Teil 2 - Kapitel 15 - Sie atmet nicht

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Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.
- Albert Schweitzer

Harriet

"Und seine Opfer sterben, indem er sie zwingt, sich zu erschießen?", hake ich nach.
Morgan nickt. "Emily und ich ..."
"Emily?", unterbreche ich ihn. "Sie ist hier?"
"Ja", antwortet er. "Sie hat euch vertreten. Sie wird bleiben, bis der Fall abgeschlossen ist."
Spencer sieht nicht überrascht aus. Wusste er es? Wahrscheinlich.

Das Gespräch hat nicht viel gebracht. Es hat mich gewundert, dass sie in dem Fall so weit zurückliegen. Sie haben kaum Informationen zu dem Täter selbst; wer es sein könnte.
Spencer und ich sind bei mir, sitzen auf der Couch und unterhalten uns über den Fall. Er hat bereits eine Theorie und erstellt ein Profil des Täters. Zudem grenzt er das Gebiet ein, in dem er sich befinden müsste. Und er hat Penelope den Auftrag gegeben, zu recherchieren, woher die Waffe stammt, da bei jedem Mord dieselbe Waffe benutzt wurde. Sie soll herausfinden in welchen Geschäften das Modell der Waffe in den letzten Wochen gekauft wurde. Spencer ist voll und ganz in seinem Element. Er murmelt etwas vor sich hin, während er arbeitet. Er nennt einen Teil des Gehirns und meint, dass die Kugel dort jedes Mal eingetroffen haben muss, um die Opfer zu töten. Allerdings konnten sie nicht wissen, wohin sie den Lauf der Waffe halten müssen, um diese Region zu treffen. Das bedeutet, dass der Täter es ihnen gezeigt hat, doch woher weiß er das? Das alles findet Spencer in wenigen Stunden heraus. Das Genie ist zurück. Doch all das wird umsonst gewesen sein, denn nur einen Tag später passiert etwas, mit dem niemand gerechnet hätte. Etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte.

Einen Tag später: Noch 7 Stunden

Garcia hat es tatsächlich auf zwei Läden eingegrenzt, in denen die Tatwaffe gekauft worden sein muss. Spencer und ich sehen uns einen Laden an, JJ und Rossi den anderen. Der Rest des Teams versucht herauszufinden, woher der Täter sein Wissen über das Gehirn hat.

Noch 6 Stunden

Spencer öffnet die gläserne Tür und wir betreten den Waffenladen. Er befindet sich in der Nähe des ersten Mordes. Es stinkt hier. Ein muffiger Geruch zieht durch meine Nase.
"Ist jemand da?", rufe ich.
Keine Antwort, nur Geklimper.
Der Laden ist ziemlich klein. Es sind nur ein paar Meter vom Eingang bis zum Tresen. Es sind Schritte zu hören. Ein nervös wirkender Mann kommt zum Vorschein, grüßt höflich und ringt sich ein Lächeln ab. Offenbar sind ihm nicht alle Kunden freundlich gesinnt. Spencer nennt dem Mann den Namen der Waffe und fragt, ob er sie in den letzten Wochen verkauft hat.
"Führen Sie eine Liste?", hake ich nach.
Er lacht nervös. "Seid ihr Bullen oder was?"
Spencer zeigt ihm seine Marke. Der Verkäufer schluckt hart, lächelt entschuldigend und holt ein kleines Buch, in dem die Namen der Käufer, die Ware und das Datum aufgelistet sind. Ich muss nicht lange suchen, bis ich etwas gefunden habe. Jemand hat die gesuchte Waffe gekauft, ein paar Tage vor dem Mord des ersten Opfers. Sein Name ist Ryan Harper.
"Kennen Sie diesen Mann?", frage ich und deute auf den Namen.
Der Eigentümer nickt. "Ja, er ist in letzter Zeit ständig hier."
Spencer und ich werfen uns einen vielsagenden Blick zu.
"Was wissen Sie über ihn?"

Noch 5 Stunden

Nachdem der Eigentümer uns alles erzählt hat, was er von Ryan Harper weiß, was nicht viel war, kehren wir ins FBI-Gebäude zurück und erzählen dem Team, was wir herausgefunden haben. JJ und Rossi sind ebenfalls zurück. Allerdings gehen Emily und Morgan davon aus, dass der Täter ein Arzt ist und in der Gehirnchirurgie arbeitet. Als Garcia alle umliegenden Krankenhäuser nach einem Ryan Harper durchsucht, wird sie tatsächlich fündig.

Noch 4 Stunden.

Momentan ist der mordende Arzt nicht im Dienst. Trotzdem fahren wir ins Krankenhaus, um seine Kollegen über ihn zu befragen. Ein Angestellter meint, dass er morgen arbeiten muss und wir dann kommen sollen. Außerdem beteuert er, dass Ryan einer der nettesten Menschen ist, die er je kennengelernt hat.

Noch drei Stunden

Wir fahren zurück zum Quartier.

Noch zwei Stunden

Hotch bekommt einen Anruf

Noch eine Stunde

Es läuft überall in den Nachrichten.
Der Täter ist im Krankenhaus. Er befindet sich im Wartebereich, sowie seine zwölf Geiseln, die auf dem Boden sitzen und sich jeweils eine Waffe an die Schläfe halten. Überwachungskameras ermöglichen uns zu sehen, was dort vor sich geht. Wir und ein komplettes Einsatzkommando samt Ausrüstung sind vor Ort. Wir suchen nach einer Möglichkeit mit ihm zu kommunizieren. Bisher erfolglos. Garcia konnte bestätigen, dass es sich um Ryan Harper handelt. Wir kriegen ihn, so oder so. Die Frage ist, wie wir ihn verhaften und trotzdem alle Geiseln sicher fortschaffen können.
Alles ging so schnell. Ich trage eine Schussweste, umklammere mit beiden Händen den Griff meiner Waffe und stehe vor der geschlossenen Tür, die zum Wartezimmer führt.
"Wieso erschießen ihn die Geiseln nicht?", fragt Alex.
"Jeder trägt Sprengstoff um den Körper. Wenn einer von ihnen etwas versucht, lässt er den Knopf in seiner Hand los und alle sterben", antwortet Hotch.
Einer der Anwesenden weiß, dass sich im Wartebereich ein Telefon befindet und wir rufen an.
"Ich bin nicht in der Stimmung, um mit euch zu plaudern", sagt Ryan.
"Wir können verhandeln", wirft Hotch ein.
Vor einer Stunde haben wir noch aufmerksam nach dem Täter gesucht und plötzlich präsentiert er sich uns im Krankenhaus. Er muss doch wissen, dass er verhaftet wird und keine Chance hat. Ob er die Geiseln tötet oder nicht, es wird nicht gut für ihn ausgehen.
"Ich will, dass ihr einen eurer Leute zu mir schickt. Dann verhandeln wir."
Er will ein Druckmittel, abgesehen von den Geiseln, damit wir alles tun, um unseren Kollegen zu retten. Sie diskutieren fast weitere zehn Minuten, doch sie können sich nicht einigen.
"Ich mache es", sage ich schließlich. "Ich gehe rein."
Spencer blickt mich schockiert an. "Er ist unberechenbar. Er wird dich töten!"
"Wir finden einen anderen Weg", stimmt Morgan ihm zu, doch Hotch sieht mich an und denkt über meinen Vorschlag nach.
Wenn nicht einer von uns geht, wird er die Geiseln töten. Es sind Kinder unter ihnen.
"Was wäre, wenn dein Sohn dort sitzen würde?", frage ich Hotch.
"Harriet, nein!", blufft Spencer.
Hotch nimmt den Hörer langsam ans Ohr. "Wir machen es", sagt er und wirft Spencer einen entschuldigenden Blick zu.

Jetzt

Ich küsse Spencer sanft, öffne die Tür zum Wartezimmer, werde in den Raum gezogen und die Tür wird geschlossen.

Spencer

Was habe ich nur getan? Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen. Verdammt! Gebannt verfolge ich das Geschehen auf dem Monitor, der die Aufnahmen der Überwachungskameras überträgt. Der Täter zielt mit einer Waffe auf Harriets Kopf. Als ich seinen Blick sehe, weiß ich es. Und Harriet weiß es auch. Sie wirbelt herum und rennt instinktiv zur Tür, doch bevor sie die Klinke erreicht, schießt er ihr in den Kopf. Alles geschieht in wenigen Sekunden. Harriet kippt um. Blut strömt aus ihrem Kopf. Sie atmet nicht.

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt