Kapitel 75

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Andre

Ich warte darauf, dass das Auto mich überfährt. Ich warte auf den lauten Knall, wenn es auf meinen Körper trifft. Ich warte auf das kalte Blech, die Reifen, die von der Vollbremsung warm sein werden und ich warte auf den unsagbaren Schmerz. Mit Sicherheit wird er schlimmer sein, als alles, was ich bisher erfahren habe. Da, das war der Knall mit dem ich gerechnet habe. Gleich ist es soweit. Wie es sich wohl anfühlen mag zu sterben. Ich habe furchtbare Angst davor. Das hatte ich schon immer. Die Gedanken schießen nur so durch meinen Kopf. Ich kann nicht beschreiben, was ich in diesem Moment empfinde. Alles um mich herum ist jetzt still. So still.

Irgendwann frage ich mich, warum nichts passiert. Keine Schmerzen. Ich spüre auch keine Reifen oder ein Auto. Bin ich etwa schon tot? Bin ich in einer Art Zwischendimension. Nicht tot aber auch nicht lebendig? Bin ich bewusstlos? Aber warum fühlt sich alles so normal an. Ich kämpfe lange mit mir, dann öffne ich vorsichtig ein Auge. Es funktioniert. Und mich empfängt keine vollkommene Dunkelheit, wie ich erwartet habe, sondern helles Licht. Bin ich schon im Himmel oder so? Aber ich bin nicht gläubig. Ich öffne das zweite Auge und sehe nach unten. Meine weißen Nikes auf dem grauen Asphalt. Ich stehe noch immer auf der Straße, an der gleichen Stelle wie zuvor. Aber eigentlich müsste ich doch... Und wo zum Teufel ist der Kleintransporter? Halluziniere ich etwa? Hat mich das mit meinem Vater so mitgenommen, dass ich mir jetzt schon Dinge einbilde? Eigentlich klingt das gar nicht nach mir. Verdammt, in was für eine Nummer bin ich da hinein geraten?! Vielleicht habe ich mich auch von meinem Körper getrennt, bin jetzt ein Geist und befinde mich in einer Art Zwischenwelt. Ich kann herum fliegen und irgendwo da unten liegt mein Körper.

„Quatsch, du hast eindeutig zu viele Filme geschaut, Andre Schiebler! Kümmere dich lieber um die Realität und um die Tatsache, dass du gerade einen Autounfall überlebt hast!", ermahne ich mich selbst. Und wieder fällt mir auf, dass das, was ich da gerade gedacht habe, eigentlich nicht sein kann. Kein Mensch überlebt einen Autounfall ohne jegliche Schramme. Oder? Ich hebe vorsichtig beide Hände. Nichts. Kein Blut oder so. Ich schaue an mir herunter. Keine Spur von auch nur einem kleinsten Kratzer. Erleichtert atme ich auf. Vielleicht habe ich nur innere Schäden oder so. Wäre aber ziemlich unrealistisch. Ich meine es war ein verdammter Unfall und... Zaghaft hebe ich ein Bein und mache einen Schritt. Keinerlei Schmerzen. Ungläubig schüttle ich den Kopf. Bin ich jetzt Superman?

Plötzlich reißt mich ein extrem lautes Geräusch aus meinen Gedanken. Ich kann nicht genau sagen, was es war. Hörte sich an, als wäre etwas irgendwo herunter gefallen. Ich drehe mich um und was ich sehe, lässt mich nach Luft schnappen. Nicht ich bin Superman, sondern der Fahrer des Transporters. Er steht frontal an dem Geländer der Brücke, welche die Straße von einer Böschung abtrennt. Anscheinend hat er es geschafft, im letzten Moment auszuweichen und mich daher nicht erwischt. Nur deswegen bin ich unverletzt! Und wie durch ein Wunder ist der Wagen nicht von der Brücke gefallen... Ich bin so froh über diese Tatsache, dass ich diesen Typ am liebsten umarmen will. Apropos Typ - wo ist der Fahrer denn überhaupt? Ich gehe langsam zu dem Transporter hinüber und ein wenig herum, sodass ich die Vorderseite sehen kann. Lieber Himmel, das sieht ja schlimmer aus, als ich erwartet hätte. Der Kleintransporter hatte eine solche Wucht, dass er das Geländer der Brücke durchschlagen hat. Die Vorderreifen hängen in der Luft. Buchstäblich über dem Abgrund.

„Brauche einen Krankenwagen..." Durch die gebrochene Glasscheibe sehe ich einen dunkelhaarigen Mann, der aufgeregt in ein Handy spricht. Muss wohl der Fahrer sein. Und mein Retter.

„... ist von der Brücke herunter gestürzt...", höre ich ihn sagen und runzle die Stirn. Was erzählt der denn da? Ich bin doch gar nicht von der Brücke gefallen und sein Auto auch nicht. Ist doch alles in Butter, wenn man mal von dem nicht allzu geringen Blechschaden absieht, den ich aber auf jeden Fall bezahlen werde. Ich will gerade um den Wagen herum gehen und dem Mann zeigen, dass es mir gut geht und ich immer noch auf der Brücke stehe und wir keinen Notarzt brauchen, als ich stutze.

„...es liegt jetzt dort unten. Ungefähr 20 Meter...", sagt er. Vorsichtig laufe ich zum Rand der Brücke zurück und werfe einen Blick herunter. Und da fällt es mir auf einmal siedendheiß wieder ein: das Taxi. Vorhin stand es auf der anderen Straßenseite. Deswegen bin ich ja überhaupt auf die Idee gekommen, die Straße zu überqueren. Das Taxi stand genau dort, wo der Transporter jetzt steht. Und nun liegt es dort unten. Besser gesagt das, was Klägliches von ihm übrig ist. Vollkommen zerbeult und zerstückelt. Ein paar Dampfwolken steigen auf, was darauf schließen lässt, dass der Motor noch warm war und es kurz davor noch benutzt worden ist. Wahrscheinlich hat es nur kurz dort gehalten, um jemanden abzuliefern, der einen Angehörigen im Krankenhaus besucht. So wie ich. Oder es hat auf jemanden gewartet. Ich sehe die Szene bildlich vor mir. Ich trete auf die Fahrbahn, ohne den Transporter zu sehen. Der Fahrer des Transporters rast heran und weicht mir in letzter Sekunde aus, ohne an das Taxi zu denken. Die Wucht des Aufpralls ist so groß, dass dieses das Geländer durchschlägt und von der Brücke stürzt. 20 Meter in die Tiefe... Und alles nur wegen mir! Wie in Trance stehe ich da und realisiere, was ich da angerichtet habe. Vielleicht waren in dem Taxi Leute drin. Sogar mit ziemlicher Sicherheit. Dann bin ich Schuld, dass... Scheiße! Verfluchter Mist!

Ich schaue auf das Geländer. Mir fällt auf, dass dort ein Nummernschild baumelt, welches scheinbar an einem gebrochenen Brüstungsteil über dem Abgrund hängen geblieben ist. Ich strecke die Hand danach aus. Wahrscheinlich ist es das Schild des Transporters. Gedankenverloren drehe ich es in den Händen. Es fällt mir herunter auf den Boden mit der Vorderseite nach oben. Und als ich lese, was darauf steht, bleibt mein Herz für einige Sekunden stehen. K-JA-2011. Als ich es realisiere wird mir speiübel. Die Erkenntnis fühlt sich an wie ein Fausthieb ins Gesicht. Ich kann es nicht unterdrücken und übergebe mich mitten auf der Straße. Die Angst ist diesmal ganz anders. Es ist eine verzweifelte Panik, die mir die Kehle zuschnürt. Ich ringe vergeblich nach Luft. Zum zweiten Mal an diesem Tag ist mir schwarz vor Augen. Ich habe ihn umgebracht!!!

Ok, erst mal ein meeeega fettes SORRRRRY, dass sooo lange nichts kam. Ich war im Urlaub in Spanien und hatte zwar Internet, aber leider keine Zeit, etwas zu schreiben. Ich hoffe es geht euch allen gut und ihr habt/hattest schöne Ferien. Ich fahre heute für 5 Tage nach Köln. Da wird leider auch nichts kommen, aber nächsten Dienstag bin ich zurück und es gibt wahrscheinlich ein neues Kapitel. Ich gebe mein bestes!!!


Memories never die | JandreOnde as histórias ganham vida. Descobre agora