Teil 2 - Kapitel 22 - Ich kann nicht mehr

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Manchmal erhält der Geist einen so verheerenden Schlag, dass er sich in den Wahnsinn flüchtet. Manchmal besteht die Wirklichkeit nur noch aus Schmerz, und um diesem Schmerz zu entrinnen, muss der Geist die Wirklichkeit hinter sich lassen.
- Patrick Rothfuss

Spencer

Hotchner hat sich dazu entschlossen den Fall einer anderen Einheit zu übergeben, worüber sich das gesamte Team aufgeregt hat. Natürlich wollen wir den Mann stoppen, hinter dem wir seit Wochen her sind, doch Hotch ist der Meinung, dass wir wegen Harriets Zustand nicht dazu in der Lage sind angemessen zu handeln. Obwohl auch ich enttäuscht darüber bin, fällt eine große Last von mir ab. Ich glaube nicht, dass die anderen mich verstehen können. Derek und ich sitzen bei David im Wohnzimmer. Sie trinken Wein und unterhalten sich und ich sitze stumm da. Mir ist schlecht.
"Kleiner, ist alles okay? Du hast seit einer Weile nichts gesagt."
"Hm", mache ich.
Ich möchte sie nicht mit meinen trüben Gedanken belästigen. David hat uns eingeladen, damit wir einen schönen Abend verbringen, doch als er mir eine Frage stellt, kann ich mich nicht länger zusammenreißen.
"Spencer", sagt er. "Geht es um Harriet?"
Ich nicke langsam. Natürlich geht es um sie! Es dreht sich alles um sie!
"Willst du zu ihr?", fragt Morgan weiter.
Ich schüttele heftig den Kopf und merke, wie sich meine Augen mit Tränen der Wut füllen. Ich bin es leid.
"Sprich mit uns."
Ich atme durch, richte mich auf und sehe ihnen abwechselnd in die Augen. "Ich bin überfordert! Wisst ihr eigentlich, wie schwer es mir fällt Zeit mit ihr zu verbringen?"
David und Derek tauschen einen überraschten Blick, doch sie wagen es nicht, mich zu unterbrechen.
"Sie hätte niemals in dieses scheiß Wartezimmer gehen dürfen! Warum hat sie das getan? Ich sehe ihr ins Gesicht und fühle mich überflüssig. Sie kann sich nicht an die schönen Momente erinnern. Der erste Kuss, das Zusammenleben, die gemeinsamen Nächte, der Heiratsantrag, die Flitterwochen. Wenn wir Schach gespielt haben, obwohl sie wusste, dass ich sie gewinnen lasse."
Ich schnaufe und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Mein Atem geht schwer und plötzlich bin ich unglaublich müde.
Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

Harriet

Ein paar Tage sind vergangen und ich sitze auf der Couch im Wohnzimmer und starre auf die weiße Wand. In der einen Hand halte ich mein Telefon. Die andere Hand habe ich in ein Kissen gekrallt. Ich habe das Gefühl, dass mir alles entgleitet. Ich brauche Alkohol.
Ich schlurfe in die Küche, nehme mir ein Glas und ... es klingelt an der Tür.
Ich stelle das Glas auf die Küchenplatte und gehe zur Tür, doch ich öffne nicht. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Tür und sacke auf den Boden. Jetzt klopft es, doch ich mache keine Anstalten die Tür zu öffnen. Ich habe jetzt keine Lust, mich mit Spencer zu unterhalten.
"Harriet, ich kann deinen Schatten an der Türspalte sehen."
Das ist nicht Spencer. Es ist Rossi! Was er bloß möchte?
"Bitte, ich muss mit dir reden."
Seufzend raffe ich mich auf. Er hat mein Interesse geweckt. Manchmal überlege ich, ob ich wegziehen und ein neues Leben beginnen soll. Doch dann sehe ich in all die traurigen Gesichter meiner Mitmenschen und habe das Gefühl, ihnen etwas zu schulden. Ich öffne ihm die Tür und lade ihn in die Wohnung ein. Wir setzten uns auf die Couch im Wohnzimmer. Ich schlage die Beine übereinander und warte darauf, was David mir zu sagen hat. Dann erzählt er mir, dass Spencer zusammengebrochen ist und es ihm sehr schlecht geht. Er sagt, dass ich mir überlegen soll, ob ich versuchen möchte, ein gemeinsames Leben mit ihm zu führen oder nicht.

David

Nachdem ich bei Harriet war, fahre ich nach Hause. Ich bin mir nicht sicher, doch ich glaube, dass Reid wieder Drogen nimmt. Vor ein paar Jahren wurde er von einem Mörder entführt und gefoltert. Er hat ihm Dilaudid gespritzt. Diese Droge ist ein starkes Schmerzmittel, das bei falscher Dosierung Nebenwirkungen hervorruft. Wahnvorstellungen, Kopfschmerzen, Abhängigkeit und Angst sind nur ein paar davon. Spencer wurde süchtig, doch er bekam es unter Kontrolle, nachdem er regelmäßig eine Selbsthilfegruppe besucht hat. Falls ich mit meiner Vermutung richtig liege, will ich hoffen, dass er es dieses Mal auch schafft.

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt