Teil 2 - Kapitel 11 - Nur wir

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Aber tief im Herzen klingen noch lange Lust und Leid.
- Joseph von Eichendorff

Harriet

"Bist du fertig?", ruft Spencer.
Er wartet vor der Badezimmertür auf mich.
Ich sitze auf dem Boden neben der Badewanne und wische mir eine Träne vom Gesicht, dann stehe ich auf und betrachte mich im Spiegel. Ich trage einen Bikini. Als ich meinen Koffer gepackt habe, habe ich nicht daran gedacht. Mein Bauch ist vernarbt und hässlich. Man kann noch immer das Wort "Schlampe" oberhalb meines Bauchnabels erkennen, das Samuel Richard mir damals mit einem Messer in die Haut geritzt hat. Ich dachte, ich hätte damit abgeschlossen, doch als ich mich vorhin im Spiegel gesehen habe, konnte ich ein paar Tränen nicht zurückhalten.
Ich atme ein paar Mal tief durch und schlinge mir ein Handtuch um den Körper. Leider lässt Spencer sich nicht täuschen. Als ich das Badezimmer verlasse, weiß er sofort, dass etwas nicht stimmt. Er trägt ein graues Shirt und eine knielange Hose. Es ist seltsam ihn nicht in einem Hemd zu sehen.
"Du verheimlichst etwas", stellt er fest und sieht mich besorgt an.
Ich starre auf meine Füße, doch er hebt mit dem Zeigefinger mein Kinn an, sodass ich ihm ins Gesicht schauen muss. "Sag es mir."
Ich lasse das Handtuch bis zur Hüfte sinken und zeige ihm meinen Bauch.
"Du musst dich nicht schämen." Er kniet sich hin, küsst eine vernarbte Stelle auf meiner Haut und richtet sich wieder auf. "Du bist wunderschön."

Ich breite zwei Handtücher im Sand aus und lege mich hin. Spencer legt sich zu mir und mustert mein Gesicht.
"Dich bedrückt etwas", sage ich.
Spencer und ich können uns nichts vormachen. Wir kennen einander zu gut.
"Ich wollte es nicht in unseren Flitterwochen ansprechen", gibt er zu und runzelt die Stirn.
"Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst, aber die Flitterwochen sollen dich davon abhalten."
Es macht mir nichts aus, wenn Spencer mir nicht alles erzählt, solange es nicht wichtige Angelegenheiten betrifft. Es stört mich nur, wenn jemand unehrlich zu mir ist. Und das ist er nie.
"Bei meiner Mutter wurde Demenz im Frühstadium diagnostiziert. Neulich, vor unserer Hochzeit, habe ich sie besucht, wie du weißt ..."

Spencer

Mein Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse, als ich die folgenden Worte laut ausspreche.
"Bei meiner Mutter wurde Demenz diagnostiziert ..."
Meine Stimme klingt seltsam.
Ich warte einen Moment, bevor ich fortfahre. "In den ersten paar Minuten konnte sie sich nicht an mich erinnern. Ich weiß nicht, ob ich ebenfalls an Demenz leiden werde. Ich bin zu jung, um mich testen zu lassen."
Harriet schweigt. Sie denkt über meine Worte nach. Was ist, wenn ich mich irgendwann nicht an die Namen meiner Kinder erinnern kann?
"Wir stehen das gemeinsam durch", sagt Harriet langsam und nickt dabei. "Wir finden einen Weg."

Nachdem die Stimmung den Tiefpunkt erreicht hatte, haben wir uns vorgenommen den Tag dennoch schön zu gestalten. Wir schwimmen im Meer und bestellen Getränke an der Strandbar. Mir fällt auf, dass Harriet das Handtuch fest umschlungen hält. Ich nehme ihre Hände und massiere sie.
Harriet lächelt verlegen, doch sie legt das Handtuch beiseite.
"Es ist so schön hier", sagt sie, wirft den Kopf in den Nacken und genießt die Sonne.

Harriet

Spencer vergräbt das Gesicht in meinen Haaren und grinst.
Mir fällt ein, dass heute unsere Hochzeitsnacht ist. JJ meinte, dass sie mir dafür etwas in den Koffer gepackt hat, eine Tüte, die ich gebrauchen könnte. Bei dem Gedanken wird mir ganz heiß und ich versuche mich auf etwas anderes zu konzentrieren.
"Möchtest du in die Stadt gehen?", fragt Spencer.
Ich nicke. "Das wäre schön."

Wir gehen zurück zum Hotel, um uns umzuziehen. Ich ergreife die Gelegenheit und krame in meinem Koffer nach der Tüte. Ich finde sie in einem Seitenfach und schaue nach. Es ist ein hellblaues, durchscheinendes Nachthemd, das bis zum Po reicht. Der Brustbereich ist mit Spitze verziert.  Dazu gibt es die passende Unterhose.  Ich stopfe es schnell zurück in den Koffer.

Wir gehen in ein paar Geschäfte und ich kaufe mir einen Strohhut.
"Steht dir", meint Spencer und probiert selbst auch ein paar Hüte aus der Frauenabteilung an, um mich zum Lachen zu bringen.
"Vielleicht noch ein Kleid dazu?"
Er schmunzelt. "Willst du es darauf ankommen lassen?"

Abends essen wir in einem Restaurant und ich rufe JJ und Casey an, um ihnen zu sagen, dass wir gut angekommen sind. Als wir wieder im Hotel eintreffen, bin ich keineswegs müde, obwohl die Reise lang war und wir viel unternommen haben; an Schlaf ist nicht zu denken. Ein Zipfel der Tüte guckt aus meinem Koffer und mir kommt die Unterwäsche in den Sinn. Ich verschwinde im Badezimmer und nehme die Tüte mit, um den Inhalt ein weiteres Mal zu begutachten.
Trau dich, befehle ich mir.
Ich streife es über und beäuge mich im Spiegel. JJ hat einen guten Geschmack. Durch den leichten Stoff sind meine Narben nicht zu erkennen. Es betont und kaschiert die richtigen Stellen. Als ich aus dem Badezimmer komme und zurück ins Schlafzimmer gehe, bemerkt Spencer mich nicht sofort. Er ist in ein Buch vertieft. Eine Weile bleibe ich im Türrahmen stehen und beobachte ihn. Als ich mich in Bewegung setze, knarzt der Boden leise, da sieht er zu mir auf.
"Wow", entfährt es ihm, als er mich von oben bis unten mustert.
So hat er mich noch nie gesehen. Wir haben in der Vergangenheit natürlich schon miteinander geschlafen, doch das ist etwas anderes. Penelope hat uns vor der Hochzeit ohnehin "verboten" näheren Kontakt miteinander zu haben, damit die Hochzeitsnacht etwas besonderes wird. Wir hatten uns tatsächlich darauf eingelassen.
Spencer legt das Buch beiseite und lächelt verschmitzt. Er weiß, dass mir der Aufzug ein bisschen unangenehm ist, auch wenn ich versuche selbstbewusst zu wirken.
"Wollen wir uns etwas beim Zimmerservice bestellen?", fragt er, um die Stimmung zu lockern.
Ich nicke, obwohl ich nach dem Restaurantbesuch nicht hungrig bin.
Er schnappt sich das Telefon, das neben ihm auf dem Nachttisch liegt und wählt die Nummer.
Spencer trägt ein Shirt und eine Jogginghose und kann die Bestellung entgegennehmen. Ich werde mich in meinem Aufzug definitiv nicht vor einem Angestellten zeigen.
Nachdem Spencer etwas bestellt hat, gehen wir ins Wohnzimmer und lassen uns auf der Couch nieder. Jetzt komme ich mir in der Unterwäsche blöd vor. Ich wollte ihm eine Freude bereiten und nun sitzen wir im Wohnzimmer, weil ich zu nervös gewesen bin.

Wie sich herausstellt, hat Spencer Rotwein und Käse bestellt. Er schenkt uns etwas Wein ein und reicht mir eins der Gläser. Ich frage mich, woran Spencer gerade denkt und betrachte ihn. Ich finde es ulkig, ihn in einer Jogginghose zu sehen. Natürlich habe ich ihn zuvor auch schon so gesehen, da er ständig bei mir und ich bei ihm übernachte, doch ich gewöhne mich nicht daran.
"Wie hat dir die Hochzeit gefallen?", fragt er nach einer Weile.
"Es war wundervoll. Ich habe mich sehr gefreut Emily zu sehen. Und David hat sich so viel Mühe gegeben. Hast du Jake gesehen? Und Henry? Sie sahen in dem Anzug so niedlich aus!"
Spencer lacht leise. "Stimmt. Du und Rossi, ihr versteht euch gut, nicht?"
Zuerst weiß ich nicht, wie ich seine Frage verstehen soll, doch dann nicke ich. "Ja, er ist mir ein guter Freund."
Ich lege meinen Kopf an seine Brust und schaue zu ihm hoch. "Ich liebe dich."
Er lächelt. "Ich liebe dich auch."
Ich beuge mich zu ihm und küsse ihn. Seine Hände legen sich behutsam um meine Taille und hinterlassen einen angenehmen Schauer. Er erwidert den Kuss und zieht mich an sich. Meine Hände gleiten unter sein Oberteil und ich fahre mit gespreizten Fingern über seinen Rücken. Er bekommt eine Gänsehaut, was mich zum Schmunzeln bringt. Wir erheben uns von der Couch und bewegen uns in Richtung Schlafzimmer. Glücksgefühle durchströmen meinen Körper. Bevor wir den Raum betreten, halten wir inne und die Küsse werden leidenschaftlicher, fordernder, verlangen nach mehr. Wie konnten wir nur so schnell das Thema wechseln?
Er drückt mich sanft gegen die Wand und legt eine Hand an meinen Hinterkopf, während ich ihn an mich ziehe, um ihm noch näher zu sein.
Wir lassen keuchend voneinander ab und setzten den Weg ins Schlafzimmer fort. Mein Herz rast, mein Bauch zieht sich zusammen und mir wird ganz warm. Wenn ich dem Fall damals nicht zugeteilt worden wäre, bei dem ich das BAU-Team unterstützen sollte, hätten wir uns niemals kennengelernt. Ich vergrabe die Hände in seinem Haar und lasse mich von ihm auf das Bett legen. Mein Körper handelt von allein, reckt sich ihm entgegen. Ich ziehe die Decke über uns und öffne das Band an seiner Hose. Er seufzt leise. Sein Atem geht schnell. Meiner auch.


Criminal Minds - Spencer und HarrietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt