„Andre?" Sarah klingt mittlerweile ziemlich ungeduldig. Das reißt mich aus meiner Starre.

„Ich geh schon!", sage ich hastig, drehe mich um und renne beihnahe in die Küche, während ich mich schon wieder ohrfeigen könnte, weil ich ihn wie ein Häufchen Elend habe auf dem Boden sitzen lassen... Aber ich muss erst einmal nachdenken.

„Was ist los?"

„Der Wasserhahn klemmt, es kommt fast nichts raus. Irgendwie ist er verstopft. Kannst du mal eben nachschauen? Eigentlich hätte ich ja Cengiz gefragt, da ich dich sicher mal wieder beim Schneiden störe, aber er ist bei der Gesangslehrerin und Andre kann ich auch nicht finden..."

„Schon okay." Ich setzte mein liebstes Lächeln auf. „Ich mach das mit dem Wasserhahn und du tust mir dafür auch einen Gefallen."

„Und der wäre?", fragt sie mit hochgezogenen Augenbrauen, doch ich sehe genau, dass sie es nicht ernst meint, sondern bereit ist, das zu tun, was ich verlange.

„Könntest du in die Stadt fahren und etwas zum Mittagessen einkaufen?", sage ich auf gut Glück, weil ich nicht weiß, ob wir schon genug zu essen im Kühlschrank haben.

„Mach ich. Irgendeinen besonderen Wunsch, Herr Meyer?"

Glück gehabt, dass unser Kühlschrank fast immer leer ist. Ich brauche die Zeit alleine mit Andre nämlich dringend, um ungestört mit ihm zu reden. Nicht, dass Sarah uns stören würde, aber es gibt Dinge, die gehen nur ihn und mich etwas an und schließlich mischen wir uns ja auch nicht in ihre Angelegenheiten mit dem Cengolen ein.

„Nope, eigentlich nicht..."

Sie nickt. „Na dann... Ich muss eh noch ein paar Kleinigkeiten für den Geburtstag einer Freundin kaufen."

„Perfekt..." Sie schnappt sich ihre Tasche und ich drücke ihr meinen Haustürschlüssel in die Hand, damit sie nicht noch ewig ihren eigenen suchen muss.

„Willst du mich loswerden?" Sie lacht.

Ich gehe nicht darauf ein. „Bring mir noch einen Kaffee mit, bitte, wenn du eh schon unterwegs bist!"

„Aha, daher weht der Wind. Herr Meyer ist auf Koffeinentzug..." Sie zwinkert mir zu. „Na dann beeile ich mich mal."

„Ne, lass dir so viel Zeit, wie du brauchst. So schlimm ist es noch nicht!", rufe ich ihr nach, während ich den Werkzeugkasten aus der kleinen Abstellkammer hole, aber da ist sie schon weg.

Ich schleppe das höllisch schwere Teil in die Küche und stelle es vor dem Waschbecken ab. Ich packe einige Werkzeuge aus und schraube ein Weilchen am Hahn herum, doch ich kann mich nicht konzentrieren, weil ich ununterbrochen an Andre denken und muss und wie schlecht es ihm geht. Nach nicht mal zwei Minuten gebe ich mich meinem schlechten Gewissen geschlagen und trotte mit hängenden Schultern zu Andres Zimmer, um mich bei ihm zu entschuldigen. Leider finde ich ihn dort nicht, wie ich erwartet hatte. Auch sein Bad und das Wohn- und Arbeitszimmer, sowie die Küche sind leer.

Er kann doch nicht gegangen sein, oder? Das hätte ich doch gehört... Schließlich kommt mir so eine Idee, ich gucke in meinem Zimmer nach und tatsächlich. Er liegt in meinem ungemachten Bett, auf dem Bauch, die Decke neben ihm und das Gesicht in mein Kopfkissen vergraben. Ich hole tief Luft und klettere neben ihm auf die Matratze.

„Andre?" Keine Reaktion.

„Andre... es tut mir leid." Ich höre, wie er die Nase hochzieht.

Vorsichtig streiche ich durch seine Haare am Hinterkopf. „Ich wollte das nicht, ehrlich..."

Er verharrt still. Immerhin schickt er mich nicht weg.

„Ich bin so ein Idiot, ich hätte..." Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll, darum schweige ich lieber. Eine Weile sitze ich nur da und fahre ihm weiter durch die blondierten Strähnen.

„Kannst du mir eventuell... verzeihen?", frage ich leise.

Mit einem Ruck setzt er sich auf und starrt mich ungläubig an. Seine Gesichtsfarbe ist auffallend kränklich und blass, genau wie die Lippen.

Ich warte darauf, dass er etwas sagt. Vergeblich. Langsam wird die Stille unerträglich.

„Es tut mir wirklich leid!", sage ich verzweifelt, in der Hoffnung, er würde endlich irgendetwas erwidern.

„Was?", krächzt er endlich. Ich atme erleichtert auf.

Gute Frage. Was tut mir denn eigentlich so leid? „Na, dass ich gestern Nacht einfach abgehauen bin und so..." Er sieht mich mit gerunzelter Stirn an.

„Das war echt dumm von mir und unfair...", rede ich weiter.

Sein durchdringender Blick macht mich ganz verrückt. „Ich dachte nur, dass... Nein, eigentlich habe ich gar nicht nachgedacht und deshalb..."

„Vergiss es, Dsche!", fällt er mir ins Wort. Seine Stimme klingt ganz rau und heiser. Jetzt bin ich es, der irritiert ist. Doch bevor ich wieder irgendwas sagen oder nachfragen kann, was mit ihm los ist, lässt er sich in meine Arme fallen, sodass ich nach hinten kippe und rücklings auf der Matratze lande. Als ich endlich realisiere, was gerade passiert ist, liegt er auf mir drauf mit seinem ganzen Gewicht, das Gesicht an meine Halsbeuge gepresst. Ich spüre sein lautloses Schluchzen, weil seine Schultern beben. Sobald ich den ersten Schreck überwunden habe, schlinge meine Arme um seinen Körper und halte ihn fest an mich gedrückt. Ich bin vollkommen aufgewühlt. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, seitdem Andre das letzte mal geweint hat. Ich stelle mit Schrecken fest, dass ich mir nicht mal sicher bin, ob ich ihn jemals habe weinen sehen. Und in diesem Moment begreife ich, dass irgendetwas viel Schlimmeres passiert sein muss als unser dämlicher Streit von heute Nacht. Etwas, das ihm viel mehr zu schaffen macht...


UUUUUiiii, ein seeehr langes Kapitel heute für euch... Wer hat Ideen, was Andre betrifft? Was ist ihm wohl passiert?


Ach ja, drückt mir bitte die Daumen, die nächste Woche wird bei mir echt heftig: Matheklausur (ich HASSE Mathe), Bioklausur (meeega viel z lernen) und ein Schiedsrichterlehrergang vom Volleyball mit Theorieprüfung am Wochenende (auch meeega viel zum Lernen). Ich hoffe, wir hören bald voneinander, kann es aber nicht versprechen... ;* <3

Memories never die | JandreWhere stories live. Discover now