6

1.1K 73 2
                                    

Als ich endlich von den hysterischen, pubertären Furien befreit werde, ist es schon Zeit für das Abendessen. Kurz vor der Großen Halle fängt Sirius mich ab.
„Hast du vielleicht Lust heute bei uns am Tisch zu sitzen? Ich glaube da sind weniger Fans von mir." Ich sehe kurz zu Amelie, die ungeduldig mit einem Haufen kichernder "Sirius-Fans" wartet. Um ehrlich zu sein, habe ich weder Lust auf Amelies pessimistischen Prophezeiungen was unsere Wette anbelangt, noch auf Fragen wie:„Wie oft habt ihr euch geküsst?", „Wo hab ihr euch geküsst?" und „Hat er mich mal erwähnt?". Und so schlimm sind die Rumtreiber jetzt auch wieder nicht. Also nicke ich und gehe unter den neugierigen Blicken der ganzen Schule zum Griffendortisch.
Im Laufe des Frühstücks fällt mir auf, dass Potters Geschwärme über Evans doch nicht so penetrant ist und Lupin auch nicht durchgängig klugscheißert. Nur Sirius Witze sind selbst auf den zweiten Blick genau so schlecht wie davor. Ich lache trotzdem darüber. Sonst krieg ich ihn ja nie rum.
Nach dem Frühstück gehe ich zu meinem "Slytherin-Pack", wie Potter es genannt hat, und lasse mich bewundern, dass ich, eine Slytherin, Sirius Black, den größten Slytherin-Hasser, rumgekriegt habe. Naja, so ganz rumgekriegt habe ich ihn ja noch nicht, wir haben uns schließlich nicht einmal geküsst. Aber immerhin hatten wir schon ein Date. Und ich habe mich mit ihm unterhalten, ohne dass er mich beleidigt, was im Gegensatz zu den anderen aus meinem Haus, ein großer Unterschied ist.

Die nächste Woche verbrinngee ich im Wechsel mit Amelie und Michael oder mit Sirius und dem Rest von seiner Sippe.
Heute ist wieder Freitag, das bedeutet das zweite Nachsitzen bei McGonnagal.
Ich treffe Sirius gleich nach dem Abendessen und wir gehen gemeinsam zu ihrem Büro.
„Ich freue mich ja wirklich, dass Sie beide sich trotz der Rivalitäten zwischen Ihren Häusern angefreundet haben, aber könnten Sie Ihre Tätigkeiten bitte darauf beschränken, was in Hogwarts nicht gegen die Regeln verstößt", sagt McGonnagal während sie uns in die Kerker führt, wo wir Kessel schrubben sollen.
Dieses Mal verzichten wir auf eine Wischlappen- und Wasserschlacht und versuchen uns an alle Regeln zu halten. Naja, wir versuchen es wenigstens. Dass Sirius etwas aus Slughorns Büro mitgehen lässt und eine selbstgebaute Stinkbombe und den Lehrerpult befestigt, kann man ja außer Acht lassen.
„Eine Stinkbombe? Ernsthaft?", lache ich, während wir die Treppen hochlaufen,„wir sind nicht mehr in der zweiten Klasse."
„Man kann nie kindisch genug sein", erwidert er grinsend.
„Spielst du eigentlich Quidditch?", fragt er plötzlich und mein Lächeln verschwindet. Mein einziger Schwachpunkt. Hier kann ich nicht mehr so stark und unnahbar sein, wie ich sonst immer tue.
„Ich hab Höhenangst", nuschele ich leise mit heißen Wangen. Sirius versteht es leider trotzdem.
„Du wirst ja rot. Wie süß! Habe ich gerade Louise Prestons Schwachstelle gefunden?"
„Sieht wohl so aus."
„Unglaublich!" Ich muss lachen.
„Niemand hat keine Schwachstellen", sage ich,„was ist deine?" Auf einmal verschwindet seine gute Laune und es herrscht kurz Stille zwischen uns.
„Letztes Jahr", beginnt er,„bin ich von meiner Familie abgehauen." Überrascht sehe ich ihn an. Ich dachte immer, er hätte das perfekte Leben und alles würde ihm in den Schoß geworfen. Ich kenne zwar seine Cousinen und ihre Einstellung gegenüber Muggle, aber ich wusste nicht, wie stark das in seiner Familie ausgeprägt ist.
„Ich hab's einfach nicht mehr ausgehalten, das ganze Gerede von Voldemort und Schlammblütern, besonders von meinem Bruder. In den Ferien wohne ich bei James. Meine Mutter hat mich enterbt und Bellatrix reibt mir unter die Nase, dass meine Mutter mich aus unserem Familienstammbaum heraus gebrannt hat, wann immer sie kann. Ich bin jetzt also ein familienloser Mensch." Er grinst leicht, um die Situation etwas aufzulockern.
„Tut mir leid, ich...", stammele ich gespielt bestürzt,„du musst nichts erzählen, wenn du nicht willst." Einen auf einfühlsam machen, kommt bestimmt gut bei Männern an.
„Nein, ist schon okay." Er lächelt schief. „Ich vertraue dir." Bei diesen drei harmlosen Wörtern spüre ich auf einmal einen Stich in der Brust. Er vertraut mir. Er vertraut mir, und ich benutze ihn für eine Wette. Plötzlich erkenne ich, was für ein egoistisches Miststück ich eigentlich bin. Bisher habe ich das alles eigentlich ziemlich objektiv gesehen und kaum Emotionen dabei gehabt. Es war mir egal, was er empfinden würde, wenn ich alles auffliegen lasse. Ich habe mich manchmal hinter seinem Rücken mit Amelie über ihn lustig gemacht, dass er so einfach auf mich reinfällt. Nie habe ich in Erwägung gezogen, dass er vielleicht auch etwas empfinden könnte. Und da spüre ich mein schlechtes Gewissen. Es kommt leise und beißend angeschlichen und setzt sich in meinem Kopf und in meiner Brust fest. Ich atme einmal tief ein und aus und schüttele verwirrt den Kopf. Seit wann denke ich so einen Unsinn? Das ist doch nur Black.
Ist doch scheißegal was der fühlt. Hauptsache du kriegst, Anerkennung, fünfzig Galeonen und siehst feixend zu wie sich Amelie an Malfoy ranmachen muss.
„Alles okay?", fragt Sirius.
„Ja, ja alles gut." Ich lächele und er erzählt weiter.
„Früher hatte ich ein gutes Verhältnis zu meinem Bruder. Er war mein kleiner Schützling. Ich hab ihm alles beigebracht, was ich konnte. Einmal hat er versucht auf einen Besen zu steigen und zu fliegen, so wie ich es auf meinem Spielzeugbesen getan habe. Da war ich sieben und er fünf. Leider hat er sich den Besen meines Vaters ausgesucht, der natürlich viel zu groß für ihn war. Er schwang sich drauf, stieß sich ab und flog direkt gegen mein Zimmerfenster und ist abgestürzt." Bei der Erinnerung daran muss er lächeln.
„Ich bin sofort rausgerannt, um zusehen was mein kleines Brüderchen mal wieder für eine Scheiße baut. Dann hab ich mich hinter ihn gesetzt und ihm gezeigt, wie ich es auf meinem Spielzeugbesen immer mache. Wir sind sogar einmal um den Garten geflogen. Dann hatten wir eine Bruchlandung im Apfelbaum unserer Nachbarn. Mein Vater musste uns mit einem anderen Besen herunter holen, weil wir uns nicht trauten und so geschrien haben." Plötzlich verschwindet das Lächeln auf seinem Gesicht und sein Mund nimmt einen bitteren Zug an.
„Heute wäre mein Bruder sich viel zu fein für so etwas. Er würde mich nur verächtlich ansehen und sagen, dass ich Blutsverräter mich zu meinen minderwertigen Schlammblütern-Freunden verpissen soll." Ich weiß nicht, wie ich auf die folgende Idee gekommen bin. Vielleicht weil er so verloren aussieht, oder weil er vielleicht gerade Ablenkung braucht. Jedenfalls gehe ich einen Schritt nach vorne, umfasse sein Gesicht mit den Händen und küsse ihn auf dem Mund. Kurz erstarrt er überrascht, dann erwidert er den Kuss nicht gerade zaghaft.
Als wir uns wieder lösen grinst er.
„War das jetzt ein Mitleids-Kuss?"
„Vielleicht. Keine Ahnung."
„Was auch immer es bezwecken sollte, es hat auf jeden Fall funktioniert." Ich muss lächeln. Auch wenn ich gerade den größten Vollidioten, den schlechtesten Witze-Macher und den Anführer der Slytherin-Hasser geküsst habe.
„Darf ich noch mal?", fragt Sirius und ohne auf eine Antwort zu warten geht er einen Schritt zu mir und küsst mich wieder. Irgendwann spüre ich die Wand an meinem Rücken. Ich muss sagen, er küsst gut. Sehr gut, sogar. Er übertrifft sogar Edward Zabini und der war bis jetzt wirklich der Beste.
„Miss Preston? Mr Black?", hören wir irgendwann McGonnagals Stimme hinter uns. Erschrocken fahren wir auseinander.
„Wie gesagt, ich freue mich, dass Sie sich so gut verstehen, aber ich muss Sie bitten, das auf morgen zu verlegen. Die Sperrstunde hat bereits begonnen." Ich grinse belustigt. Das ist jetzt schon das fünfte oder sechste Mal, dass sie mich beim Knutschen nach der Sperrstunde erwischt und sie sagt jedes Mal das Selbe.
„Ja, Professor McGonnagal", murmeln wir und werfen uns noch einen letzten amüsierten Blick zu, bevor wir uns auf dem Weg zu unseren Gemeinschaftsräumen begeben.

Dreimal Klischee zum Mitnehmen, bitteTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang