Teil 2 - Kapitel 26 - Erinnerungen

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Freude lässt sich nur voll auskosten, wenn sich ein anderer mitfreut.
- Mark Twain

Spencer

Es wäre wohl etwas voreilig gewesen, wenn sie mich in ihre Wohnung eingeladen hätte, nachdem wir uns geküsst haben. Außerdem war sie völlig durcheinander und es kam mir anständiger vor, ihr Zeit für sich zu geben. Jetzt bin ich in meinem Apartment und es schwirren unzählige Fragen in meinem Kopf herum. Die wichtigste Frage ist: An wie viel kann sie sich erinnern? Ich laufe aufgeregt in meinem Wohnzimmer hin und her. Mein Herz schlägt noch immer so schnell.

Einen Tag später ...

Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich bin beurlaubt und muss deswegen nicht zur Arbeit und Harriet hat sich noch nicht bei mir gemeldet. Allerdings möchte ich sie auch nicht kontaktieren. Ich weiß nicht, woran sie sich erinnern kann und wie es ihr damit geht. Auch wenn ich sie sehen möchte, muss ich ihr Zeit geben.

Harriet

Mein Blick wandert hektisch umher. Es ist so kompliziert. Als Spencer mich geküsst hat, habe ich eine Woge der Zuneigung für ihn empfunden und dann war es, als hätte er einen Schalter in mir umgelegt. Ich erinnere mich an Eindrücke. Ich habe Bilder und Szenen im Kopf und manchmal kann ich nicht unterscheiden, ob ich sie erfunden habe oder sie der Wahrheit entsprechen. Zum Beispiel erinnere ich mich an die Hochzeit. Ich weiß, es war schön und ich hatte viel Spaß, doch ich kann mich nicht dran erinnern, wo wir geheiratet haben, wer uns getraut hat, wer anwesend war und wer mich zum Altar geführt hat. Die Flitterwochen. Ich weiß, dass es dort warm war und wir eine schöne Bleibe hatten, doch ich weiß nicht mal in welchem Land wir waren. Ich erinnere mich daran, dass Ereignisse stattgefunden haben, doch ich erinnere mich nicht an den Rest. Es ist schwer zu erklären. Ich begreife es selbst kaum. Gelegentlich tauchen Bruchstücke auf und je stärker ich versuche, mich darauf zu konzentrieren, desto schneller verblasst die Erinnerung. Die Erinnerungen, die ich mit Spencer teile, sind am schwierigsten zu entschlüsseln. Ich frage mich, warum das so ist, doch eigentlich kenne ich die Antwort bereits: Weil er der Mensch ist, der mir am meisten bedeutet hat.

Spencer

Ich blättere in einem Buch, doch ich lese es nicht. Ich kann mich nicht konzentrieren. Nach dem Besuch bei Derek habe ich versucht mich nützlich zu machen, um auf andere Gedanken zu kommen, und habe mein Apartment aufgeräumt und Kleidung und Bücher sortiert. Jetzt habe ich Kopfschmerzen; ich bin müde, lege mich ins Bett und schlafe ein. Am nächsten Morgen werde ich nicht von meinem Wecker geweckt und als ich wach werde, gerate ich in Panik, weil ich verschlafen habe. Doch dann fällt mir ein, dass ich beurlaubt worden bin und ausschlafen kann. Ich raffe mich auf, gehe in die Küche und trinke ein Glas Wasser, reibe mir die Augen und sehe, dass ich eine neue Nachricht auf dem Handy habe. Leider ist sie nicht von Harriet, sondern von JJ.

Sie haben eine neue Nachricht:
JJ: Hey, Spencer. Ruf mich an, wenn du Zeit hast.

Ich runzele die Stirn und gehe meine Kontaktliste durch, bis ich JJs Nummer gefunden habe.
"Spencer?", meldet sie sich.
"Jaa?", antworte ich und komme mir dämlich vor. "Ich sollte dich anrufen?"
JJ räuspert sich. "Ja, ich wollte fragen,  ob alles in Ordnung ist."
"Natürlich", antworte ich verwirrt.
Geht es wieder darum, dass ich angeblich Drogen nehme?
"Ich möchte dich fragen, was gestern passiert ist. Wir haben uns Sorgen gemacht, doch Derek meinte, dass Harriet sich an dich erinnert. Das ist doch gut, oder?"
Warum behandeln mich alle wie ein verschrecktes Kind? Mache ich einen so unsicheren Eindruck? Dennoch, es ist lieb, dass sie sich um mich sorgen.
"Ja, ich meine, ich weiß es nicht. Wir machen ... Fortschritte."
Seltsamerweise habe ich das Bedürfnis aufzulegen, doch ich tue es nicht. Irgendwie fühle ich mich eingeengt. Ständig möchten sie etwas mit mir unternehmen. Haben sie das Gefühl, dass sie auf mich aufpassen müssen? Ich kann es ihnen nicht übel nehmen. Ich habe mich in letzter Zeit nicht gut benommen. Ich war am Ende. Ich bin es noch. Harriet. Was macht diese Frau bloß mit mir?

Ein paar Tage später ...

Sie haben eine neue Nachricht:
Harriet: Hallo, Spencer. Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe. Vielleicht möchtest du dich morgen mit mir treffen? Dann können wir über alles reden.
- H

Einen Tag später klopfe ich an ihre Tür. Es dauert einen Moment, bis sie mir öffnet.
"Hallo, Spencer. Komm rein."
Ich nicke und folge ihr ins Wohnzimmer.
Irgendwie herrscht eine unangenehme Spannung zwischen uns, weil keiner von uns weiß, wie er sich nach dem Abend verhalten soll. Ich kann mit solchen Situationen nicht umgehen und fühle mich hilflos. Zu meiner Überraschung bleibt sie plötzlich stehen und umarmt mich.
"Ich erinnere mich daran, dass du Umarmungen nicht ausstehen kannst."
Ich lache und erwidere die Umarmung.
Sie legt ihren Kopf einen Moment auf meine Schulter und löst sich von mir.
"Es tut mir leid, dass du warten musstest."
Ich lächele schwach. "Ist schon in Ordnung."
Wir setzten uns auf die Couch im Wohnzimmer.
"Ich werde dir deine Fragen beantworten", sagt sie.
"Woran erinnerst du dich?"
Sie legt den Kopf schief. "Ich erinnere mich nicht an alles. Ich erinnere mich an Eindrücke, Gefühle, Bilder und Ereignisse aus meinem Leben, doch es ist alles durcheinander."
Ich denke einen Moment über ihre Worte nach und versuche zu verstehen, was sie mir damit sagen möchte.
"Was empfindest du für mich?"
Harriet lässt ihren Blick durch den Raum schweifen. Offenbar versucht sie, die richtigen Worte zu finden. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie verwirrend das für sie sein muss.
"Manchmal ist es so, als würde ich mich an das Leben einer fremden Person erinnern. Das macht es mir schwer, meine Gefühle für dich zu analysieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ein Ehepaar sind, das ein Haus und Kinder haben will."
Ich weise sie nicht darauf hin, dass wir uns nie darüber unterhalten haben, ob wir Kinder haben möchten, doch ihre Antwort ist ein Schlag ins Gesicht. Um ehrlich zu sein, ich habe mehr erwartet. Ich beschließe, ein kleines Experiment durchzuführen.
Ich rücke näher zu ihr, beuge mich vor und streiche mit den Fingern über ihren Arm. "Wie fühlt sich das an?", frage ich und versuche meine Nervosität zu verbergen.
"Spencer, wenn du mir so nah bist, kann ich nicht nachdenken."
Ich schmunzele. "Das ist gut, oder?"
Harriet lacht auf und es freut mich, dass ihr die Situation nicht unangenehm ist.
"Möchtest du, dass ich aufhöre?"
Sie zögert. "Nein."
Es überrascht mich, wie Harriet auf meine Annäherungsversuche reagiert. Sie legt mir die Arme um den Hals. Ihr Atem geht schnell. Auch sie ist nervös.
"Wir können aufhören, wenn du das nicht möchtest", sage ich schüchtern.
Sie denkt einen Moment über meine Worte nach, dann schüttelt sie den Kopf. Offenbar kann sie damit weitaus besser umgehen als ich.
"Ich möchte nicht aufhören. Und genau das verwirrt mich."
Ich küsse sie auf die Stirn und mache mich sanft von ihr los.
"Wir fangen neu an."
Sie runzelt fragend die Stirn.
"Ich bin Dr. Spencer Reid. Es freut mich, Sie kennenzulernen."

Harriet

"Ich bin Dr. Spencer Reid. Es freut mich, Sie kennenzulernen."
Es kommt mir ein wenig albern vor. Immerhin sind wir verheiratet, doch ich gehe darauf ein. Vielleicht hilft es.
"Gut. Was schlägst du vor?"
"Wir hatten bereits ein Date, inklusive Abschiedskuss, und es sind ein paar Tage vergangen. Kann ich dich zu einem zweiten Date überreden?"
Ich kichere. "Du könntet es versuchen."
Spencer lächelt verschmitzt. "Harriet. Würdest du mit mir ausgehen?"
"Hm, ich weiß nicht ..."
Ich lache und Spencer wirbelt mich herum und versucht ernst auszusehen.
"Ich bin vom FBI und verhafte dich, wenn du ablehnst."
Ich werfe den Kopf in den Nacken und lache. "Dann muss ich wohl zusagen."

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt