Kapitel 45 - Ja, mein Süßer

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Das Lügen und das Dichten sind Künste.
- Oscar Wilde

Spencer

"Verhaltet euch unauffällig", ertönt Hotchs Stimme in meinem Ohr. "Wenn der Täter hier ist und merkt, dass wir Angestellte befragen, zieht er sich zurück."
"Woher wissen wir, dass er jetzt hier ist?", fragt Harriet und bindet ihre offenen Haare zu einem Zopf zusammen.
"Es wurde an beiden Tagen jeweils gegen 16:00 Uhr dokumentiert, dass ein Bett fehlt. Die Mittagsschicht geht von 13:30 bis 21:00 Uhr. Es ist wahrscheinlich, dass er gerade arbeitet", erkläre ich.
Vor einer Stunde hat die Schicht angefangen. Hoffentlich finden wir ihn.
"Und wenn er heute frei hat?" Sie zieht herausfordernd die Augenbrauen hoch.
Ich schmunzele. "Dann werden uns die anderen Mitarbeiter hoffentlich weiterhelfen und sagen können, wer auf die Beschreibung passt."
Harriet lächelt und küsst mich auf die Wange. "Gut, dann los."

Harriet

Ich setzte mehrmals dazu an, einen der Pfleger in ein Gespräch zu verwickeln, doch er senkt jedes Mal den Blick und wimmelt mich ab.
"Ich glaube, ich habe ihn", murmele ich und drücke auf einen Knopf an meinem Ohr, damit die anderen es auch hören.
"Verstanden. Wo bist du?", fragt Hotch
"Vor dem Raum mit der Nummer 252", antworte ich und beobachte den Pfleger. Er ist weiß gekleidet und hat sehr blondes Haar. Morgan kommt als erstes bei mir an. Er gibt mir ein Zeichen und geht anschließend auf ihn zu.
"Entschuldigung?", fragt Derek und tippt ihm auf die Schulter.
"Was ist denn!?", fragt er aufgebracht und dreht sich um.
Erst jetzt fällt mir auf, dass der Pfleger kein Namensschild trägt, was für einen Angestellten im Krankenhaus ungewöhnlich ist.
"Wie ist Ihr Name?", fragt Morgan.
"Wer will das wissen?", gibt er patzig zurück.
Derek zeigt ihm seine FBI-Marke.
"Wie ist Ihr Name?", wiederholt er.
Der Pfleger zögert einen Moment. Er dreht sich um. Hotch und JJ stehen hinter ihm und ich bin mir sicher, dass Rossi und Alex sich ebenfalls irgendwo positioniert haben. Der blondhaarige Mann stößt mich grob zur Seite und rennt los, vorbei an Morgan.
"Verdammt!", flucht Hotch und rennt ihm hinterher. "Los!"
Ich richte mich auf und renne in die entgegengesetzte Richtung, dann um eine Ecke, und schneide ihm den Weg ab. Er will mich erneut wegstoßen, doch diesmal bin ich darauf vorbereitet. Bevor er mich packen kann, mache ich einen Schritt zur Seite und trete ihm in die Kniekehlen. Als er sich aufrichten will, habe ich bereits die Waffe auf ihn gerichtet.
"Die Kugel ist schneller als Sie", sagt JJ, die dazu gestoßen ist und ebenfalls ihre Waffe auf ihn richtet.
"Hände hinter den Rücken!", befehlt Morgan.
Als ihm klar wird, dass er keine Chance hat, lässt er sich in Handschellen von Derek abführen.
"Sie werden des mehrfachen Mordes angeklagt. Alles was Sie sagen kann und wird vor Gericht ..."

"Sein Name ist Daniel Rogers. Die anderen Angestellten haben auf ihn hingewiesen und Garcia hat ihn durchgecheckt. Er passt perfekt auf das Profil des Täters", erzählt Morgan.
Daniel sitzt im Verhörraum. Wir beobachten ihn durch ein Fenster, das von innen wie ein Spiegel aussieht. Er sitzt ruhig am Tisch und starrt seine Hände an, die er im Schoß zusammengefaltet hat.
"Kann ich es versuchen?", frage ich.
"Ja, ich komme mit", antwortet Hotch.
Er geht vor und hält mir die Tür auf. Daniel blickt auf. Neben der Tür steht ein gut gebauter Sicherheitsmann, der uns im Notfall hilft, falls Daniel handgreiflich werden sollte.
"Hören Sie", beginnt er, als wir uns zu ihm setzen. "Ich bin kein Mörder."
"Und wieso sind Sie dann weggerannt?", fragt Hotch ruhig und legt den Kopf schief.
"Ich habe ein paar Vorstrafen, okay? Ich dachte, sie sind da, um mich deswegen zu verhaften."
Ich lehne mich gelassen im Stuhl zurück und ziehe die Augenbrauen hoch. "Und wieso glaube ich Ihnen nicht?", frage ich. "Sie haben sicherlich davon in den Medien gehört. Sie werden der Eintagsmörder genannt."
"Ich bin kein Mörder!", brüllt er und haut mit der Faust auf den Tisch. "Natürlich, ich weiß alles über den Fall! In den Nachrichten läuft ja nichts anderes mehr."
Wut zeichnet sich auf seinem Gesicht ab, aber es kommt mir gespielt vor. Etwas an seinem übertriebenen Verhalten macht mich misstrauisch. Ich glaube ihm nicht.
"Was wissen Sie über den Fall?", fragt Hotch.
"Jeden Tag werden junge Frauen ermordet und vergewaltigt, aber das ist auch schon alles."
Ich lehne mich vor.
"Ich bin kein Mörder", beteuert er abermals.
"Dann wird es Ihnen ja nichts ausmachen, wenn wir DNA-Proben und Fingerabdrücke von Ihnen nehmen, um sie mit denen an den Leichen zu vergleichen?", fragt Hotch.
Daniel zögert. "Das möchte ich nicht."
Wenn er Vorbestraft wäre, hätten wir DNA-Proben von ihm, aber Garcia hat die Proben und Fingerabdrücke, die an den Opfern gefunden wurde, bereits durch die Datenbank des FBI laufen lassen. Also, entweder ist er unschuldig, oder er lügt uns an. Ich tippe auf Letzteres.
"Welche Vorstrafen haben Sie?", frage ich, ohne weiter auf seine Antwort einzugehen.
"Die weiß ich nicht alle auswendig! Gucken Sie doch nach!"
"Vielleicht, weil Sie gar nicht vorbestraft sind?"
Schweißtröpfchen bilden sich auf Daniels Stirn.
"Was ist mit dem letzten Opfer?", frage ich weiter.
Er atmet erleichtert auf, weil ich das Thema gewechselt habe. Dann habe ich also recht.
"Was soll mit ihr sein?"
"Sie haben sicherlich von ihr in den Nachrichten gehört."
"Natürlich. Janet Sway."
Ich lehne mich zurück und lege den Kopf schief. "Ihr Name wurde nicht erwähnt."
"Das wäre dann alles", sagt Hotch und erhebt sich.
Daniel hat sich verraten. Jetzt brauchen wir nur noch Proben von ihm. Wenn sie übereinstimmen, können wir vor Gericht.
"Gute Arbeit", flüstert Hotch mir zu.

"Babygirl?", fragt Morgan am Telefon.
"Ja, mein Süßer?"
"Schick uns die Adresse von Daniel Rogers."
"Ja, mein Süßer."

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt