27 | Gegnerinnen

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Svea POV

Einen Monat später hat sich vieles verändert. Und doch ist das wichtigste gleich geblieben. Ich liebe es in Stuttgart. Meine Freundschaften werden immer stärker und sportlich läuft es sowieso richtig gut. Zwar haben wir im ersten Spiel in der Champions League gegen Inter Mailand nur unentschieden gespielt, aber die beiden folgenden – wieder gegen Inter und gegen Malmö – gewonnen. In der Liga sind wir wieder Tabellenführer. Leider haben wir gegen Bremen verloren, aber dafür gegen Frankfurt gewonnen. Gleichzeitig sind auch Bremen und Wolfsburg gestrauchelt und so sind wir wieder vorne. Zumindest noch. Am Sonntag spielen wir gegen Wolfsburg. Ein Spiel vor dem ich ziemlich viel Angst habe. Nicht nur spiele ich zum ersten Mal gegen meinen ehemaligen Verein, der mir so viel ermöglicht hat. Ich spiele auch zum ersten Mal ein Pflichtspiel gegen Mom. Tatsächlich war unser Kontakt relativ stabil in den letzten Wochen. Wir haben uns gegenseitig auf dem Laufenden gehalten. Natürlich habe ich Jade nicht einmal erwähnt. Zumindest nicht in dem Kontext, dass sie meine Freundin ist. Ich merke, dass Lou weiß, dass ich ihr etwas verheimliche, aber ich weiß, dass es schlimmer ist, wenn sie die Wahrheit erfährt. Das will ich so lange wie möglich vor mir her schieben. Generell weiß es immer noch niemand außer Emy, wobei ich aber fest davon ausgehe, dass der Rest unserer Clique etwas ahnt. Besonders Jenny macht immer wieder Andeutungen, aber bisher habe ich sie immer abgewimmelt oder es mit Humor genommen. Da sie ja eigentlich Recht hat, finde ich es wirklich nicht schlimm. Und das wichtigste, ich bin so glücklich mit Jade. Ich merke auch, dass uns beiden das auch fußballerisch nochmal ziemlich weiter gebracht hat. Generell habe ich das Gefühl mich im letzten Monat richtig gut entwickelt zu haben. Und genau deswegen macht mir das Spiel gegen Lou ziemlich Angst, weil das wieder ein Rückschritt werden kann. Und das will ich nicht. Ich will nicht wieder wegen Lou versagen. Ich will nicht wieder an mir selbst zweifeln. Ich will einfach gut spielen. Vielleicht klappt es ja dieses Mal. Alle guten Dinge sind schließlich drei.


Lou POV

,,Auf geht’s Mädels!“, brüllen wir am Ende meiner Ansprache. Wir stehen in der Umkleide der Mercedes Benz Arena und haben mit das wichtigste Saisonspiel vor uns. Vor allem, wenn man bedenkt, wie die letzten beiden Spiele ausgingen. Gegen Köln zu verlieren kann vorkommen, aber gegen Leverkusen vergangene Woche hätte wir definitiv gewinnen sollen. Jetzt geht es als gegen den Tabellenführer. Wenn wir heute nicht verlieren droht der Kontakt zu den oberen Tabellenplätzen abzureißen. Das sollten wir vermeiden, aber gegen Stuttgart wird das richtig schwer. Deren Sieg gegen Frankfurt hat sie wieder richtig in Schwung gebracht und in der Champions League läuft es für sie sowieso gut. Bei uns ist es gerade eher mittelmäßig. Mit einem 1:1 gegen Ajax Amsterdam haben wir unnötig Spannung ins Rennen ums Weiterkommen gebracht. Am letzten Spieltag gegen Arsenal müssen wir jetzt punkten, sonst wird es eng mit dem Weiterkommen. Aber davor gilt es jetzt in der Liga wieder Fuß zu fassen. Ich will nicht weiter verlieren. Und gleichzeitig schiebe ich die Schuld auf mich. Auch wenn Eva ständig beteuert, dass es an der Gesamtsituation liegt. Unsere wichtigste Stürmerin fehlt verletzt. Das hat ein kleines Loch in die Mannschaft gerissen und ich als Trainerin schaffe es nicht, dieses richtig zu stopfen. Ich habe schon die verschiedensten Möglichkeiten ausprobiert, aber es funktioniert nicht. Das ganze Rotieren hat zudem für einen unruhigen Spielfluss gesorgt. Natürlich müssen wir bei unserem hohen Pensum viel wechseln, aber normal bleiben bestimmte Achsen bestehen und drum herum wird geschaut, wer wie dazu passt. Doch das schaffe ich aktuell nicht. Und je länger es dauert, desto mehr Gedanken mache ich mir. Bin ich wirklich die richtige dafür?

Doch diese Frage darf ich mir jetzt nicht stellen. Jetzt gilt es das Spiel zu gewinnen. Doch die Hoffnung stirbt schon früh. Bereits nach zehn Minuten befördert Svea höchstpersönlich den Ball in unser Tor. Ich weiß, dass das Tor für sie wichtig ist. Doch das ist mir jetzt ziemlich egal. Nur wenig später legt sie für deren Flügelstürmerin auf und es steht schon früh 2:0 gegen uns. Ich beginne vor der Bank auf und ab zu tigern. Was mache ich nur falsch? Immerhin schafft Emma es durch einen schönen Kopfball nach einer Ecke noch vor der Pause den Anschlusstreffer zu erzielen. Zumindest etwas. Verzweifelt versuche ich aus meiner Mannschaft die nötige Energie rauszukitzeln. Dabei fehlt sie mir selbst. Es ist nicht einfach ein Team zu leiten, bei dem es nicht gut läuft. Als Trainerin ist man in den Medien immer der Depp. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.

Natürlich ist es falsch die Hoffnung jetzt schon aufzugeben. Im Fußball kann vieles passieren. Doch nach nur drei Minuten in der zweiten Hälfte erhöht der VfB auf 3:1. Eine dreiviertel Stunde später ist das der Endstand. Wir haben schon wieder verloren. Während die Stuttgarterinnen feiern, versuche ich unser Team positiv zu stimmen. Wir haben nicht schlecht gespielt, wirklich nicht. Stuttgart war einfach besser und hat aufgezeigt, wo wir unsere Probleme haben. Als wir unseren Kreis auflösen, gehe ich auf Svea zu. Ich will unbedingt mit ihr reden. So schmerzhaft das Spiel für mich war, so schön war es für sie.

,,Hey“, spreche ich sie an. Natürlich hat sie mich kommen sehen und so ist es mir nicht entgangen, dass Jade, mit der sie gerade noch geredet hat, zu anderen geht. ,,Hi Mom.“ ,,Gutes Spiel Svea. Wirklich, dieses Tor war echt der Wahnsinn.“ ,,Danke. Deine Mädels haben es uns aber trotzdem echt schwer gemacht“, erwidert sie. Ich sehe, wie sie nervös am Saum ihres Trikots rumspielt. ,,Naja, ihr habt einfach souverän und verdient gewonnen. Das muss ich so anerkennen.“ ,,Trotzdem darfst du frustriert sein. Das hast du mir auch immer gesagt.“ Wann ist sie so schnell erwachsen geworden? Die Svea, die vor etwas mehr als drei Monaten ausgezogen ist, hätte das nicht gesagt. ,,Ja. Ja, das stimmt. Wie geht es dir?“, frage ich. ,,Super. Das Spiel gerade war für mich einfach mega, genau wie die letzten Wochen. Ich bin so froh hier zu sein. Das tut mir einfach so gut.“ Ich sehe wie sie strahlt und trotzdem oder vielleicht auch genau deswegen kann ich es nicht vermeiden, dass eine Form von Eifersucht sich in mir ausbreitet. ,,Ach, das wäre es in Wolfsburg nicht gewesen?“ ,,Ich… Mom, du weißt, dass es nicht gegangen wäre. Es hätte nicht funktioniert mit uns und ich hätte nicht…“ Denkt sie an Jade? ,,…die Freundinnen gefunden, die ich hier habe. Klar, die Mädels in deiner Mannschaft sind bestimmt auch alle total nett und gerade Emma habe ich in der Natio auch kennen gelernt, aber die Freundschaften, die ich hier geschlossen habe, sind einfach besonders.“ Geschickt rausgeredet. ,,Das kannst du nicht wissen“, werfe ich ein. ,,Schon, aber trotzdem. Hier konnte ich mich fußballerisch extrem weiterentwickeln. Ich habe alles, was ich brauche und ich fühle mich wohl. Ich weiß nicht, ob ich mich so beim VfL auch gefühlt hätte.“ ,,Ja klar, schieb alles schön auf mich. Ich bin an allem Schuld, ist doch klar.“ ,,Mom, so meinte ich das nicht“, meint Svea. ,,Es ist doch offensichtlich. Wäre ich nicht Cheftrainerin geworden, wärst du zum VfL gewechselt. Doch dann wolltest du gehen. Und so schön es für dich ist, für mich wäre es besser geblieben, wenn du geblieben wärst.“ ,,Aber das ist doch alles hätte wäre wenn.“ Sie versteht es einfach nicht. Aber ich muss es ihr erzählen. Doch noch immer stehen wir auf dem Rasen.

Ich ziehe Svea mit mir in den Tunnel vom Stadion. ,,Weißt du eigentlich, was ich mir für Sorgen um dich mache und gemacht habe? Du warst von jetzt auf gleich weg. Und bist in eine Stadt gegangen, in der es mir nicht gut ging. Du kennst mich. Du kennst die ganze Probleme, die ich in meinem Leben hatte. Es war alles nicht einfach für mich. Doch ich dachte immer, dass ich mit allem abgeschlossen habe. Und dann kam dein Wechsel, dein Start im Profifußball, die Menschen, die du kennengelernt hast. Meine Wunden wurden aufgerissen. Du hast dich nicht gemeldet. Du hast den Kontakt zu mir abgebrochen. Ich hatte Angst um dich. Ich hatte Angst, dass du etwas ähnliches durchleben musst wie ich und ich nicht für dich da sein kann. Ich wollte dir nur helfen, aber du hast abgeblockt. Immer wieder habe ich es versucht, doch du hast mich nicht an dich rangelassen. Und das hat es nur noch schlimmer gemacht. Ich wollte, dass es dir gut geht und einfach nur sicher gehen, aber du hast mir das Gefühl gegeben, dass du mich nicht brauchst. Ich habe die Spiele gesehen, in denen du zu kämpfen hattest, aber du hast dir nicht helfen lassen. Stattdessen hast du nur dafür gesorgt, dass es auch mir schlecht geht.“ ,,Ziehst du ernsthaft die Mitleidskarte? Du musst dich nicht erklären. Gut zu wissen, wie du dich gefühlt hast, aber auch ich hatte meine Gründe dafür. Und ganz ehrlich, mir geht es aktuell so gut. Das kann gar nicht falsch sein und es könnte woanders auch nicht besser sein. Vor allem nicht in Wolfsburg. Mom, versteh einfach, dass ich da raus musste“, entgegnet Svea. Dann sieht sie eine ihrer Mitspielerinnen zu ihr kommen. Es ist nicht Jade. ,,Alles okay?“, wird Svea gefragt. ,,Ja, ich muss nur noch kurz was klären. Ich komme gleich, Ida.“ Dann wendet sie sich wieder an mich. ,,Mag sein, dass das für dich schwierig war. Aber wir hätten das alles klären können. Aber so wie du manche Menschen angeschaut hast, tut’s mir dann auch Leid. Ich kann mir meine Freundschaften wohl selbst aussuchen.“ ,,Das sieht teilweise aber mehr als nach einer Freundschaft aus. Aber natürlich, du hast Recht. Ich sollte mich einfach zusammenreißen. Ich bin ja das Problem, nicht du.“ Ich will mich schon anwenden, aber Svea hält mich zurück. ,,Mom, so war das nicht gemeint…“ ,,Lass es Svea. Es gibt gerade wirklich wichtigeres, was geregelt werden muss.“ Dann gehe ich endgültig. Wie erwachsen meine Handlungsweise gerade war, würde ich anzweifeln, aber ich konnte es mir nicht mehr gefallen lassen.

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