43 | Hilfe

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Svea POV

Passenderweise haben wir den nächsten Vormittag frei. Gestern Abend ist es dann doch recht spät geworden. Dennoch, das wichtigste ist, dass wir gewonnen haben und im Viertelfinale stehen. Während die meisten die Zeit zum Ausschlafen nutzen, treffe ich mich schon recht früh mit Melly. Zusammen verlassen wir das Hotel und laufen zu einem nahegelegenen Park. ,,Wollen wir uns in das Café dort setzen? Es ist kälter als ich dachte“, schlägt Melly vor. ,,Gerne.“ Auch wenn es hier in Turin ein paar Grad mehr hat, ist es trotzdem recht kalt. Es ist eben erst Anfang Februar. Wir holen uns beide einen Kaffee und setzen uns dann an einen Tisch am Fenster. ,,Du hast gestern echt gut gespielt“, meint Melly schließlich. ,,Danke. Aber ehrlich gesagt hätte ich das nicht erwartet“, gestehe ich. ,,Wie ging es dir davor?“ ,,Ich würde schon fast sagen, dass ich Angst hatte. Angst, dass ich nochmal versage. Die letzten Tage waren nicht einfach, vor allem nicht mit dem Ligaspiel und dann zu wissen, dass man trotzdem wieder in der Startelf steht und nicht nochmal so katastrophal spielen darf, war hart.“ ,,Hätten wir dich lieber einwechseln sollen? Vom sportlichen her war es ja richtig gut, dass du von Anfang an gespielt hast, aber wäre es dir mental lieber gewesen, wenn du von der Bank gekommen wärst?“, erkundigt sich Melly. ,,Ich weiß es nicht. Hätte ich nicht gespielt, hätte ich wahrscheinlich es als meine Strafe oder logische Konsequenz für meine schlechte Leistung gesehen. Dann hätte ich mir eben andere Gedanken gemacht. Ich glaube, der mentale Aspekt ist mein großer Schwachpunkt.“ ,,Aber es lief ja dann gestern doch gut?“ ,,Ja, aber davor hab ich mich einfach nur schrecklich gefühlt. Als ich auf dem Platz war, war alles normal, aber davor hatte ich einfach nur Angst und mit so einem Gefühl will ich nicht in ein Spiel starten. Und wenn ich jetzt ein paar Wochen zurückblicke, weiß ich auch, dass ich mit der Situation nach der Winterpause nicht umgehen konnte. Ich glaube, dass ich das in den Griff bekommen muss, da der mentale Aspekt meine Leistung auf dem Platz und meine Liebe zu dem Sport aktuell zu sehr beeinflusst“, sage ich und nehme einen Schluck Kaffee.

,,Ich finde es richtig gut, dass du dir das selbst so eingestehen kannst. Du kannst natürlich jeder Zeit anfangen mit einer Sportpsychologin zu arbeiten. Egal, ob du dich an die von unserem Verein wendest oder du dir jemand anderen suchst. Ich kann es natürlich auch verstehen, wenn du lieber mit Tabea zusammen arbeiten willst, weil du sie schon kennst.“ ,,Danke. Ich werde Mal mit unserer Sportpsychologin reden. Wahrscheinlich hilft es mir mehr, wenn ich mit einer Person zusammen arbeite, die mich nicht kennt seit ich laufen kann. Versteh mich nicht falsch, ich bin so dankbar, dass du im Trainerteam bist, mich so unterstützt und ich weiß, dass ich immer zu dir kommen kann. Aber ich möchte eben Hilfe auf einer anderen Ebene. Es ist ja nichts schlimmes, sondern es geht mir nur darum meine Nervosität in den Griff zu bekommen, damit ich gelassener mit bestimmten Situationen umgehen kann. Alles andere ist soweit in Ordnung und ich bin definitiv nicht an dem Punkt, an dem meine Mutter Mal war“, erkläre ich. ,,Und Jade?“ ,,Das werde ich versuchen wieder in Ordnung zu bringen.“ ,,Du wirst so erwachsen, Svea“, meint Melly. ,,Danke?“ ,,Nimm es ruhig als Kompliment. Ich finde es einfach toll, wie reflektiert du die Dinge gerade angehst. Ich weiß nicht, ob ich das so erwartet habe, nachdem was die letzten Tage los war.“ ,,Ich habe im Spiel schon gemerkt, dass ich etwas ändern muss und konnte danach nicht wirklich schlafen, so dass ich sehr viel Zeit zum Nachdenken hatte. Und jetzt sitze ich hier“, erwidere ich. ,,Wie gesagt, ich finde es wirklich toll. Und wenn du sonst noch etwas brauchst, dann kannst du dich an jeder Zeit an mich wenden.“ ,,Danke. Ich hoffe, ich muss nicht ganz so schnell wieder darauf zurückkommen, auch wenn ich dir wirklich sehr dankbar für alles bin.“ ,,Ich bin dir auch dankbar.“


Wir verbringen die nächsten zwei Tage noch in Turin und fliegen dann nach Dortmund für unser Auswärtsspiel dort. Wären wir erst wieder nach Stuttgart geflogen und dann ein paar Tage später mit dem Bus nach Dortmund gefahren, wäre es zu stressig gewesen. So haben wir die Möglichkeit bekommen in Turin zu trainieren. Da wir eben länger da sind, ist fast das komplette Team hinter dem Team mit gekommen. So ist auch Dr. Sandra Ittlinger, unsere Sportpsychologin hier. Schon am Nachmittag, nach meinem Spaziergang mit Melly, haben wir uns zusammengesetzt und ich habe ihr von meinem Problem erzählt. In den nächsten Wochen wollen wir uns weiter regelmäßig treffen und darüber reden und Möglichkeiten ausprobieren, die mir helfen können. Allein zu ihr gegangen zu sein, gibt mir schon ein sicheres Gefühl. Als wir in Dortmund ankommen, bekomme ich eine Email von Juliane mit einer Einladung zum nächsten Lehrgang mit der Nationalmannschaft, der in einer Woche beginnt. Natürlich sage ich ihr zu. Auch Emy ist dieses Mal direkt nominiert, so dass wir jetzt hoffentlich wirklich die Zeit bei der Natio verbringen können. Am Morgen vom Spieltag machen wir wie immer unsere Aktivierung. Diesmal gestaltet sie sich als Fußballtennis. Ich bin mit Hanna in einem Team. Während wir gerade nicht dran sind, versuche ich mit ihr etwas über Jade zu reden. Hanna versichert mir, dass es ihr gut geht und, dass sie mich vermisst. Für mich ein gutes Zeichen, dass sie nicht weglaufen wird, wenn ich versuche mit ihr zu reden. Und gleichzeitig bin ich immer noch froh, dass auch zwischen uns alles normal ist. Das zeigt sich vor allem beim Fußballtennis, das wir letztendlich gewinnen.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen geht es dann auf zum Stadion. Wir spielen heute im großen Signal Iduna Park. Und es sollen wohl auch ziemlich viele Tickets verkauft worden sein. Die gute Atmosphäre merken wir schon als wir uns aufwärmen. Klar, es sind quasi alle hier gegen uns, aber trotzdem ist es toll vor so einer Kulisse zu spielen. Ich spüre die Vorfreude in mir aufkommen. Das ist doch auch ein gutes Zeichen. Trotzdem bin ich kurz vor Anpfiff wieder ziemlich am zittern. Doch sobald ich den Ball das erste Mal am Fuß hatte, wird es wieder besser. Wir gehen durch ein Tor von Hanna in Führung. Danach wird Dortmund, die aktuell auf Platz 6 der Tabelle liegen, mutiger und bekommt mehr Spielanteile. Auf einmal ist deren Stürmerin durch, aber ich kann sie gerade noch mit einer sauberen Grätsche stoppen. Zwar wird im Stadion heftig gebuht, aber die Schiedsrichterin hat alles richtig gesehen. Nur wenige Minuten später auf der Gegenseite werde ich dann zu Fall gebracht. Wahrscheinlich soll das die Rache für meine Grätsche sein. Nur, dass meine Aktion sauber war und diese hier nicht. So bekommen wir einen Freistoß, gut 25 Meter vom Tor entfernt. ,,Willst du ihn nehmen?“, werde ich von Ida gefragt. Bei Wolfsburg früher habe ich immer die Ecken und Freistöße getreten. Hier beim VfB noch kein einziges Mal. Ich nicke vorsichtig. Im Training habe ich mittlerweile auch ein paar Flanken nach Freistößen reingebracht und aus dieser Position ist auch wenig anderes möglich. Also mache ich es. Meine Flanke findet Jenny, die noch einmal für Emy ablegt. Diese findet die Lücke und der Ball zappelt im Netz. ,,Jaaaa!“, höre ich die anderen rufen. Grinsend renne ich zu Emy und Jenny und umarme die beiden. Am Ende bleibt es bei dem 2:0. Jetzt geht es endlich wieder nach Stuttgart.

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