass es doch mehr war". Das war interessant. Harry hatte über die Aufregung ganz vergessen, dass Theresia auch die wahrscheinlich einzige Person war, die den Täter oder die Täterin beschreiben konnte.
„Kannst du noch irgendwas zu dem Täter oder der Täterin sagen?".
Wieder überlegte Theresia. „Es war schon ziemlich dunkel, deshalb kann ich nur sagen, dass die Person einen Umhang getragen hat. Sie war nicht die, die den ersten Fluch abgefeuert hat. Das war eine Person, die mich schon mindestens seit der U-Bahn Station verfolgt hat". Das Grenzte das Täterprofil nicht sonderlich ein. In der Zaubererwelt jemanden zu finden, der einen Umhang trug, war nicht schwer. Trotzdem wusste Harry nun, dass es kein Einzeltäter gewesen war. Er konnte nicht sagen, ob das gut oder schlecht war. Irgendwo in seinem Hinterkopf wuchs die Angst, dass es übriggebliebene Todesser handelte. „Wer wusste denn, dass du um diese Zeit nach Hause kommen würdest?". Dieses Mal brauchte Theresia lange für ihre Antwort. Sie zog die Stirn in Falten und zählte an ihren Fingern ab. Schließlich schien sie aber zufrieden zu sein und gab ihre Antwort: „Die Leute aus dem Büro, bei denen habe ich mich verabschiedet. Außerdem jeder, der mich auf dem Weg nach draußen gesehen hat. Ich komme Freitags eigentlich immer mit derselben Bahn nach Hause, also könnten die Täter mich auch einfach beobachtet haben"
„Und deine Mitbewohner sowie die anderen Bewohner des Hauskomplexes könnten ebenfalls wissen, wann du nach Hause kommst", warf Harry ein. „Aber du willst jetzt nicht alle befragen? Die Meisten von denen haben überhaupt kein magisches Talent". Theresia schaute Harry an, als wäre er verrückt geworden. So unrecht hatte sie mit ihrem Einwand nicht. Ihn würde wohl niemand einlassen, wenn er nicht mit der Muggel Polizei zusammenarbeitete und dies wäre zu riskant. Er würde mit Sicherheit gegen das Geheimhaltungsabkommen verstoßen und auch wenn er um die Strafe für den Einbruch bei Gringorots herumgekommen war (sein Tod sowie das ganze drum herum war wohl auch Strafe genug) hatte er keine Lust auf eine weitere.

„Du solltest dich in der Abteilung für die Zusammenarbeit mit Muggeln melden. Die haben dort sicher die nötigen Kontakte und Listen". Theresia schaute ihn aufmerksam an. Ihre Stimme klang freundlich und etwas verträumt. Es war keine Kritik, eher ein Vorschlag. „Wäre es nicht mein Job, auf solche Ideen zu kommen?". Harrys Frage war mehr ein Scherz als eine ernste Frage. Die professionelle Distanz war endgültig Geschichte und die düsteren Umstände für einen Moment vergessen. „Ich mache eigentlich ähnliche Dinge wie ihr Auroren, nur dass meine Fälle in der Vergangenheit liegen und die meisten Verantwortlichen bereits tot oder gefasst sind", erklärte Theresia ihm. Ihre Stimme klang ernst, während ihre rechte Hand an ihrer rechten Seite bis zum Oberschenkel herunter fuhr. „Du hast dich ja hauptsächlich mit den Verbrechen der Todesser beschäftigt". Das war eindeutig eine Feststellung und keine Frage. Trotzdem schien Theresia etwas gegen den Satz einzuwenden haben.
„Ich beschäftige mich mit einer Hand voll Verbrechen und wie es dazu kommen konnte. Unsere ganze Abteilung ist eigentlich nur mit der Aufarbeitung beschäftigt".

Obwohl Harry nicht schlecht informiert war, was die Maßnahmen nach der Ära der Todesser anging, hatte er nicht so genau bescheid gewusst. Bewunderung für die Hexen und Zauberer, die dort arbeiteten, stieg in ihm auf. Während die meisten nur noch für die Zukunft lebten und die Vergangenheit verdrängten, gruben diese in den Wunden und hielten dem Schmerz stand.

„Meinst du jemand hat dich deswegen angegriffen?" Harry beobachte Theresia sehr genau. Diese wurde auf einmal unruhig. Ihre Hand begann zu zittern, während die über ihren Oberschenkel strich. Ihre Augen bekamen einen weiten Blick. Sie schien nervös und gleichzeitig in sich gekehrt. „Ich weiß nicht wieso Menschen was tun. Aber dieser Angriff hat irgendwas mit meiner Arbeit oder meiner Haltung zu tun. Ich kann nur froh sein, dass ich noch lebe. Auch wenn es vielleicht nie wieder wie zuvor wird", erklärte sie schließlich. Augenscheinlich wirkte sie gefasst aber ihre Stimme zitterte und Harrys Intuition sagte ihm, dass die Frau kurz davor war die Fassung zu verlieren.

Es kehrte eine unangenehme Stille zwischen den beiden Menschen ein. Harry hing seinen Gedanken nach und versuchte sich auf all das einen Reim zu machen. Wie zu erwarten scheiterte er und so kam es, dass er schließlich zu einer letzten Frage ansetzte: „Kannst du mir beschreiben, wie der Angriff ablief?". Es war eine gefährliche Frage, schließlich war die Situation schon kurz vor der Eskalation. Doch ohne diese Frage würde er vielleicht nie herausfinden, was an diesem Abend passierte. Theresias Augen weiteten sich für einen Moment und Harry glaubte schon, sie würde die Fassung verlieren. Die Stimmung war zum zerreißen gespannt. Alles schien sich in den nächsten Momenten zu entladen. Wie ein Blitz sich aus der Spannung in der Luft entlädt. Und dann....

... klopfte es an der Tür. Die Heilerin Doktor Farley kam wieder in den Raum. Falls sie bemerkte, dass sie in eine verfahrene Situation hineingeraten war, ließ sie es sich nicht anmerken. Stattdessen ging sie schnurstracks auf das Bett zu. „Wir haben erste Untersuchungsergebnisse", erklärte sie und Harry wusste, dass es jetzt Zeit für ihn war zu gehen. „Ich schreibe es dir auf. Zeit genug habe ich ja", sagte Theresia zum Abschied und gab Harry erneut die Hand. Die beiden Zauberer schauten sich für einen Moment in die Augen und kamen zu dem Schluss, kein Wort mehr über den Vorfall zu verlieren. Beim Rausgehen hörte Harry noch, dass die Chancen für eine vollständige Heilung schlecht standen. Die Tür fiel zum Glück hinter ihm ins Schloss, bevor er noch mehr mitbekommen konnte.

Es wird besser werden - Die Wahrheit über die Ereignisse im Frühjahr 2000Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang