XV

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Am nächsten Morgen werde ich vom heftigen Regen, der gegen meine Fensterscheibe fällt geweckt. Stöhnend sehe ich auf die Uhr. 5:02. Mit einem schlaftrunkenen Grummeln lasse ich mich in mein Kissen zurück fallen und schließe die Augen, doch Einschlafen ist wegen der lauten Geräuschkulisse so gut wie unmöglich. Also stehe ich auf und gehe ins Wohnzimmer. Ich nehme mir ein Buch und setze mich aufs Sofa.

„Auch schon wach?", höre ich irgendwann eine Stimme und sehe von meiner Lektüre auf.
„Wow, du hast dich nicht erschreckt", sagt Sirius und grinst,„du machst Fortschritte."
Er setzt sich neben mich und sieht aus dem Fenster.
„Scheiß Wetter."
„Regen ist völlig unterbewertet", erwidere ich und senke meinen Blick wieder auf das Buch. Er lächelt nur und sieht mich unverwandt an.
„Hör auf mich so anzustarren", fahre ich ihn irgendwann genervter, als beabsichtigt, an. Doch ich habe nicht vor mich wie sonst dafür zu entschuldigen. Er soll wissen, dass ich auch anders kann.
„Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du hübsch bist?", fragt er immer noch lächelnd und mein Gemeckere ignorierend.
„Was wird das?", entgegne ich misstrauisch. Er beantwortet meine Frage nicht und steht auf.
„Komm", sagt er,„wir gehen raus."
„Sirius, es ist halb sechs am Morgen, es regnet in Strömen und wir sind beide noch nicht richtig angezogen." Er verdreht die Augen.
„Dann zieh dir halt was an, ist doch kein Drama."
„Und was machen wir draußen?"
„Du bringst mir bei den Regen zu mögen."

„Jetzt kippen die Engel ihre Badewannen aus", flüstere ich, als ich fertig angezogen mit Sirius im Türrahmen stehe und nach draußen, in den strömenden Regen schaue.
„Was?", fragt er. Auch er hat sich Alltagsklamotten angezogen und streckt jetzt eine Hand auf, um ein paar Tropfen aufzufangen.
„Vergiss es." Ein paar Sekunden stehen wir schweigend nebeneinander und starren die tropfenden Bäume und Blätter an.
„Okay, jetzt los", sagt er plötzlich, nimmt meine Hand und zieht mich in den Regen. Im nu sind unsere Haare klitschnass. Erst bin ich etwas steif und unsicher, doch als ich das Wasser auf meinen Armen und meinem Gesicht spüre und das nasse Gras rieche überkommt mich ein Gefühl von tiefer Geborgenheit und Euphorie und auf meinem Gesicht breitet sich ein riesiges Lächeln aus.
„Komm mit", sage ich und führe ihn in das kleine Waldstück neben unserem Haus. Meine Hand hat er immer noch nicht losgelassen, doch ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern. Obwohl er Liza's Freund ist. Und obwohl ich mich schuldig fühle, weil ich etwas für ihn empfinde. Was auch immer das für ein Gefühl ist, es ist schön. Und gleichzeitig schrecklich.

„Hier", sage ich schließlich, als wir bei meinem Ziel angekommen sind und bleibe stehen. Vor uns erstreckt sich eine Lichtung mit einem kleinen Weiher, dessen Oberfläche, wegen des Regens wild auf und ab tanzt. Das Regenwasser rauscht durch die Bäume und man hört nur das stetige platschen, wenn ein Tropfen auf die Oberfläche des Weihers fällt. Es riecht nach Gras und frischer Luft und obwohl man den Sonnenaufgang, wegen der dicken Wolken, nicht sehen kann, spürt man die besondere Atmosphäre am frühen Morgen. Als würde alles, die Bäume, die Vögel, das Gras aus dem Schlaf erwachen.
„Wow", sagt Sirius, nachdem wir eine Weile stumm und Hand in Hand den Weiher betrachtet haben.
„Ich fange an, deine Vorliebe für Regen nachzuvollziehen." Ich betrachte nur weiterhin den Weiher.
„Der Schein trügt", erwidere ich lächelnd, lasse seine Hand los, obwohl alles in mir dagegen protestiert und hocke mich an das Ufer. Unter der Oberfläche, befindet sich nur wenig Wasser, das meiste ist Schlick und Schlamm. Plötzlich kommt mir eine Idee und ich grinse diabolisch. Ein bisschen Mut und Selbstbewusstsein zeigen, schadet sicher nicht. Ich greife in den Weiher und hole eine Hand voll Schlamm heraus. Sirius kann es nicht sehen, da ich mit den Rücken zu ihm hocke. Blitzschnell drehe ich mich um und werfe den Schlamm in seine Richtung. Ich treffe ihn mitten auf der Brust. Kurz sind wir beide still, wieder hören wir nur den Regen. Der Schlamm wird zwar schnell von Sirius abgewaschen, aber der überraschte Gesichtsausdruck bleibt.
„Da ist kein Wasser", sagt Sirius dann langsam und ich nicke.
„Da ist Schlamm." Wieder nicke ich und muss mir das Lachen unterdrücken. Langsam geht Sirius zu mir und hockt sich neben mich. Mit einer Vorahnung, was er als nächstes machen wird, weiche ich zurück, doch zu spät. Sirius Schlammladung trifft mich am Arm. Lachend greife ich wieder in den Weiher und werfe mit zwei Händen zurück, so dass sein Gesicht und seine Arme voller Matsch sind. Seine Antwort lässt natürlich nicht lange auf sich warten und eine wilde Schlammschlacht entsteht, bei der manchmal auch Gras und Blätter im Spiel sind. Mit mehreren Fuhren Gras-Matsch Mischung treibt Sirius mich schließlich rückwärts zurück. Ich bemerke nicht, das ich dem Ufer immer näher komme und werde erst darauf aufmerksam, als es schon zu spät ist. Mit einem erschrockenen Aufschrei lande ich im Weiher und tauche über und über mit Schlick beschmiert wieder auf.
„Du Arschloch", rufe ich Sirius zu, muss aber lachen. Er steht direkt vor mir am Ufer und lacht sich halb tot. Sofort ergreife ich meine Chance, schnappe mir sein Bein und ziehe es ihm weg. Sofort stolpert zur Seite und während er fällt, ziehe ich ihn ein wenig in meine Richtung, so dass er mit dem Gesicht voran im Weiher landet.
Als er prustend wieder auftaucht, müssen wir beide so lachen, dass uns die Luft weg bleibt.
„Das war so klar", sagt Sirius und lacht wieder.
Plötzlich ist er mir näher als mir lieb ist und sofort werden wir beide ernst. Er hebt langsam die Hand und streicht eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.
„Sirius", flüstere ich,„ich glaube nicht, das Liza das hier so toll findet." Er kommt mir noch ein wenig näher, sodass unsere Nasenspitzen sich fast berühren.
„Können wir Liza für einen Augenblick vergessen?", flüstert er zurück.
„Sie ist meine beste Freundin, ich kann nicht-" Mitten im Satz breche ich ab, weil ich Sirius Lippen auf meinen fühle und seine Hände in meinen Haaren. Und ab da, kann ich mich nicht mehr wehren. Es ist nicht mein erster Kuss, aber es ist das erste mal, das ich so stark für jemanden empfinde und es ist ein wunderbares Gefühl. Für einen Moment.

Sobald wir uns wieder lösen, schiebe ich ihn ein bisschen weg und steige eilig aus dem Weiher.
„Rose! Was ist los?", ruft er und läuft mir hinterher.
„Du bist mit Liza zusammen und sie ist glücklich mit dir. Das eben hätte nie passieren dürfen. Sie wird mir das nie verzeihen. Oh Gott, wenn sie das heraus findet, sie wird mich umbringen"
„Rose", sagt er nur,„bitte bleib stehen." Ich drehe mich zu ihm um.
„Ich werde mit ihr Schluss machen. Es würde mit uns nicht funktionieren, nicht wenn du..." Er lässt den Satz unausgesprochen in der Luft hängen.
„Was?" Erschrocken reiße ich die Augen auf.
„Du darfst nicht mit ihr Schluss machen! Sie ist so glücklich. Merkst du nicht, dass sie wirklich etwas für dich empfindet? Merkst du nicht wie gut du ihr tust?" Das Liza sich seinetwegen zur schadenfrohen, arroganten, höhnischen Schlampe verwandelt hat, muss er ja nicht wissen. Das würde ihn wahrscheinlich nur noch in seinem Vorhaben bestärken.
„Und ich? Soll ich etwa nicht mit jemandem zusammen sein der mir gut tut? Soll ich etwa nicht glücklich sein? Denn mit ihr werde ich auf Dauer bestimmt nicht glücklich. Sie ist doch wie alle anderen Mädchen. Sie ist nur so eine, die sich an mich ranmacht, um später von sich behaupten zu können, sie hätte mit mir geschlafen. Ich hab nur noch nicht mit ihr Schluss gemacht, weil sie echt gut im Bett ist und es einigermaßen angenehm ist, Zeit mit ihr zu verbringen. Sie hebt sich gar nicht von der Masse ab. Aber du..." Wieder bricht er mitten im Satz ab.
„Du empfindest nichts für sie?", frage ich ungläubig,„überhaupt nichts? Sie ist nur dein.. dein... Spaßobjekt? Du bedeutest ihr sehr viel. Ich weiß nicht genau wie viel, aber ich sehe doch, wie sie dich anschaut. Merkst du das denn gar nicht? Siehst du ihre Blicke nicht? Weißt du wie sehr du sie damit verletzen wirst? Nicht nur sie, sondern auch die ganzen anderen Mädchen, mit denen du was hattest, hast du verletzt. Hast du eine Ahnung, wie oft ein Mädchen aus meinem Haus heulend in den Gemeinschaftsraum kam, weil du mit ihr Schluss gemacht hast? Ich will nicht, dass es Liza genau so geht! Ich will nicht Schuld daran sein, dass sie weint. Liza weint sonst nie. Aber wenn sie deinetwegen anfängt zu heulen, dann kannst du dir sicher sein, das du einen gewaltigen Fehler gemacht hast." Zweifelnd sieht er mich an. Ich sehe förmlich wie er hin- und her gerissen ist. Der Regen fällt unerbittlich auf unsere Köpfe und so sehr ich das eigentlich liebe, wünsche ich doch es würde jetzt aufhören.
„Wir machen einen Deal", sagt er schließlich,„für diese eine Woche, die uns noch bleibt, können wir so tun, als wären wir zusammen. Und dann kannst du dir noch mal überlegen, ob wir nicht doch auch in der Schulzeit zusammen sein wollen. Wenn nicht, dann ist alles wie früher, sobald wir wieder im Hogwartsexpress sind. Wir vergessen diese Zeit und ich werde irgendwann aus einem anderen Grund mit Liza Schluss machen. So dass du nicht daran beteiligt bist. Oder es jedenfalls so aussieht." Ich denke nach. Warum eigentlich nicht? Ich würde für eine Woche das tuen, was mich glücklich macht. Was sich richtig anfühlt. Auch wenn es in Wahrheit falsch ist.
„Okay", sage ich und auf Sirius Gesicht breitet sich ein Lächeln aus. Mit zwei großen Schritten geht er auf mich zu, zieht mich näher an sich dran und küsst mich.
„Aber unter einer Bedingung", sage ich, als wir uns wieder lösen.
„Alles, was du willst."
„Liza wird nie, nie, niemals hiervon erfahren." Er lächelt.
„Natürlich nicht. Sonst wäre ich nur noch ein Haufen unzusammenhängender Gedärme und Hautfetzen." Ich muss lachen und er grinst.
„Siehst du, was ich meine?" Fragend runzele ich die Stirn.
„Nein."
„Andere Mädchen hätten jetzt angeekelt das Gesicht verzogen, aber du lachst. Das ist eins der Dinge, die dich besonders machen." Ich erröte leicht und muss lächeln. Und während er mich nochmal küsst, prasselt der Regen unermüdlich um uns herum und wir sind voller Schlamm und Dreck. All dies bekommen wir nicht mit. Wir sind nur für uns. Es gibt weder ein Gestern, noch ein Morgen. Es gibt nur das Hier und Jetzt.

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Ach, wie niedlich! Ich fürchte diese Geschichte ist noch kitschiger als die erste... Ich glaub, ich hab ein Faible für Schlammschlachten. Was denkt ihr? Findet ihr Sirius und Rose sind ein süßes Paar?
#Lirius oder #Rosius? Irgendwie klingen diese Pairings scheiße... Egal!

Vielen, lieben Dank an GryffxndorFxrever für die Votes und die Kommentare! (Du glaubst gar nicht, was für ein fettes Grinsen ich im Gesicht hatte, als ich es gelesen habe!)

Marie <3

Dreimal Klischee zum Mitnehmen, bitteWhere stories live. Discover now