21 - Von Schränken und Staubkörnern

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Ja, ich weiß, ich habe mich lange nicht gemeldet, aber ich hatte kaum noch Motivation für diese Story. 

Aber heute hat es mich irgendwie gepackt und ich habe mir ein Kapitel aus den Fingern gesogen

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Aber heute hat es mich irgendwie gepackt und ich habe mir ein Kapitel aus den Fingern gesogen. Ich hoffe, es gefällt euch (auch, wenn ich nicht Korrektur gelesen habe... Wer Fehler findet: Gerne melden!).  Ansonsten wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen!

Marie <3

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In den nächsten Tagen erlebe ich, wie eine Welt aus hilfloser Ohnmacht erwacht, aufersteht aus Trümmern und Schutt. Die Menschen feiern, der Krieg ist vorbei, der Tyrann verschwunden und das Leben wieder lebenswert. Der Schrecken ist vorüber. Während die Welt wie neugeboren ist, versinke ich in ein Loch, aus dem ich nur schwerlich heraus komme. Ich lebe von gestohlenen Lebensmitteln, die ich aus einem Muggle-Laden mitgehen lasse, wohne in einem zerstörten, unbewohntem Haus irgendwo am Stadtrand Londons. Meine Gedanken kreisen einzig und allein um diese Jahre, die ich nicht kontrollieren konnte, in denen ich nicht ich selbst war, sondern die Marionette des Dunklen Lords. In denen ich gemordet, gefoltert und Menschen abgeschlachtet habe. Jeden Tag frage ich mich erneut, ob ich mit der Schuld leben kann und jeden Tag stehe ich erneut vor der Entscheidung: Leben oder Sterben? Doch jedes Mal entscheide ich mich für Leben, ob aus Feigheit oder aus der Hoffnung, mein Leben doch noch zum Guten wenden zu können, weiß ich nicht. Vermutlich beides.

Im Schneidersitz sitze ich auf dem verschlissenen Sofa, das, mit Ausnahme eines dreibeinigen Tisches, der verkehrt herum auf dem Boden liegt, das einzige Möbelstück im Wohnzimmer ist. In meiner Hand halte ich eine dampfende Tasse Tee und eine löcherige Flickendecke, die ich unter dem Sofa gefunden hatte, ist um meine Schultern gelegt. Die Heizung ist kaputt und die schwache Novembersonne wärmt nur wenig. Mein Zauberstab liegt vor mir auf den Boden. Seit gefühlten Stunden starre ich das grauenhafte Ding an. Seit ich hier angekommen bin, habe ich ihn nicht wieder angerührt. Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, was er schon alles angerichtet hat.

Ein kühler Windstoß fegt durch die zerstörten Fenster und lässt mich frösteln. Zitternd stehe ich auf und gehe auf der Suche nach einer zweiten Decke die Treppe hoch. Hier, in den oberen Stockwerken, bin ich noch nicht oft gewesen. Die Treppe ist morsch und beinahe jedes Mal, wenn ich Anstalten gemacht habe, sie zu besteigen, knarrte und ächzte sie immer so sehr, dass ich es lieber gelassen habe. Die Zimmer sind schmutzig und in den Strahlen der aufgehenden Sonne tanzen die Staubkörner in der Luft. Bei jedem Schritt knarren die Dielenbretter unter meinen Füßen und die Decke, die ich wie einen Umhang um mich geschlungen habe, schleift auf dem Boden und hinterlässt eine feine Spur in der dicken Staubschicht. Vorsichtig betrete ich eins der Zimmer und sehe mich um. Es scheint mal ein Kinderzimmer gewesen zu sein. Ein paar Spielzeugautos liegen noch auf dem Boden, als wäre sie in Eile liegen gelassen worden. An der Wand hängt ein Plakat eines Quidditchvereins, den ich nicht kenne. Überrascht hebe ich die Augenbrauen. Ich habe nicht gewusst, dass hier Zauberer gewohnt hatten. Da das Haus beinahe vollständig geplündert wurde, sind dies nur eine der wenigen Dinge, die auf ehemalige Bewohner hinweisen. Da der Kleiderschrank gänzlich ausgeräumt wurde, tote ich wieder in den Flur und öffne die gegenüberliegende Tür. Wieder ist es ein Schlafzimmer, diesmal von einem etwas älteren Kind. An der Wand hängt ein Plakat mit dem Ravenclawwappen darauf und auf dem Nachttisch steht ein zerstörter Bilderrahmen. Sofort öffne ich den Kleiderschrank und hab Glück. Ein verschlissenes Männer-Flanellhemd liegt auf dem Schrankboden und ich ziehe es mir über. Es wärmt nicht besonders gut, aber es ist besser, als nichts. Langsam lasse ich den Blick durch das Zimmer schweifen.

Habe ich denjenigen, der hier wohnte vielleicht gekannt? Ist er mit mir in eine Stufe gegangen oder ein paar darunter? Habe ich mal mit ihm geredet oder einmal Blickkontakt gehabt? Was ist mit ihm und seiner Familie passiert? Sanft streiche ich mit der Hand über die nackte Matratzen und setze mich auf das Bett.

Das Schicksal ist unabwendbar, Glück und Frieden vergänglich und das Leben nicht mehr und nicht weniger als der Weg zum Tod. Selbst wenn diese Familie das Grauen des Krieges überlebt haben sollte, werden die grauenhaften Bilder sie dennoch verfolgen und ihnen einige schlaflose Nächte bereiten. Vielleicht haben sie es aber auch rechtzeitig geschafft. Vielleicht haben sie den drohenden Krieg früh genug erkannt und sind verschwunden, bevor er ausartete. Vielleicht sind sie aber auch gar nicht untergetaucht, sonder alle ermordet, von Todessern, still und heimlich und mitten in der Nacht. Die Leichen achtlos liegen gelassen und dann später von Flüchtenden, die Unterschlupf gesucht haben, weggeschafft oder sogar begraben worden, um ihnen ein letztes bisschen Würde zu wahren.

Ein Geräusch aus dem unterem Stockwerk reißt mich aus meinen Gedanken und ich schrecke panisch auf. Hektisch sehe ich mich nach einem Versteck um und klettere schließlich in den Schrank. Wer auch immer hier herein gekommen ist, darf mich auf keinen Fall sehen. Sollte es ein Todesser sein, könnte er mich des Verrats bezichtigen und töten. Wenn es ein normaler Zauberer ist, könnte er mich als eine der Bösen erkennen und töten. Auf welcher Seite auch immer die Person steht, für mich geht es schlecht aus. Plötzlich höre ich Schritte die Treppe hoch kommen und ich halte meine Hand vor den Mund, damit man meinen Atem nicht hört. Es riecht nach Mottenkugeln und es ist dunkel und eng. Seit ich tagelang in die Zelle im Malfoy Manor eingesperrt wurde, leide ich unter Platzangst und ich spüre wie die Panik langsam in mir hochsteigt. Knarrend öffnet sich die Tür zum Zimmer, in dem ich hocke, und mein Atem geht schneller. Zum ersten mal in diesen Tagen wünsche ich mir, ich hätte meinen Zauberstab jetzt hier. Was für ein unwürdiger Tod das wäre: Alleine, völlig herunter gekommen und wehrlos, in einem Schrank. Wahrscheinlich werde ich einsam vor mich hin verrotten, ohne dass es jemand merkt und irgendwann findet man nur noch Knochen. Das ist, was von mir übrig bleibt. Nicht eine Spur hinterlasse ich auf der Welt, bis auf den  den Schmerz derjenigen, deren Angehörige ich getötet habe. Aber ist es nicht das, was ich verdiene? Mörder wie ich verdienen keine Beerdigung, sie verdienen keine Gedenkfeier, keine Trauernden und erstrecht keine Blumen auf dem Sarg. Sie sollen das bekommen, was sie gegeben haben: Die Einsamkeit und Leere, die die Zurückgebliebenen ihrer Opfer fühlen.

Die Schritte kommen näher und ich höre, wie die Person an dem Schrank vorbei geht und sanft mit den Fingern darüber streicht. Ein Schniefen ertönt. Das Ächzen des Bettes, als die Person sich darauf setzt. Und ein Seufzen. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Wer auch immer hier gewohnt hat, ist zurück gekehrt und wird wahrscheinlich auch erst mal bleiben. Werde ich vielleicht auf ewig in diesem Schrank hocken und elendig verhungern? Was für eine lächerliche Vorstellung: Joline Finley, ehemals gefürchtetste Todesserin im Lande, verhungert in einem Schrank, weil sie ihren Zauberstab im Wohnzimmer vergessen hat. Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht und fast bin ich versucht, in hysterisches Gekicher auszubrechen, unterdrücke es aber doch in letzter Sekunde.

Ein Staubkorn kitzelt in meiner Nase und ich ahne Böses. Hektisch reibe ich meine Nase und halte die Luft an, um das Unvermeidliche zu verhindern, doch vergebens. 

Das Niesen ist nicht laut, aber laut genug, dass die Person im Zimmer es hört. Schnelle Schritte quer durch den Raum, eine Hand wird an den Türgriff des Schrankes gelegt und die Tür wird aufgerissen.


Dreimal Klischee zum Mitnehmen, bitteWhere stories live. Discover now