34 | Zuhause

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Lou POV

Ich weiß es nicht wie, aber irgendwie haben wir es geschafft in der Champions League am letzten Spieltag gegen Arsenal zu gewinnen und ins Achtelfinale zu kommen. An mir lag es nicht, so viel steht fest. Die letzten Wochen waren hart. Erst agiert Svea in diesem Gespräch so egoistisch, dann wird sie krank und handelt exakt so, wie ich es immer getan habe und plötzlich entschuldigt sie sich bei mir. Ich würde lügen, wenn ich mir keine Sorgen gemacht hätte, als Juliane und informiert hat, dass Svea krank ist und sie auf Jules Nachrichten aber nicht geantwortet hat. Es hat mich zu sehr an meine eigene Zeit erinnert. An dieses eine Spiel, nachdem ich mein Handy ausgeschaltet, weil ich so unzufrieden mit mir war, dass ich keine Glückwünsche ertragen konnte. In der Folge war ich mental am Ende. Wieder hat Svea eine alte Wunde aufgerissen. Auch, wenn sie sich schließlich gemeldet hat, konnte ich die Nacht aus Angst vor neuen Albträumen nicht schlafen. Dann hat es sich langsam wieder gelegt. Bis sie mich nach Jades Kreuzbandriss plötzlich angerufen hat. Nicht Jule, sondern mich. Seitdem denke ich über die anstehenden Weihnachtsfeiertage nach. Wie kann ich ihr nur gegenüber treten. Natürlich hat sie Fehler gemacht. Aber sie hat sie sich einverstanden. Sie wird sich entschuldigen, aber ich weiß nicht, ob ich das annehmen kann. Oder wie ich das annehmen kann. Und dann ist da ja immer noch die Sache mit Jade und ihren Müttern. Svea kennt immer noch nicht die ganze Geschichte und das soll auch so bleiben. Dennoch wäre es einfacher für sie, um alles zu verstehen. Aber sie wird das noch nicht können. Erstmal muss sie wirklich kommen. Ich habe das ungute Gefühl, dass sie spontan zu Jade und ihren Eltern fahren könnte. Wobei ich immer noch nicht weiß, was da wirklich zwischen Jade und Svea läuft. Nicht Mal Jule weiß etwas. So lange kann sie mir das nicht verschweigen. Irgendwann wäre es aus ihr herausgeplatzt.


Am letzten Spieltag am dritten Advent verlieren wir zum Abschluss der Hinrunde krachend gegen Werder Bremen. Somit stehen wir nun auf Platz drei hinter eben jenen Bremerinnen und den Tabellenführerinnen aus Stuttgart. Eigentlich war es eine gute Hinrunde. Zumindest hat sie am Ende ein sportlich einigermaßen gutes Ende genommen. Zwei Tage Training stehen noch an, dann geht es in die Winterpause. Bei Svea läuft es genauso, so dass sie am Mittwoch zusammen mit Emy hoch nach Wolfsburg fahren wird. Oder in anderen Worten: sie kommt heute Nachmittag. Jule hat auch schon die ganze Woche Ferien und ist, wie Moritz, auch zu Hause. Immerhin. So bin ich nicht auf mich alleine gestellt, wenn Svea kommt. Trotzdem bin ich den ganzen Vormittag ziemlich unruhig. Was soll ich ihr sagen? Wie gehen wir miteinander um? Wird sie sofort ein Gespräch suchen? Oder soll ich es suchen? Aber was soll ich sagen? ,,Pass auf“, reißt mich Jule aus meinen Gedanken. Fast hätte ich mir in den Finger statt in die Karotte geschnitten. ,,Hey, es wird alles gut, ja?“ Jule nimmt mir das Messer ab und legt einen Arm um mich. ,,Svea tut es wirklich Leid und nach all dem, was sonst so passiert ist, wahrscheinlich noch mehr. Sie wird dich nicht mehr verurteilen, vertrau mir“, fährt Jule fort. ,,Ich hoffe es.“ ,,Ihr werdet klarkommen. Und wenn nicht sofort, dann mit der Zeit. Sie ist ja mindestens anderthalb Wochen hier, da habt ihr genug Zeit für alles.“ Ich nicke. Jule lässt mich wieder los, nur um mir danach einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Wir bereiten das Mittagessen fertig zu und vespern dann mit Moritz zusammen. Während Jule sich an zu korrigierende Arbeiten setzt, gehe ich eine Runde Joggen.


Als ich wieder in unserer Straße ankomme, sehe ich Emys Auto vor der Tür stehen. Langsam gehe ich die letzten Meter. Ich sehe, wie Emy wieder einsteigt. Als sie an mir vorbeifährt, winken wir uns kurz zu. Ich merke, dass ich noch langsamer werde. Am liebsten würde ich umdrehen und nochmal eine Runde laufen. Aber das ist doch Quatsch, ich bin verdammt nochmal 45 Jahre alt. Ich sollte mich meinen Problemen stellen können. Ich betrete das Haus und stolpere erstmal fast über Sveas Koffer. Sie wird es nie lernen. Kopfschüttelnd schaue ich auf. Ich blicke direkt zu Jule, die Svea in ihren Armen hält. Ich erkenne ein kleines Lächeln auf Sveas Lippen, aber auch ein paar Tränen. Sind es Freudentränen? Oder warum weint sie? Mein Herz zieht sich zusammen. Ich will auch so für sie da sein können. Aber ich kann es nicht. Schnell gehe ich nach oben und ziehe mich um, nachdem ich kurz duschen war. Dann mache ich mich wieder auf den Weg nach unten. Svea und Jule sitzen zusammen auf dem Sofa. Moritz ist bei einem Freund. Mir bleibt nichts anderes übrig als mich zu meinen beiden Mädels zu setzen. ,,Hi“, sage ich und setze mich neben Jule. ,,Mom.“ Svea steht auf und umarmt mich. Auch ich schlinge meine Arme um sie. Ich will nicht weinen, aber trotzdem merke ich, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln. Ich habe das mehr gebraucht, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Sie ist immer noch meine Tochter. ,,Wie geht es dir?“, frage ich, als wir uns wieder lösen. ,,Ganz okay. Ich mache mir etwas Sorgen um Jade, aber ansonsten gut“, antwortet Svea. Sie hat sich zwischen mich und Jule gequetscht. Die Art, wie sie mit ihrem Haargummi spielt, verrät sie allerdings. Da ist mehr, als das, was sie gerade gesagt hat. Aber ich frag nicht weiter nach. Wenn sie darüber reden will, muss es von ihr kommen. Ich werde sie nicht zu irgendwas zwingen. Jule wechselt das Thema und wir beginnen über die erste Hälfte der Saison zu reden. Svea berichtet begeistert von ihrer ersten Erfahrung bei der Nationalmannschaft und auch von ihren Champions League Spielen. Ich sehe, wie ihre Augen leuchten. Irgendwie ist es für eine Bestätigung, dass ich sie alles richtig gemacht hat. Und es ist Schritt mehr, um mit dem allen Frieden zu schließen. Doch trotzdem ist Svea nicht die ganze Zeit so ausgelassen. Ständig blickt sie auf ihr Handy. ,,Ich gehe kurz telefonieren“, sagt sie irgendwann. ,,Alles klar Maus“, meint Jule. ,,Ist es Jade?“, erkundige ich, als Svea weg ist. ,,Ich glaube.“ ,,Was ist da zwischen den beiden?“ ,,Auch das weiß ich nicht sicher, aber so wie sich Svea Sorgen um Jade macht, würde ich fast vermuten, dass sie zusammen sind. Schließlich war es Svea, die das Herz für Jade geformt hat, als sie das Tor im Champions League Spiel erzielt hat“, erläutert Jule. ,,Aber das hätte jede andere Spielerin doch gemacht“, werfe ich ein. Vielleicht will ich es einfach nicht wahrhaben.


Abends haben wir zu viert gekocht. Ich will gerade ins Wohnzimmer gehen, da hält mich Svea zurück. ,,Mom, können wir reden?“

Flowers grow back Où les histoires vivent. Découvrez maintenant