Kapitel 7 - Gefangen

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Nichts ist leichter, als den Übeltäter zu verurteilen; nichts schwieriger wie ihn zu verstehen.
- Fyodor Destoevsky

Harriet

"Hallo, hier spricht Spencer Reid. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht", meldet sich die Mailbox.
Piiiiiieeeeeeeeeepp.
"Hallo, Spencer. Hast du Lust nach der Arbeit noch was trinken zu gehen? Wenn du keine Lust hast, verstehe ich das natürlich. Ach, äh, hier ist Harriet."
Als ich in das Taxi steige, komme ich mir blöd vor. Ich hätte ihn auch gleich persönlich fragen können. Aber, vielleicht ist es auch gut, dass ich ihm auf die Mailbox gesprochen habe. So kann das Team nichts davon mitbekommen, es sei denn, Spencer erzählt es ihnen. Als wir ankommen, bezahle ich den Taxifahrer, steige aus und schlinge die Jacke etwas fester um mich. Es ist ein überraschend kalter Morgen, so kalt, dass sich kleine Wölkchen vor meinem Mund bilden, wenn ich ausatme. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich Reid anrufen soll. Ist es unangemessen, dass ich ihn zu einem Treffen eingeladen habe? Er ist mein Arbeitskollege und es ist vermutlich keine gute Idee, wenn ich dem Gefühl, das ich in seiner Nähe verspüre, nachgehe, aber ich konnte nicht anders. Ich muss lächeln, wenn ich auch nur an ihn denke.
Aus heiterem Himmel drückt mir jemand ein Tuch auf Mund und Nase. Panik steigt in mir auf. Ich schlage um mich, doch ich werde schnell schwächer. Mir wird schwarz vor Augen und alles dreht sich.

Spencer

Ich versuche Harriet zu erreichen, doch irgendetwas stimmt mit meinem Handy nicht. Dann versucht es JJ und niemand nimmt ab. Wir sind im Polizeirevier und sitzen in einem der Besprechungsräume. Alle sind anwesend, nur Harriet nicht.
"Ich fahre zurück zum Hotel. Vielleicht ist sie noch da", sage ich und mache mich ein paar Minuten später auf den Weg.
Als ich den angrenzenden Parkplatz erreiche, laufe ich fast daran vorbei, doch dann sehe ich es und habe sofort ein ungutes Gefühl. Neben zwei parkenden Autos liegt ein schwarzes Tuch auf dem Boden und ich nehme einen chemischen, süßlichen Geruch wahr. Daneben ist ein bisschen Blut. Es ist noch nicht getrocknet, also kann das, was hier passiert ist, noch nicht lange her sein. Ich eile zurück zum Revier und platze in den Besprechungsraum.
"Spence, wolltest du nicht ... ?"
"Ihr müsst mitkommen und euch das ansehen."

"Ich bin gleich da", sagt Penelope am Telefon.
Es sind bereits ein paar Stunden vergangen. Wir konnten Harriet nicht erreichen und im Hotel war sie auch nicht, also habe ich die Aufnahmen der Sicherheitskameras, die rund um das Polizeirevier verteilt sind, überprüfen lassen. Tatsächlich haben die Aufnahmen bestätigt, was ich befürchtet habe. Sie wurde entführt. Wir haben das schwarze Tuch untersuchen lassen und es konnten Rückstände von Chloroform nachgewiesen werden. Hotch hat Penelope darum gebeten, herzukommen und uns vor Ort zu unterstützen. Wenn wir den Fall nicht bald lösen, wird er einer anderen Einheit übergeben. Meine Gedanken kreisen immer wieder um Harriet. Ich mache mir schreckliche Sorgen um sie.

"Gib mir mal dein Handy", fordert Penelope und schnappt es mir aus der Hand.
Sie fummelt ein paar Minuten daran herum und es ist wieder funktionstüchtig. Ich habe eine neue Nachricht auf der Mailbox.
"Hallo, Spencer. Hast du Lust nach der Arbeit noch was trinken zu gehen? Wenn du keine Lust hast, versteh ich das natürlich. Ach, äh, hier ist Harriet."
Mein Herz macht einen Hüpfer. Sie wollte mit mir ausgehen.

Harriet

In meinem Kopf schwirrt es und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Um mich herum ist es schwarz. Wieso kann ich nichts sehen? Ich versuche mich zu bewegen, doch jemand muss mich an den Stuhl gefesselt haben, auf dem ich sitze. Es dauert einen Moment, dann wird mir schlagartig klar, was auf dem Parkplatz passiert ist. Wie viel Zeit ist seitdem vergangen? Ein Schrei bahnt sich einen Weg durch meine Kehle, doch ich halte ihn zurück. Vielleicht sollte ich meinen Entführer nicht wissen lassen, dass ich wach bin. Erst jetzt bemerke ich einen leichten Stoff auf meinem Gesicht. Er muss mir einen Sack übergestreift haben, damit ich nichts sehen kann. Nach ein paar Minuten döse ich wieder ein. Von dem Zeug, das ich durch das Tuch eingeatmet habe, bin ich noch ganz benebelt.

Laute, hallende Schritte rütteln mich wach und mir stellen sich die Nackenhaare auf.
"Du hast nicht auf mich gehört und nun musst du die Konsequenzen tragen."
Seine Stimme - eindeutig eine Männerstimme - ist so nah an meinem Ohr, dass ich vor Schreck zusammenzucke. Der Stoff verschwindet von meinem Gesicht und ich kann endlich etwas sehen. Ich muss blinzeln, damit sich meine Augen an das Licht gewöhnen. Ich bin jetzt an eine Liege gefesselt. Drähte schneiden mir in die Haut, doch das nehme ich kaum wahr, denn meine Aufmerksamkeit gilt dem Gesicht direkt vor mir. Schlammfarbene Augen, ein wulstiger Mund und fettiges Haar.
Das ist er. Samuel Richard.

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt