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Svea POV

Die Tage in Schweden vergehen wie im Flug. Ich liebe das Land und bin sehr froh wieder dort zu sein. Da Rebecka Blomqvist, eine enge Freundin von meinen Müttern ist, waren wir schon öfter in Schweden, so dass ich das Land über die Zeit wirklich lieben gelernt habe. Wenn die schwedische Liga etwas besser wäre, würde ich einen Wechsel dorthin irgendwann wirklich in Betracht ziehen. Aber jetzt nicht. Erstmal genieße ich die Tage hier. Das Hotel, in dem wir untergebracht sind, wird auch unser Hauptquartier bei der EM sein. Dadurch kennen wir bereits unsere Umgebung und sollen im Nachgang auch einen Evaluationsbogen dazu ausfüllen, damit noch Dinge bis zur DM angepasst werden können. Das Spiel verläuft ziemlich normal. Der Hype in Schweden ist bereits riesig, so dass wir in einem ausverkauften Stadion mit grandioser Stimmung spielen. Das Spiel endet 1:1, was ein gutes Ergebnis für beide Mannschaften ist. Wir gehören beide zu den Topfavoriten und sich auf so einem Niveau so gut messen zu können, bringt gute Erkenntnisse. Aufgrund der Belastungssteuerung spiele ich nur die letzten fünf Minuten. Da das von Anfang an kommuniziert war, stört mich das auch überhaupt nicht. Als wir durch die Mixed Zone laufen, steht da doch dann auch Becks unter den Reportern. Nach ihrer Karriere führte ihr Weg in den Sport-Journalismus und arbeitet jetzt beim schwedischen Fernsehsender SVT als Moderatorin und Reporterin. Ich bleibe kurz stehen, um mich etwas mit ihr zu unterhalten und gehe dann noch ein kurzes Interview. Mein Wunsch die EM zu spielen, wird immer größer.


In Stuttgart wartet erstmal Jade auf mich. Immerhin haben wir uns ja an meinem Geburtstag gesehen, so dass wir nicht ganz so lange getrennt waren. Es war so schön zu sehen, wie gut sie sich mit meiner Familie verstanden hat. Fast so wie ich mich mit ihrer verstehe. Das ist beruhigend zu wissen. Heute ist Mittwoch und wir Nationalspielerinnen haben den Tag frei. Dafür muss ich lernen. Die Vorlesungen im ersten Semester sind vorbei und in den nächsten Wochen muss ich drei Prüfungen schreiben. Ich bin froh mich von Anfang an dafür entschieden zu haben weniger pro Semester zu machen als man nach Regelstudienzeit soll. Mit dem Fußball ist das sonst nicht vereinbar. Und letztendlich will ich auch erstmal noch einige Jahr professionell Fußball spielen, so dass ich Zeit habe mit meinem Studium. Während Jade also zum Trainingsgelände für ihre Reha Einheit geht, fahre ich in die Landesbibliothek, um dort zu lernen. Anschließend treffen wir uns bei einem Restaurant, um gemeinsam essen zu gehen. Ein kleines Date also, um meinen Geburtstag zu zweit noch etwas nach zu feiern. Jade hat es vorgeschlagen und ich war natürlich sofort dabei. Zwischen Nationalmannschaft und Verein ist es schön das Hirn für einen Abend Mal auszuschalten und nicht an Fußball zu denken. Denn es geht Schlag auf Schlag weiter. Neben dem Liga Alltag kommt das Viertelfinale in der Champions League gegen Paris Saint Germain und das Viertelfinale im Pokal gegen Wolfsburg. Das werde schwere Spiele und gleichzeitig gilt es in auch in der Liga nicht nachzulassen und den ersten Tabellenplatz zu festigen. So laufen die Vorbereitungen für das Spiel gegen Köln sofort am Donnerstag an. Wir spielen zum Glück erst sonntags, was vor allem deswegen gut ist, da wir auswärts spielen. Sonst wäre es noch stressiger geworden.

Ich spiele von Beginn an, auch wenn ich mich etwas müde fühle. Die Belastung momentan ist wirklich hoch und ist mir auf diese Art auch immer noch etwas neu. Trotzdem setzt der Gedanke an ein Spiel natürlich Energie frei. Dazu habe ich jetzt zum ersten Mal etwas ausprobiert. Ich habe zwar schon immer bei der Fahrt zum Stadion Musik gehört, aber es war immer irgendwas und nie etwas spezifisches. Jetzt habe ich eine Playlist mit Songs erstellt, die mir viel bedeuten und mich so motivieren. Es soll Teil meiner Routine werden.
Es ist eiskalt, als wir raus auf den Platz gehen. Natürlich haben wir uns gut aufgewärmt und ich trage auch Handschuhe und ein Langarmshirt unter meinem Trikot, aber dennoch friere ich. Irgendwie dauert heute alles etwas länger und ich habe das Gefühl schon wieder kalt zu sein. Ich springe ein paar Mal auf und ab, um meine Muskeln wieder zu aktivieren. Endlich geht es los. Gegen Köln zu spielen, ist immer schwer. Sie stellen sich hinten rein, machen die Räume zu und lauern dann auf Konter. Was wir heute brauchen, ist Geduld und Kreativität. Aber das haben wir in der Analyse besprochen und uns ein paar Spielzüge zurecht gelegt. Jenny signalisiert, dass wir einen davon ausprobieren und so ziehe ich einen Sprint durch die Mitte an. Ich soll den Ball von Ida bekommen und dann auf Hanna weiterleiten. Doch Idas Pass ist zu lang. Aus dem Vollsprint heraus stoppe ich ab und dann macht meine Wade zu. Vorsichtig gehe ich ein paar Schritte. Es geht. Zumindest gerade so. Doch als ich schneller laufe, im zurück auf meine Position zu kommen, krampft sich der Muskel zusammen. Ich lasse mich auf den kalten Rasen nieder. Ida kommt sofort zu mir und dehnt meine Wade. Das tut nur noch mehr weh. Annette und unsere zweite Physiotherapeutin kommen auf den Platz. Annette tastet meine Wade ab. ,,Wahrscheinlich eine Zerrung. Es wäre fahrlässig dich weiterspielen zu lassen. Da sollte nichts riskiert werden.“ Ich nicke. Auch nur eine Zerrung, kann richtig weh tun. Langsam gehe ich vom Platz. Annette gibt die Info weiter an Leonie. Melly nimmt mich kurz in den Arm. Ich weiß, dass es nichts schlimmes ist, es tut mir verdammt weh.


In der Halbzeitpause schaut sich Annette meine Wade direkt nochmal genauer an. ,,Wie ich es vorhin schon gesagt habe. Eine einfache Zerrung. Wärme, Massage, zwei/drei Tage Pause und dann geht das mit etwas Tape auch wieder.“ Ärgerlich, aber es hätte schlimmer kommen können. Aber ich habe nicht Mal geweint und ich weiß auch, dass ich es nicht mehr tun werde. Es geht voran. ,,Danke“, sage ich. ,,Nichts zu danken. Komm am besten die nächsten drei Tage zu mir in die Behandlung. Dann kann ich den Muskel wieder etwas auflockern und dich dann auch tapen. Nächstes Wochenende könntest du vielleicht sogar schon wieder spielen.“ ,,Wie sicher ist das?“ ,,Das hängt vom Heilungsverlauf ab“, meint Annette. ,,Und was ist mit dem Rückspiel gegen Paris? Wie wahrscheinlich ist das?“ Das ist so das, was mich am meisten interessiert. Im Hinspiel darf ich aufgrund zu vieler gelben Karten sowieso nicht spielen, aber genau deswegen will ich unbedingt beim Rückspiel dabei sein. ,,Das sollte funktionieren. Ich gebe alles, um dich wieder fit zu bekommen.“ ,,Danke!“ Wir gehen wieder raus, denn die zweite Hälfte beginnt. Am Ende gewinnen wir 4:1.

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