Epilog

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„Hast du auch alles, mein Schatz?", frage ich meine Tochter Amelia zum letzten mal und sie nickt aufgeregt.

„Ich werd dich vermissen, Mama", sagt sie und schlingt ihre Arme um mich. Ich kann es kaum glauben. Vor elf Jahren war sie noch ein kleines Bündel, das sich ständig die Seele aus dem Leib schrie und jetzt ist sie schon so groß und geht das erste Mal nach Hogwarts. Zu gut erinnere ich mich an meinen ersten Schultag, die erste Fahrt im Hogwartsexpress und die Häuserzuteilung des Sprechenden Huts. Das letzte mal drücke ich sie fest an mich, dann löse ich mich schweren Herzens von ihr und sehe zu, wie sie sich ihrem Vater zu wendet.

„Mach keinen Unsinn und schreib uns so früh wie möglich", ermahnt er sie.

„Gleich heute Abend", füge ich hinzu.

„Mach ich", verspricht sie und Daniel drückt sie fest an sich und gibt ihr einen Kuss auf den Scheitel.

„Viel Spaß, meine Kleine." Sie gibt mir noch einen letzten Kuss auf die Wange, dann hüpft sie leichtfüßig die Treppen herauf, schnappt sich ihren Koffer, den Daniel vorher schon herauf gehievt hatte und verschwindet mit einem letzten Lächeln im Inneren des Zuges. Schwermütig seufze ich und Daniel legt einen Arm um mich.

„Sie wird eine tolle Zeit haben", murmelt er und ich nicke. Der Zug pfeift, die Türen schließen sich und in gewaltigen Dampfwolken setzt sich der Zug langsam in Bewegung. Wir bleiben stehen, bis der Zug aus unserer Sichtweite verschwunden ist und der Bahnsteig sich langsam leert. Dann laufen auch wir langsam zum Tor, das uns zurück in die Mugglewelt bringen wird. Kurz bevor wir hindurch gehen, fällt mein Blick auf eines der Plakate, die an den Säulen hängen. Mit wahnsinnigen Augen und einem durchgedrehten Lachen im Gesicht starrt meine Jugendliebe mich an und ein Schauer überfährt mich. Natürlich habe ich mitbekommen, dass Sirius aus Askaban entkommen ist, doch bei der Aufregung und den Vorbereitungen auf Amelias erstes Jahr auf Hogwarts, habe ich es erfolgreich verdrängt.

„Kommst du?", fragt Daniel und sein Blick folgt meinem bis zu dem Plakat. Sein Griff um meine Schulter wird fester.

„Er ist nicht der, den du zu kennen glaubst", murmelt er und will mich weiter ziehen, „er ist ein Todesser, ein sehr brutaler noch dazu."

„War ich das nicht auch?", erwidere ich leise.

„Aber du wurdest verflucht."

„Woher willst du wissen, dass er das nicht auch wurde?" Daniel seufzt.

„Komm schon, Joline." Ich wende dem Plakat den Rücken zu und wir betreten die Welt der Muggle.

Kurz bevor wir bei unserem Auto ankommen, löse ich mich von Daniel und bleibe stehen.

„Ich muss noch zu Harrods, einkaufen. Wir haben kaum noch Milch und Käse und außerdem wollte ich doch noch für morgen backen. Geh schon mal vor, ich apperiere dann später nach Hause."

„Okay. Kannst du auch noch ein bisschen Gemüse kaufen? Ich wollte morgen so einen Auflauf machen, wenn die Forsters kommen."

„Klar, mach ich." Er beugt sich zu mir herunter und gibt mir einen Kuss.

„Bis später."

„Bis später." Er fährt mit dem Auto davon, während ich mich auf den Weg zur Fußgängerzone mache. Seit zwölf Jahren sind Daniel und ich jetzt schon verheiratet und wir sind sehr glücklich. Nachdem er zu Mrs. Covault kam und wir geredet haben, bin ich bei ihm eingezogen. Zwei Jahre lebten wir in seinem Elternhaus als Freunde und haben es gemeinsam renoviert. Irgendwann haben wir uns erst wieder lieben gelernt und kurz darauf beschlossen zu heiraten. Es ist eine überstürzte Hochzeit gewesen, drei Monate nach unserem ersten Kuss seit der Trennung damals in der Schule, doch ich bereue sie kein bisschen. Es war eine der wenigen guten Entscheidungen gewesen, die ich in meinem Leben getroffen hatte. Die Hochzeit hatte in kleinem Kreis stattgefunden, bei uns zuhause. Mrs. Covault, Elliot, Albert, Der Idiot und sogar Mr Spencer sind gekommen, noch heute habe ich viel Kontakt zu ihnen. Außerdem kamen noch einige von Daniels alten Schulfreunden und ein paar Nachbarn. Von unseren Familien lebt niemand mehr. Wir haben in unserem Garten gefeiert mit vielen Blumen und Kerzen und gutem Essen von Mrs. Covault. Ein Jahr später kam Amelia auf die Welt. Ein zweites Kind haben wir uns auch gewünscht, doch leider hat es nie funktioniert und so bleibt es nun bei Amelia, unserem kleinen Engel.

Als ich mit großen Tüten in der Hand das Harrods verlasse und in eine abgelegene Gasse zum aparteren schlendere, sehe ich überall Sirius' Fahndungsplakate. Seine Augen scheinen mich anzustarren und mich überall hin zu verfolgen und ich laufe immer schneller. Als ich in einem alten, dreckigen Hinterhof ankomme, erstarre ich. Ein riesiger, schwarzer Hund wühlt in den Müllsäcken, die an einer Hauwand liegen. Gierig reißt er sie auf und durchsucht den Inhalt systematisch nach etwas Essbarem. Als er eine Banane findet, legt er sie beiseite und sucht wieder. Es ist, als würde er sich menschlich verhalten. Zu menschlich für einen echten Hund. Langsam gehe ich auf den Hund zu.

„Sirius?", frage ich leise und mit zitternder Stimme. Der Hund erstarrt in seinen Bewegungen und dreht sich langsam, wie von Donner gerührt um. Als er mich sieht, zuckt er zusammen und weicht zurück. Mehrere Sekunden herrscht Stille und der Hund und ich sehen uns stumm in die Augen. Dann, von einer Sekunde auf die nächste, steht er vor mir. Sirius Black, meine erste große Liebe, Mörder und Verräter meiner besten Freunde. Ich lasse die Tüten fallen und weiche ein paar Schritte zurück, als mir klar wird, wer da wirklich vor mir steht und was dieser Mensch getan hat.

„Du hast...", flüstere ich und breche ab. Sein Gesicht wird verzweifelt, fast schon flehend und er macht ein Schritt auf mich zu.

„Ich habe Lily und James nicht getötet, Joline, das musst du mir glauben." Er sieht aus wie ein Obdachloser mit wildem Bart, schmutziger Haut und Dreck in den ungepflegten Haaren. Und er stinkt wie die Hölle.

„Bitte, Joline, du kennst mich, du weißt das ich niemals meine Freunde verraten würde, dass ich mich niemals Voldemort anschließen würde, genauso wie ich von dir weiß, dass du all diese grauenhaften Taten, die Voldemort dich hat tun lassen, niemals aus freien Willen heraus tun würdest." Noch immer sage ich nichts, sondern betrachte die armselige, dreckige, heruntergekommene Kreatur vor mir, die aus dem einst hübschen und ansehnlichen jungen Mann geworden ist.

„Du warst doch auch mal in der Situation, in der ich jetzt bin, du müsstest doch wissen, wie das ist. Bitte, sag doch was", fleht er.

„Ich...",bringe ich heraus, dann vergesse ich den Schmutz an seinen Kleidern und seinen Gestank, stürze auf ihn zu und schließe ihn in die Arme. Er klammert sich an mir fest, wie an einen Rettungsring. Gefühlte Stunden stehen wir in dem schmutzigen Hinterhof und umarmen uns, selbst wenn es in Wirklichkeit nur ein paar Sekunden sind.

„Es war Peter", flüstert er in mein Ohr, „Peter war es die ganze Zeit, er hat Lily und James verraten, dieser miese, dreckige Verräter. Ich muss nach Hogwarts. Ich muss Harry vor ihm beschützen." Ich löse mich von ihm, greife in meine Tüten und gebe ihm alles Essbar, was ich finden kann.

„Geh" antworte ich leise und stecke ihm noch ein paar Münzen zu, „und schreib mir. Bitte." Als ich mich abwende,um zu apperieren, hält er meine Hand fest und betrachtet meinen Ehering.

„Du hast geheiratet."

„Ja, Daniel. Er hat mir geholfen, mich wieder zu resozialisieren nach dem was... passiert ist." Sirius nickt.

„Erzähl ihm nicht, dass wir uns getroffen haben."

„Du traust ihm nicht."

„Werd ich nie. Er hat mir mein Mädchen jetzt endgültig weggeschnappt." Für einen Moment erscheint das verschmitzte Grinsen auf seinem Gesicht wieder und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Wir sehen uns in die Augen, ich muss lächeln und für eine Sekunde fühle ich mich wieder jung und verliebt, wie damals. Dann ist der Moment vorbei und er wendet sich ab.

„Viel Glück", sage ich noch, dann apperiere ich.


Dreimal Klischee zum Mitnehmen, bitteWhere stories live. Discover now