12. Kapitel: Samstag, 18. März 2000

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Resa

Sie blinzelte in das helle Licht, das irgendwo über ihr angebracht zu sein schien.
Wo war sie?
Langsam aber sicher gewannen die Konturen um sie herum an Schärfe und während die Welt um sie herum schärfer wurde, wurde es auch ihr Verstand. Sie war mit Daniel Wiel verabredet, morgen Abend, und sie war nach Hause gefahren. Sie bemerkte die Person, die an ihrem Bett saß. Eine Hand legte sich auf ihre. Es war ein warmes und vertrautes Gefühl. Mühsam bewegte Resa den Kopf etwas nach links. Dort saß ihre Mutter und lächelte sie liebevoll an. Wieso war sie hier? Als Resa das Ministerium verlassen hatte, hatte sie die Gewissheit gehabt, ihre Eltern frühestens in der nächsten Woche zu sehen. Das Gesetz, an dem ihr Vater so lange gearbeitet hatte, sollte am Samstag vorgestellt werden und ihre Mutter hatte mehrere Schichten im Krankenhaus übernommen. „Resa, kannst du mich hören?". Resa blinzelte. Sie wollte erwidern, dass sie sie sehr gut hören könne. Was war denn nur passiert
Aber ihrer Kehle entwich kein Ton, ihr Rachen fühlte sich rau und trocken an. Resa musste husten, was dazu führte, dass irgendwer ihr ein Glas Wasser reichte.

Irgendwie schaffte sie es sich etwas aufzurichten und einen Schluck zu trinken. Ihrer Mutter standen dabei Tränen in den Augen. „Du bist wach", flüsterte sie und drückte Resas Hand. „Jetzt wird alles gut". Da kamen auch ihre letzten Erinnerungen wieder an die Oberfläche.

Sie kamen aus der Ecke, in der auch noch etwas Anderes lag.
Sie kamen aus der Ecke, an die sie eigentlich nicht denken wollte.
„Ich bin angegriffen worden", wurde es Resa plötzlich bewusst. „Und ich lebe noch".
Die Freude währte aber nicht von langer Dauer, denn ebenso schnell wurde ihr bewusst, dass dies nicht der Sinn der Sache gewesen war. Jetzt standen auch in ihren Augen Tränen, während sie in das helle Licht sah.

Kurz darauf klopfte es an der Tür. Resa bekam nur am Rande mit, wie ihre Mutter rief, der oder diejenige sollte hereinkommen. Sie war einfach nur froh am Leben zu sein. Zumindest bis sie die Person sah, die sie wohl besuchen wollte.

Schon im ersten Moment war ihr, als sollte sie diese kennen, als hätte sie diese Person schon oft gesehen. Aber die Suche nach Informationen über die Person gestaltete sich als ein loses fischen im Dunkeln ihrer Gedanken. Sie musterte den Mann, der hereingekommen war, noch einmal genau. Sie kannte ihn, da war sie sich sicher und dann waren die Erinnerungen da.

Resa sah alles noch ganz genau vor sich. Sie spürte die Luft auf ihrer Haut und den Schweiß, der darüber ran. Sie hörte die Schreie in ihren Ohren. Sie spürte wie die Angst in ihr aufwallte. Die Angst, Todesangst. Ohne es zu merken hatte Resa angefangen zu zittern, während sie den Mann weiterhin anstarrte. Sie schrie während sie ihn vor sich sah. Blass und schlaff, irgendwer sagte, er sei tot. Tot, tot wie Felicitas. Ihre Freundin war in der Schlacht gestorben, so wie der Mann auch. Dann war er also ein Inferi oder ein Geist? Nein, er lebte noch, aber dann wäre er ja nicht tot gewesen. Er war ja auch nicht tot gewesen. Wieso glaubte sie das dann?
Resa schrie immer noch, als sie spürte, wie sie zurück in eine liegende Position gebracht wurde. Irgendwer drückte ihre Hand und rief dem Mann zu, er solle den Raum verlassen. Dieser Jemand war ihre Mutter. Der Mann machte sich auf den Weg.

Mit einem Schlag konnte Resa wieder klar denken. Sie war zurück in dem Krankenzimmer und hatte aufgehört zu schreien. „Nein", krächzte sie, vom Schreien schon wieder heißer. „Es geht schon wieder...". Ihre Mutter schaute sie zweifelnd an. Ebenso wie der Mann, Harry Potter hieß er. Aber was machte er hier? Wenn Resa nichts vergessen hatte, hatte sie mit dem berühmten Zauberer nichts zu tun. Zumindest wenn man von der Projektarbeit in der dritten Klasse absah. „Alte Erinnerungen...", murmelte sie zur Erklärung. Dann versagte ihre Stimme.

Harry schaute sie schuldbewusst an. Irgendwas von den Informationen in den Medien musste also stimmen. Viktoria meinte immer, dass die Hälfte davon aus der Luft gegriffen war und man bei manchen Journalisten nicht darauf vertrauen sollte die Wahrheit vorgesetzt zu bekommen. Apropos Viktoria, diese schob sich gerade an Harry vorbei in den Raum. Auch ihr standen Tränen in den Augen. Resa verstand nicht wieso sie alle weinten, so schlimm war das alles jetzt auch wieder nicht. „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt", erzählte Viktoria, während sie sich auf Resas Bett setzte. „Vater kommt so schnell er kann ebenfalls hierher". Resa nickte nur und versuchte die neuen Informationen zu verarbeiten. „Welchen Tag haben wir heute?", fragte sie dann. Irgendwas schien schließlich nicht zu stimmen. Es war schlichtweg zu hell. „Samstag, der 23. März", sagte Harry, der wohl mit dieser Frage gerechnet hatte. Sie hatte den kompletten restlichen Freitag und einen Teil des Samstages verschlafen. Wie konnte das passieren? Dies bedeutete auch, dass Resas Treffen mit Daniel bereits heute Abend war. Ob sie bis dahin wieder fit sein würde? Irgendwie bezweifelte sie das, weshalb sie sich vornahm später eine Eule zu Daniel zu schicken. Hoffentlich konnte sie sich irgendwo ein leihen...

In diesem Moment schien Viktoria aufzufallen, dass sich nicht nur Familienmitglieder im Raum befanden. Sie stand auf und gab ihrer Mutter das Zeichen ihr zu folgen. Dabei schaute sie zu Harry: „Sie wollen sicher mit meiner Schwester sprechen. Wir werden so lange einen Heiler suchen...". Sie zog ihre verdutzte Mutter mit sich aus der Tür und ließ diese hinter sich ins Schloss fallen.

Resa blieb mit Harry Potter im Zimmer zurück und überlegte, was nun kommen würde. Damit sie etwas zu tun hatte stemmte sie sich erneut etwas hoch um einen weiteren Schluck zu trinken. Das Wasser befeuchtete ihre Kehle und sorgte dafür, dass sie nun endlich auch wieder sprechen konnte. „Was wollen sie?", fragte sie und bemerkte dabei stolz, dass ihre Stimme wieder einigermaßen normal klang. Harry kam an ihr Bett und setzte sich auf den Stuhl, auf dem gerade noch ihre Mutter gesessen hatte. „Es ist so, dass...", begann der Zauberer zu erklären, aber Resa hörte nicht mehr zu.

Sie hatte soeben versucht ihre Position erneut zu verändern. Dabei war ihr etwas Elementares aufgefallen. Etwas, was ihr eigentlich hätte sofort auffallen müssen. Sie konnte ihre Beine nicht spüren!

Es wird besser werden - Die Wahrheit über die Ereignisse im Frühjahr 2000Where stories live. Discover now