45 | Familie

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Svea POV

Ich habe Lou geschrieben. Während wir nach Herzogenaurach gefahren sind, hatte ich den plötzlichen Impuls ihr zu schreiben. Vielleicht liegt es daran, dass wir am Freitag in Wolfsburg spielen und ich nicht will, dass es unangenehm wird, wenn wir uns nach dem Spiel sehen. Dass sie da sein wird, weiß ich von Jule. Natürlich kommt meine Familie. Und ich habe etwas einfädelt. Da Jade ja nicht zu ihrer Nationalmannschaft fahren kann, wird auch sie nach Wolfsburg zu meinem Spiel fahren. Jule weiß Bescheid. Es ist riskant, dass Lou und Jade so aufeinander treffen werden, aber es war nicht meine Idee. Es war Jades. Ich verstehe auch, dass sie mein Spiel sehen will. Und dann habe ich an dem Tag auch noch Geburtstag. Und damit der Tag am Ende so schön wird, wie ich es mir aktuell vorstelle, will ich meiner Mom erklären, was passiert ist. Letztendlich schreiben wir die ganze zweistündige Fahrt. Eigentlich wollte ich etwas für die Uni machen, aber das war jetzt eben wichtiger. Vor allem, weil es etwas gebracht hat. Natürlich kann Lou das, was sie gesagt hat nicht rückgängig macht, aber sie weiß selbst, dass es nicht ganz richtig war. Dabei haben wir dann auch festgestellt, dass wir uns quasi zeitgleich an Psychologinnen gewendet haben. Lou meinte, sie sei stolz auf mich. Ich habe erwidert, dass ich auch stolz auf sie sein werde, wenn sie es schafft ohne Vorurteile irgendwann Jade kennenzulernen. Dass es schon am Freitag sein wird, muss sie ja jetzt noch nicht wissen.

So vergeht die Zeit blitzschnell und schon erreichen wir das Adidas Headquater in Herzogenaurach. Wie immer dauert es etwas bis dann endlich alle da sind. ,,Willkommen zum ersten Lehrgang im Jahr 2051. Ihr wisst, es ist ein besonderes Jahr. In viereinhalb Monaten beginnt die EM in Schweden. Davor gibt es diesen Lehrgang, einen im April und dann die direkte EM Vorbereitung. Die Plätze sind begrenzt und die Entscheidung wird für uns nicht einfach werden. Aber ihr sollt es uns auch nicht mehr leichter machen. Ich möchte, dass ihr alle alles gebt, um eure Chance zu nutzen. Ihr habt alle die Möglichkeit dabei zu sein. Doch dafür gilt es hart zu arbeiten. Wir wollen als Team weiter zusammenwachsen. Sowohl abseits des Platzes, als auch im Spiel. Wir haben einige intensive Trainingseinheiten vorbereiten, aber auch eine tolle Teambildung Aktion wartet auf euch. Dazu kommen die zwei Testspiele. Am Freitag in Wolfsburg gegen Frankreich und dann am Dienstag in Schweden. Das zweite Spiel werden wir dann auch direkt nutzen, um uns mit dem Umfeld bei der EM schon mal vertraut zu machen. Es warten interessante Tage auf uns alle. Aber jetzt kommt erstmal an. Wir treffen uns um 15 Uhr im Kraftraum zu einer regenerativen Einheit. Die Zimmerliste liegt wie immer vorne.“

Julianes Ansprache ist beendet und gemeinsam mit den anderen Stuttgarterinnen gehen wir vor zur Liste. Ich bin wieder mit Emma in einem Zimmer und wieder sind auch Jenny und Tessa bei uns im Häuschen. Emy teilt sich mit Sophie, die bei Werder Bremen spielt, ein Zimmer. Mit im Haus sind noch eine Spielerin von Eintracht Frankfurt und eine von Borussia Dortmund. Emy wirkt ganz zufrieden damit. ,,Sveaaaa!“ höre ich hinter mir jemanden rufen. Ich drehe mich um und schon springt mir Emma in die Arme. Ich habe sie noch gar nicht gesehen, aber ich merke, dass ich sie vermisst habe. Es ist schon wieder eine ganze Weile her, dass wir uns gesehen haben. Während wir unsere Sachen auspacken, bringen wir uns gegenseitig wieder auf den neusten Stand. Danach geht es dann in den Kraftraum. Die meisten von uns haben gestern noch gespielt, so dass etwas Regeneration gut tut. Juliane spricht währenddessen nochmal mit ein paar Spielerinnen einzeln. Auch zu mir kommt sie und erzählt, dass man ihr weitergeleitet hat, dass ich angefangen habe mit unserer Sportpsychologin zusammenzuarbeiten. Wenn ich etwas bräuchte, kann ich mich an sie wenden. Ich weiß das sehr zu schätzen, aber ich weiß auch, dass ich es wahrscheinlich nicht machen werde. Dafür ist unsere Bindung nicht eng genug.


Die Trainingseinheit am Mittwoch verläuft richtig gut. Trotz dessen, dass ich beim letzten Lehrgang nicht wirklich mit dem Team trainiert habe, da ich ja sofort krank war, bin ich sofort wieder im System drin. Juliane hat uns signalisiert, dass wir alle unsere Chance auf einen Platz im EM Kader haben, so dass ich alles dafür tun will. Natürlich bin ich auch hier die jüngste und nicht wirklich erfahren und habe somit andere Voraussetzungen als beispielsweise Ida, die bestimmt dabei sein wird, aber trotzdem habe ich eine Chance. Der Fokus im Training liegt auf dem Ballbesitz und dem Aufbauspiel, was ja als Mittelfeldspielerin auch zu meinen Kernkompetenzen gehört. Bei Ida weiß ich ja schon, dass wir auf dem Platz sehr gut harmonieren, aber auch mit Emma funktioniert das Zusammenspiel super. In Länderspielen selbst haben wir ja noch gar nicht miteinander gespielt, da ich immer für sie eingewechselt worden bin. Vielleicht ändert sich das ja dieses Mal. Juliane hat noch gar nichts zu möglichen Aufstellungen angedeutet. Aber es reicht ja auch, wenn wir das erst morgen erfahren. Nach dem Training gehen wir erstmal duschen, bevor es dann Mittagessen gibt. Es ist sehr schön wieder in dieser Gruppe zu sein. Überall wird geredet, sich ausgetauscht und gelacht. Alle wirken fröhlich und kommen gut miteinander aus. Obwohl man sich länger nicht gesehen hat und im Liga Alltag Konkurrentinnen sind, sind wir hier eine Familie, bei der es sich anfühlt als hätten wir uns gestern erst das letzte Mal gesehen. Um das noch mehr zu festigen, steht am Nachmittag das angekündigte Teambildung Event an. Wirklich wissen, was passiert, tun wir allerdings nicht. Mit den Fahrrädern radeln wir über das Areal und folgen unserem Trainerteam einfach. Schließlich halten wir vor einem riesigen Kletterturm. Man könnte meinen, wir wären kleine Kinder, denn sofort geht das Getuschel los. Wir werden wohl klettern. Genauer gesagt, werden in wir uns in Zweierteams zusammen finden und uns dann gegenseitig sichern, wie uns erklärt wird. Mit Höhe habe ich zum Glück gar kein Problem. Ich mag Klettern eigentlich auch ganz gerne und habe auch das mit dem gegenseitig sichern schon gemacht. Uns wird natürlich trotzdem erklärt, wie die Sicherungstechnik funktioniert und dann geht es auch schon los.

Ich werde Sophie als Partnerin zugeteilt. ,,Alles gut?“, frage ich sie. ,,Hm ja, ich hab etwas Höhenangst und habe sowas noch nie gemacht. Das sieht ja schon alles sicher aus, aber ich weiß nicht…“ ,,Hey, alles ist gut. Ich habe das schon mal gemacht. Du kletterst einfach so weit, wie du dich wohlfühlst und ich hab dich. Da kannst du mir vertrauen. Und wenn du nicht weiter willst, ist das ja auch voll okay.“ ,,Darf ich dann zuerst klettern?“, fragt Sophie. ,,Klar, wie es dir lieber ist.“ Tatsächlich macht sie es wirklich gut. Bei meinem einen Lehrgang hatten wir fast gar nichts miteinander zu tun, aber trotzdem ist sofort klar, dass wir uns gegenseitig vertrauen können. Genau darum geht es ja bei diesem Teambildung Event. Sophie überwindet sich und kommt auch wirklich ein gutes Stück nach oben. ,,Danke“, meint sie, als sie wieder festen Boden unter den Füßen hat. ,,Klar doch“, grinse ich und lege mir den Gurt an. Sobald meine Hände die ersten Griffe berühren, werde ich wie ein kleines Äffchen. Langsam und konzentriert klettere ich Stück für Stück die Wand hoch. Ich weiß, dass Sophie mich sichert und kann so immer weiter nach oben gehen. Bis ganz nach oben schaffe ich es nicht, aber schon ziemlich weit. ,,Das haben wir toll gemacht, vor allem du“, sagt Sophie, als auch ich wieder unten bin. ,,Du aber auch.“ Anschließend tauschen wir einmal kräftig durch und klettern nochmal. Abends kochen wir dann noch alle zusammen. Dieses Team wird gerade einfach noch besonderer.

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