Kapitel 60

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Jan

Ich lehne meinen Kopf an seine Brust und atme seinen vertrauten Duft tief bis in die Lungen ein. Er schlingt seine Arme fester um meine Hüfte und wiegt mich im Takt der Musik hin und her. Ich schließe die Augen, während er meinen Nacken mit Küssen verwöhnt. Irgendwann nähert er sich mit seinen Lippen meinem Ohr. Mein Hinterkopf ruht schwer auf seiner Schulter. Mein ganzes Gewicht liegt in seinen Armen, ich vertraue ihm vollkommen. Sein kühler Atem streift mein Ohr. „Ich will dich, Dsche!", schnurrt er leise, aber dennoch deutlich hörbar, „Ich will dich hier und jetzt..."

Augenblicklich finde ich mein Gleichgewicht wieder und stehe auf eigenen Beinen. Seine Stirn berührt noch immer meinen Hals, das fühle ich.

„Jan..." Wie fordernd er meinen Namen ausspricht, jagt mir einen warmen Schauder über den Rücken und die Haut unter meinem Ohr, an die er seine Lippen schmiegt, kribbelt wie verrückt.

„Du hast zu viel getrunken...", stelle ich ernüchtert fest und schiebe ihn ein Stück von mir weg.

„Ich habe keinen Tropfen Alkohol getrunken!" Er klingt empört.

„Ja, ja und ich bin der Oberwichtel vom Weihnachtsmann", gebe ich zurück. Ich hasse es, dass Andre einfach verschwunden ist, um sich irgendwo volllaufen zu lassen und mich jetzt befummelt. Und morgen kann er sich dann an nichts erinnern. Ich komme mir vor wie das Mittel zum Zweck - nur erwünscht, wenn Herr Schiebler es nicht geschafft hat, irgendeine Tussi aufzugabeln, aber unbedingt befriedigt werden muss. Da stehe ich, mitten auf der Tanzfläche und denke nach, wie ich ihn am besten abwimmeln kann. Ich würde viel für ihn tun, doch meine Ehre lässt nicht zu, dass er mich benutzt und danach irgendwo zurück lässt wie ein gebrauchtes Taschentuch.

„Ich habe nichts getrunken - ehrlich!" Andre dreht mich zu sich um und sieht mir fest in die Augen, während er mit seinen Hände meine Schultern packt. Anders als ich erwartet hatte, ist sein Blick nicht glasig, sondern vollkommen klar und er hat auch keine Alkoholfahne. Wenn wir nicht mitten unter Menschen wären, würde ich ihn jetzt küssen. Am Geschmack kann man noch eindeutig beurteilen, ob jemand etwas getrunken hat. Ich reiße meine Augen von seinen schönen Lippen, runzele die Stirn und betrachte ihn mit schief gelegtem Kopf. „Und wo zum Teufel warst du die ganze Zeit?" Ich muss das einfach fragen, auch wenn ich mir dadurch wahrscheinlich selbst den gesamten Abend vermiese, weil er jetzt mit irgendwelchen halbherzigen Ausreden kommt. Zu meinem großen Erstaunen scheint er genau auf diese Frage gewartet zu haben, denn er grinst mich triumphierend an. „Wusste ich es doch, dass dich das interessiert."

Ich öffne schon den Mund, um zu widersprechen, doch er lässt mich nicht zu Wort kommen.

„Versuch erst gar nicht, das abzustreiten, Dsche. Ich sehe doch schon an deinem Blick, dass du eifersüchtig bist auf jede eventuelle Frau mit der ich getanzt haben könnte..."

Ich bringe nur ein verächtliches Schnauben zustande, weil er natürlich voll ins Schwarze getroffen hat.

„Aber ich kann dich beruhigen, denn du hast keinen Grund, auch nur die geringste Konkurrenz zu bekommen. Dort, wo wir jetzt hin gehen, hast du mich ganz für dich alleine, versprochen..."

Obwohl er wahrscheinlich gleich vor Eitelkeit platzt, muss ich lächeln, da mich jedes einzelne seiner Worte glücklicher gemacht hat.

„Also, wie sieht es aus, Herr Meyer? Würden Sie mir die Ehre erweisen, mich zu begleiten?" Mit durchgestrecktem Rücken steht er vor mir und hält mir mit galanter Geste eine Hand entgegen. Belustigt lege ich meine Finger in seine und entgegne nicht weniger hoheitsvoll: „Es wäre mir ein Vergnügen, werter Herr Schiebler!"

Mit einem vergnügten Grinsen im Gesicht zieht er mich hinter sich her. Die Menschenmassen nehmen keine Notiz, weder von uns, noch von der Tatsache, dass wir Händchen halten durch den Club laufen. Wir steuern schon auf den Ausgang des Bootshaus zu, als ich Andre am Arm zurück halte. „Sollen wir nicht noch den anderen...?"

Memories never die | JandreWhere stories live. Discover now