Leon Goretzka & Julian Weigl

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POV Julian

Fassungslos, am Boden zerstört und verängstigt- dies beschrieb meine jetzige Lage und die der gesamten Mannschaft wahrscheinlich am besten. Mit Tränen in den Augen sah ich zur Süd-Tribüne auf. Die Fans pfiffen uns aus und versuchten auf's Feld zu gelangen, doch wurden von den Security-Leuten zurückgehalten. Sie waren alle wütend und enttäuscht nach unserem Spiel gegen Schalke, welches sich wie eine komplette Niederlage anfühlte, obwohl wir unentschieden gespielt hatte. Ich ließ meinen Blick weiter zum Schalker-Fanblock schweifen, wo ich meinen Freund Leon sah, welcher ausgiebig mit seiner Mannschaft und den mitgereisten Fans feierte. "Hey, Kopf hoch Kleiner", sagte Nuri, welcher sich zu mir gesellt hatte und versuchte mich aufzumuntern, obwohl er selbst komplett am ende zu sein schien. "Das wird schon wieder", versuchte Nuri mich zu überzeugen, doch er schien selbst nicht wirklich überzeugt von seiner Aussage und schenkte mir ein trauriges Lächeln. "Wie konnte das nur passieren? Wir haben doch 4:0 geführt?", fragte ich verzweifelt und schaute direkt in Nuris Augen, in welchen ich genau die Gefühle sah, die auch ich hatte. Trauer. Enttäuschung. Angst. Angst vor unseren eigenen Fans, die immer noch versuchten irgendwie auf's Feld zu kommen und wer weiß, was mit uns zu machen. "Ich weiß es nicht, es läuft einfach alles schief", erwiderte der dunkelhaarige.

Kurze Zeit später verließen wir, nach einem letzten Blick auf die feiernden Schalker, das Feld und machten uns auf den Weg in die Kabine. Dort war es bis auf das Prasseln der Dusche und das Rascheln von Klamotten komplett still. Niemand redete und alle schienen in ihre Gedanken vertieft zu sein. Jeder versuchte das Derby zu verarbeiten und Erklärungen für das Versagen der letzten Wochen zu finden. So schnell ich konnte zog ich mich um und ging nichtmal duschen, ich musste einfach raus aus dieser Kabine, mit der bedrückenden Stimmung und raus aus diesem Stadion, welches ich in letzter Zeit so ungern betrat. Ich zog mir die Kapuze meines schwarzen Kapuzenpullis tief ins Gesicht und hoffte inständig, dass ich keinem unserer Fans begegnen würde. Sie machten mir angst in letzter Zeit, jede Nacht vor einem Spiel bekam ich Alpträume und hatte Angst, das ich der Nächste sein würde, den sie für das verlorene Spiel verantwortlich mache würden.

Doch ich hatte großes Glück und schaffte es ohne irgendwelche Begegnungen zu meinem Auto und nach Hause. Ich wollte heute keinen mehr sehen, vor allem Leon nicht. Ich liebte diesen Jungen zwar mit allem was ich hatte, aber heute würde ich seine Anwesenheit nicht ertragen. Er würde mich nur an dieses schreckliche Derby erinnern und das war eigentlich noch schrecklicher als der ganze Hass der Fans. Ich wollte meinen eigenen Freund nicht mehr sehen, da er mich nur an die schreckliche Situation meines Vereins erinnerte. Aber wahrscheinlich würde er mich heute eh vergessen und mit seiner Mannschaft den indirekten Sieg feiern.

Zuhause ließ ich mich augenblicklich auf mein Bett sinken und ich fischte mein Handy aus meiner Hosentasche. Wie automatisch öffnete ich die Twitter-App, welche mich immer wieder runterzog. Ich konnte es einfach nicht lassen, mir die ganzen Kommentare der Fans zum Spiel durchzulesen, die ganzen Beleidigungen und den ganzen Hass. Es war wie eine Droge. Es zerstörte mich innerlich und trotzdem konnte ich es einfach nicht lassen, mir ständig diese ganzen Tweets durchzulesen. Dabei fielen mir immer wieder Kommentar ins Auge die mich, einen meiner Teamkollegen oder unseren trainer beleidigten oder verhöhnten. Mit jedem Kommentar, den ich zum Derby las, rollten mir mehr Tränen über die Wange und mein Herz tat immer mehr weh. Was war bloß aus unserer Mannschaft in letzter Zeit geworden? Was war mit den Fans passiert? "Echte Liebe", das ich nicht Lache, das war keine "Echte Liebe." Das, was im Moment zum größtenteils von den Fans kam, fühlte sich eher wie "Echter Hass" an.

Kraftlos ließ ich mein Handy neben mich fallen und fing hemmungslos an zu schluchzen. Diese ganze Situation machte mich einfach komplett fertig und ich hatte im Moment einfach keine Kraft mehr, das alles zurückzuhalten. Mehrere Male klingelte mein Handy, doch ich guckte noch nicht einmal auf's Display, da ich dem Moment einfach mit keinem sprechen konnte und wollte. Irgendwann fing es plötzlich an zu klingeln und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich wusste nicht wieviel zeit vergangen war, vielleicht waren es nur ein paar Minuten in denen ich einfach nur weinend in meinem Bett lag, vielleicht aber auch Stunden. Das Klingeln wurde immer penetranter und zusätzlich hörte ich kurze Zeit später auch noch ein Klopfen. Genervt zog ich mir die Decke über den Kopf und hoffte inständig, das derjenige, der gerade vor meiner Tür stand bald gehen würde. Doch leider schien es mein Glück heute einfach garnicht gut mir mir zu meinen, denn kurze Zeit später hörte ich das Klappern eines Schlüssels, gefolgt von Schritten. Das konnte nur Leon sein, er war der einzige, der einen Schlüssel zu meiner Wohnung hatte. Entnervt schlug ich die Decke wieder zurück und setzte mich aufrecht hin. "Warum hast du die Tür nicht aufgemacht Babe? Ich hab mir schon sorgen gemacht...",doch weiter kam Leon nicht, denn gerade als er seinen Satz beenden wollte, trat er in mein Schlafzimmer und sah wie ich, wie ein Häufchen Elend auf meinem Bett saß.

"Scheiße Jule", rief mein Freund aus und eilte zu mir. Ich musste wahrscheinlich aussehen wie ein Stück scheiße. Meine Augen waren von dem ganzen weinen wahrscheinlich komplett rot und verquollen und ich spürte, dass meine Wangen immer noch nass waren. Leon setzte sich neben mich und wollte mich in seine Arme ziehen, doch ich wehrte mich. "Lass mich einfach in Ruhe Leon." Ich wusste nicht, wo diese plötzliche Wut herkam und ich wusste auch, dass es komplett ungerecht von mir war, dass ich nun an Leon meinen kompletten Frust rausließ, aber ich konnte in dem Moment einfach nicht anders. Mein Freund schaute mich nur verwirrt an und fragte:"Was ist denn los?" Hysterisch fing ich an zu lachen, woraufhin Leons Blick nur noch besorgter wurde. "Was los ist? Du fragst wirklich, was los ist? Wir spielen uns seit Wochen den größten Müll zusammen, verlieren so gut wie jedes Spiel und dann haben wir in diesem scheiß Derby nach einer 0:4 Führung drei Punkte verschenkt", rief ich und sprang auf. Leon bleib sitzen und musterte mich ruhig. "Und zu allem Überfluss sind unsere Fans im Moment unsere schlimmsten Hater und jedes Spiel wird mindestens einer von uns komplett runtergemacht. Ich ertrag das nicht mehr Leon, jedes Mal hab ich angst, dass ich der Nächste bin. Am Anfang der Saison habe ich mich noch gefreut endlich die gelbe Wand wiederzusehen, heute war sie mein größter Angstgegner." Erschöpft von meinem Ausbruch ließ ich mich nun zu Boden gleiten und erneut liefen mir große Tränen die Wangen runter. Leon ließ sich neben mich auf den Boden fallen und zog mich erneut in seine Arme. Dieses Mal ließ ich es zu und ließ alles raus, während mir Leon beruhigend über den Rücken strich und sein Kinn sanft auf meinem Kopf ablegte. So verharrten wir mehrere Minuten auf dem Boden, ohne ein Wort zu sagen. Die einzigen Geräusche, die man vernehmen konnten, war mein Schluchzen und Leons regelmäßiger Atem.

Als ich mich langsam beruhigt hatte, löste ich mich leicht von Leon, sodass ich ihm in die braunen Augen schauen konnte. "Es tut mir leid, das ich dich so angefahren habe", sagte ich reuevoll. "Nein, mir tut es leid, ich hätte direkt nach dem Spiel für dich da sein sollen und nicht erst mit den Jungs feiern sollen. Außerdem hast du mir so endlich mal von deinen Sorgen erzählt Jule. Seit Wochen bist du nicht mehr du selbst. Du bist immer ruhiger geworden und hast immer weniger gelächelt, ich hab mir so verdammt Sorgen um dich gemacht. Warum hast du mir nie etwas von deinen Ängsten erzählt? Du weißt, dass ich dich liebe und dass ich immer für dich da bin. Ich möchte dir helfen und dir in jeder Lebenssituation zur Seite stehen, aber das geht nur, wenn du mich auch an dich ranlässt",sagte Leon liebevoll, aber ich hörte einen leichten Vorwurf in seiner Stimme, welchen er versuchte zu verbergen. Beschämt ließ ich den Kopf hängen. "Es tut mir leid Leon, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist in letzter Zeit, aber die ganzen letzten Wochen sind mir so nah gegangen und dann noch dieser ganze Hass der Fans, ich weiß auch nicht." Leon gab mir einen sanften Kuss auf die Wange. "Das wird schon wieder Babe, immerhin seid ihr eine der besten Mannschaften Deutschlands. Außerdem kommt nach jedem Tief auch wieder ein Hoch, klar ist die momentane Situation sehr schwer und belastend, aber ihr werdet euch daraus kämpfen und wieder zu alter Stärke zurückfinden. Und außerdem ist es eine Frechheit, wie diese ganzen "Fans" mit euch umgehen. Jule, das sind keine Fans und die haben anscheinend auch alle nicht kapiert wie Fußball funktioniert. Eine Mannschaft gewinnt zusammen, aber verliert auch zusammen. Da kann man sich keine einzelnen rauspicken, es ist eine Mannschaftsleistung. Echte Fans sollten in einer Krise zu ihrem Verein stehen und den Spielern Mut machen, statt sie durch Pfiffe und anderes komplett zu verunsichern und noch mehr zu verängstigen", sagte Leon wütend. Nach seinen Worten fühlte ich mich wenigstens schon ein bisschen besser, doch gleichzeitig schämte ich mich auch dafür, dass ich diesen wundervollen Menschen heute nach dem Derby komplett von mir stoßen wollte. Das hatte er einfach nicht verdient und ich wusste auch nicht, wie ich so einen liebevollen und unterstützenden Freund verdient hatte. "Leon?", fragte ich. Der Angesprochene hob den Kopf und ich schaute ihm tief in die fragenden braunen Augen. "Danke für alles", flüsterte ich.

Ich weiß ganz ehrlich nicht, was ich zu diesem Derby sagen soll. Dazu fehlen mir wirklich die Worte. Es war...krass. Ich kann echt keine Worte dafür finden, aber ich denke, dass meine Meinung durch den OS auch so einigermaßen klar wird

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