Kapitel 9 - Folter

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Der gesunde Mensch quält andere nicht. Für gewöhnlich sind es die Gequälten, die wieder andere quälen.
- Carl Jung

Harriet

Ich höre das Entsichern einer Waffe und kann im letzten Moment zur Seite springen, bevor die Kugel meinen Kopf durchbohrt. Samuel fesselt mich erneut. Dieses Mal benutzt er Seile und bindet mich an einen Pfosten. Ich frage mich, warum er mich nicht längst umgebracht, nicht noch einmal auf mich geschossen hat. Die anderen Opfer hatte er nicht so lange in seiner Gewalt. Er ist ein Sadist und es befriedigt ihn, mich leiden zu sehen. Wenn ich ihm jedoch nicht zeige, wie sehr ich leide, wird es ihn dazu anspornen, mir schlimmere Dinge anzutun. Vielleicht kann ich dadurch Zeit gewinnen. Vielleicht führt es auch nur schneller zu meinem Tod.
"Ich kenne dich", ächze ich.
"Nein", erwidert er erstaunlich ruhig, während er die Seile verknotet.
"Du bist achtunddreißig Jahre alt, deine Eltern sind tot und du..."
"Sei ruhig."
Ein paar Sekunden lang herrscht Stille und ich sehe dabei zu, wie er den Knoten an meinem Handgelenk festzieht. Ich muss versuchen Zeit zu schinden. Das Team sucht nach mir. Jede Sekunde zählt.
"Es muss schwer für dich sein, dass..."
"SEI STILL!"
Er schnappt sich ein Messer und ritzt mir das Wort "Schlampe" in den Bauch.
Ich beiße die Zähne fest aufeinander.

Spencer

Der Bildschirm des kleinen Fernsehers geht wieder an.
"Er verhöhnt uns!", sagt Hotch und wirft aufgebracht die Hände in Luft.
Sie trägt nur einen BH und eine verdreckte Jeans. Ihr Körper ist so zerschunden, man weiß gar nicht, wo man zuerst hingucken soll.
"Ihr Bauch ...", haucht JJ.
Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich kann nicht glauben, was ich da sehe.
Samuel richtet einen Schlauch auf Harriet und schießt ihr Wasser in den Mund. Als er von ihr ablässt, hustet und würgt sie heftig, doch es ist nichts in ihrem Magen, was sie erbrechen könnte. Er knotet die Seile an ihren Händen auf und sie klatscht auf den Boden. Die Bildschirme werden wieder schwarz. Ich schließe für einen Moment die Augen und eine Träne läuft mir über die Wange. Ich darf mich nicht von meinen Gefühlen kontrollieren lassen, wenn wir Harriet finden wollen.
Konzentriere dich, Reid.

Ich schaue mir die Karte mit den Standpunkten der Hütten noch einmal genauer an. Harriet hatte uns ihren Aufenthaltsort verraten wollen, bevor Samuel auf sie geschossen hat. Wie hat sie den nur herausfinden können? Man konnte nur den Buchstaben S hören, bevor die Bildschirme wieder schwarz geworden sind. Die näheste Stadt mit dem Buchstaben S ist Seattle, doch keine seiner Hütten liegt außerhalb.
"Leute, es muss eine Hütte in Seattle geben, die auf einen anderen Namen registriert ist. Vielleicht ein Deckname oder der Name eines Freundes..."

Harriet

Ich zähle meine Atemzüge, um mich zu beruhigen. Mir ist eiskalt. Ich zittere am ganzen Körper und meine Zähne klappern. Wie lange bin ich jetzt schon hier gefangen? Ich habe das Gefühl für Zeit verloren. Minuten kommen mir vor wie Stunden. Wie aus dem Nichts legt Samuel seine Hände um meinen Hals und drückt zu. Ich kratze, schlage und trete um mich, doch ich habe keine Kraft mehr, um mich wirkungsvoll gegen ihn zu verteidigen.
Jetzt sterbe ich, denke ich. Meine Augen quellen hervor. Mir wird schwarz vor Augen und ich bete, obwohl ich nie sehr gläubig gewesen bin, dass es endlich aufhört.

Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt