Kapitel 30 - Unter Beschuss

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Angst ist für das Überleben unverzichtbar.
- Hannah Arendt

Spencer

"Was ist mit den anderen?", fragt Alex.
"Hm?", mache ich.
"Wo sind die anderen? Ich sehe ihr Auto nicht."
"Ruf sie mal an", schlägt Rossi vor und rutscht auf dem Beifahrersitz, auf der Suche nach einer bequemeren Position, hin und her.
Ich fische mein Handy aus der Jackentasche und wähle Harriets Nummer.
"Geht nur die Mailbox ran."
"Ich versuche es mal bei JJ", sagt Alex und gibt ihre Nummer in ihr Handy ein. "Mailbox."
"Glaubst du, es ist etwas passiert?", fragt Rossi.
Ich zucke mit den Schultern. Bestimmt ist alles in Ordnung.

Harriet

"Okay, ich habe einen Plan", verkündet Morgan und lehnt sich ein Stück näher zu uns.
Ich hätte fast losgeprustet, weil mir die Situation so unwirklich erscheint.
"Okay, schieß los", sage ich und reiße mich zusammen.
"Wir können nicht hierbleiben und darauf hoffen, dass die anderen kommen und uns holen."
Wir nicken zustimmend.
"Die Straße ist von Wald umgeben. Ich schlage vor, wir laden unsere Waffen, gehen in den Wald und versuchen sie abzuhängen, bevor wir erschossen werden."
Ich schiebe die Unter- über die Oberlippe, ziehe die Augenbrauen hoch und nicke langsam. "Klingt nach einem Plan", sage ich, wobei ich einen sarkastischen Unterton in meiner Stimme nicht unterdrücken kann.
In den Wald rennen und hoffen, dass der Typ zu blöd ist, um ein sich bewegendes Ziel zu erschießen?
"Hat jemand 'ne bessere Idee?", fragt Morgan.
Keiner Antwortet.
"Also, dann los. Entsichert eure Waffen. Ich gehe vor, ihr kommt nach."
JJ und ich tauschen einen vielsagenden Blick, nicken aber. Morgan hat die Situation erfasst, versucht eine Lösung zu finden und geht voran. Der geborene Teamchef. Natürlich sehe ich Hotchner als geeigneten Teamchef an und möchte ihn auch als diesen behalten, doch ich frage mich, ob Morgan schon viele Jobangebote bekommen und erwogen hat sie anzunehmen.
"Ich zähle bis drei, dann machen wir uns auf den Weg und rennen zu der großen Eiche in den Wald hinein", sagt er. "Eins."
Ich atme ein letztes Mal tief durch und sammle mich. Es wundert mich, dass wir nicht längst erschossen wurden. Wir sitzen in der Falle. Vermutlich warten sie nur darauf, dass wir aus dem Auto steigen.
"Zwei."
Bereit machen.
"Drei!"
Wir stürmen heraus und werden mit einem Schwall aus Kugeln begrüßt.

Spencer

Wir haben jetzt schon fast eine Stunde vor der Bruchbude, in der sich Casey angeblich befinden soll, auf die anderen gewartet.
"Wir können nicht ohne sie gehen", sagt Hotch. "Die Schusswesten sind bei Morgan im Kofferraum."
"Ich habe schon ein paar Mal angerufen, aber es nimmt keiner ab", sagt Alex. "Irgendetwas stimmt da nicht. Ich rufe Garcia an."
"Hallöchen", meldet sie sich wenige Sekunden später. "Was gibt es?"
"Kannst du irgendwie herausfinden, wo genau Morgan, JJ und Harriet sich befinden?"
"Hm, einen Moment ...."
Ich warte ungeduldig.
Eine halbe Minute lang ist bloß ein Rauschen zu hören. "Ich habe sie gefunden. Sie stehen unter Beschuss."
Das ging schnell. Ich frage lieber nicht nach, wie sie es geschafft hat. "Wo genau sind sie?"

Harriet

"Verdammt", flüstert Morgan und drückt mit beiden Händen fest auf die blutende Wunde an JJs Schulter.
"Wir müssen weiter", sage ich.
"Aber, JJ ..."
"Nein, sie hat recht", unterbricht sie Morgan. "Ich schaffe das schon. Ich wurde ja nicht ins Bein getroffen."
"Okay, dann los."
"Warte!"
Ich ziehe mir meine blaue Stoffjacke aus, reiße sie ungeschickt in Streifen und verbinde JJs Schulter damit, so gut es geht.
"Danke", jauchzt sie.
Es dauert nicht lang und meine Jacke, die unförmigen Fetzten, die mal meine Jacke gewesen sind, ist mit Blut vollgesogen.
"Scheiße, es ist zu spät! Sie haben uns fast umzingelt", flucht Morgan.
"Okay", sage ich. "Geht ihr vor. Ich bleibe hier und versuche sie euch vom Hals zu halten."
"Nein, wir lassen niemanden zurück ..."
"Hey", unterbreche ich ihn. "JJ braucht Hilfe. Sie hat einen Mann und einen Sohn, die auf sie warten."
Beide sehen mich nur an, bewegen sich aber nicht von der Stelle.
Ich stoße Luft zwischen den Zähnen hervor. "Geht jetzt. Los! Das ist ein Befehl!"
Mir ist schon klar, dass ich ihnen keine Befehle erteilen kann, doch es funktioniert. Die beiden gehen endlich voran. Ich ziehe meine Waffe hervor und fange an zu schießen.

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt