Kapitel 26

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Andre

Jan ist anders. Er verhält sich komisch mir gegenüber, weicht mir aus, als ich ihm am nächsten Morgen in der Küche begegne, ignoriert mich den ganzen Nachmittag und auch am Abend geht er mir weiterhin aus dem Weg. Ich habe keine Ahnung wieso.

Heute bin ich mit Kopfschmerzen aufgewacht und einem Filmriss. Zwar keinem kompletten, aber ich kann mich an ziemlich wenig erinnern. In meinem Kopf befinden sich viele einzelne Gedankenfetzen, die nicht so recht ein ganzes Bild ergeben wollen. Ich erinnere mich noch, dass ich zusammen mit Jan ins Bootshaus gefahren bin. Da war dieses blonde Mädchen, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Wir haben getanzt. Dann war da dieser komische Kerl bei Jan. Ich habe meinem besten Freund geholfen. Wahrscheinlich bin ich dabei in eine Schlägerei geraten, denn das Shirt, was ich gestern Abend anhatte, ist voller Blut. Mein eigenes? Ich hoffe es. Ab diesem Zeitpunkt weiß ich nichts mehr. Gar nichts. Egal, wie sehr ich mir den Kopf zerbreche.

Nach langem Nachdenken ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und sehe meine Snaps durch. Nichts, was mir irgendwie weiterhilft. Auch nicht in meiner Galerie. Ich stoße lediglich auf ein Foto von mir und Jan an der Bar, was mir ein kurzes Lächeln aufs Gesicht zaubert. Und eins, auf dem ich das blonde Mädchen im Arm halte mit meinem wohlbekannten, selbstzufrieden Machogrinsen. Ich überlege kurz, ob ich es auf Insta posten soll, damit die Fangirls mal wieder ausrasten oder um #Jandre trauern, aber da kommt mir auf einmal eine gute Idee.

Ich werde mir Jans  Snaps ansehen. Er ist erstens nüchterner als ich gewesen - hoffe ich jedenfalls - und zweitens macht er eh immer viel mehr Snaps als ich. Doch zu meiner Enttäuschung sind nur Bilder vom Nachmittag dabei, wie er ein TV-Video geschnitten hat. Ich will schon fast aufgeben, als ich plötzlich zusammen zucke. Ich sehe mich selbst, wie ich in Boxershorts ein Zimmer verlasse und durch die Wohnung laufe. Eigentlich nichts besonderes, aber die Tatsache, dass Jan von einem Feuer erzählt und ich aus seinem Zimmer heraustrete, machen mich stutzig. Zwar kann man aufgrund des Snaps nicht ganz genau sagen, woher ich gekommen bin, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich gestern Nacht bei Jan war. Das sagt mir mein Bauchgefühl. Laut Snapchat sogar in Boxershorts. Ach du Schande! Das erklärt auch, warum er sich mir gegenüber so komisch verhält.

Nur was genau ist zwischen uns beiden vorgefallen?! Haben wir uns geküsst? Gut möglich. Sind wir noch weiter gegangen? Bei dem Gedanken wird mir ganz anders zu mute. Wenn ja, wie weit sind wir gegangen? Hab ich am Ende sogar mit ihm geschlafen? Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen. Im nüchternen Zustand hätte ich auf jeden Fall viel zu viel Angst, dass die Vergangenheit mich wieder einholt. Ich müsste bestimmt an meinen Vater denken und an das furchtbare Leid, das er mir zugefügt hat und das ich niemals vergessen werde. Nicht auszudenken, wenn ich die Kontrolle verlieren und Jan wehtun würde. Bei Frauen ist das was anderes. Sie erinnern mich nicht daran, wie es mir damals ergangen ist. Sex mit Frauen ist nicht so. Er erweckt bei mir auch nicht solche Gefühle. Wenn Jan nur in meiner Nähe ist, ist das was ganz anderes, als beim allergeilsten Sex mit einer Frau. Ich empfinde eine glückliche Nervosität, die sich bis ins Unendliche steigert. Das lässt sich nicht leugnen.

Ich frage mich nur, ob ich durch den Alkohol meine Erinnerungen so weit ausblenden konnte, dass ich mit Jan geschlafen habe. Mein Vater hat durch den Alkohol auch alle Hemmungen verloren. Gilt das auch für mich? Andererseits könnte es auch sein, dass das auf mich nicht ganz zutrifft.

Mir kommt ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn ich durch den Alkohol meine Hemmungen teilweise abgelegt habe und mich die Erinnerungen dann einfach überrumpelt haben?! Dann kann es sein, dass ich Jan ganz furchtbar wehgetan habe. So wie mein Vater mir damals. Ich muss schlucken. Nein, das darf nicht wahr sein. Verdammt, warum habe ich nur wieder so viel getrunken? Wieso muss ich mein Limit immer überschreiten?! Ich habe mir doch geschworen, dass ich nie wie mein Vater werden will! Und jetzt?

Vielleicht war es ja gar nicht so. Vielleicht ist nichts passiert. Vielleicht kamst du gar nicht aus Jans Zimmer! Ich versuche mich selbst zu beruhigen. Scheiße. Ich muss unbedingt mit Jan reden. Jetzt sofort. Ich muss wissen, was wirklich passiert ist.

Schnurstracks begebe ich mich von meinem Zimmer auf den Weg zu Dsches Arbeitszimmer. Doch ich halte abrupt an, als ich Jans Stimme aus seinem Schlafzimmer höre. Er redet dort mit jemandem. Telefoniert er?


 


Leider musste der Cut mitten im Kapitel sein, I'm sorry. Aber ihr werdet bald erfahren, mit wem der gute Jan da ein Gespräch führt... Liebe Grüße an alle!




Memories never die | JandreWhere stories live. Discover now