55 | Haustür

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Lou POV

Zu viert machen wir uns auf den Weg nach Rotterdam. In dieser Stadt war ich tatsächlich noch nie. Durch den Fußball kommt in Europa ja ziemlich rum und auch in den Niederlanden habe ich schon einiges gesehen, aber in Rotterdam war ich noch nicht. Gibt wohl keinen so bekannten Fußballverein aus dieser Stadt. Während der Fahrt reden wir nicht viel. Svea ist ziemlich beschäftigt mit ihrem Handy, aber sie meinte, dass sie heute noch irgendwelche Infos wegen der nach Ostern anstehenden Länderspielpause bekommt. Trotzdem vergehen die fünf Stunden relativ schnell. Schon fahren wir auf den Parkplatz vor dem Feriendorf an einem kleinen See etwas außerhalb der Stadt. Svea geht rein und bekommt den Schlüssel und ein paar Flyer, was man hier so machen kann. Dann fahren wir zu unserem Haus. Jule parkt auf einem der beiden Parkplätze. ,,Das sieht aber groß aus“, bemerke ich als wir aussteigen. ,,Schon, aber das sind eigentlich zwei Wohnungen in einem Haus. Wir haben nur die untere Wohnung“, meint Svea. ,,Dann müssen wir ja immerhin keine Treppen steigen“, bemerkt Moritz. Wenn es seine Intention war die Stimmung etwas zu lockern, dann hat es funktioniert. Svea und ich müssen beide grinsen. Wir holen unser Gepäck aus dem Kofferraum und betreten die Wohnung. Sie ist schlicht eingerichtet, aber hell gestrichen, wodurch es trocken freundlich und einladend wirkt. Es gibt zwei Schlafzimmer und ein großes Badezimmer, einen geräumigen Wohn-Essbereich und eine gut ausgestattete Küchenzeile. Hinterm Haus gibt es eine Terrasse und ein kleines Stück Wiese. Daran grenzt ein Weg, der wahrscheinlich zum See führt. ,,Das hast du echt schön ausgesucht“, meint Jule, während wir draußen auf der Terrasse stehen. Um uns herum sind andere Häuser, aber sie wurden alle mit genug Abstand und Raum für kleine Grünflächen gebaut. ,,Wollen wir erstmal auspacken und dann die Umgebung etwas erkunden?“, fragt Moritz. Es ist gerade Mal früher Nachmittag. ,,Einkaufen sollten wir auch noch“, werfe ich ein. ,,Aber das lässt sich da ja gut integrieren.“ Also gehen wir wieder rein. Moritz und Svea nehmen sich ihre Reisetaschen und gehen in eines der Zimmer. Jule und ich nehmen ins das andere. Es ist ein schönes, recht kleines Zimmer, mit einem Doppelbett, einem Schrank und einem schmalen Regal.

,,Wollen wir dann los?“, fragt Moritz und streckt den Kopf in unser Zimmer. ,,Klar, wir kommen gleich.“ Schnell ziehe ich mir eine andere Hose an und gehe dann raus in den Flur. Moritz ist schon fertig angezogen, Svea starrt auf ihr Handy und sieht ziemlich abwesend aus. ,,Svea, können wir?“ Moritz wirkt ziemlich ungeduldig. ,,Was? Ja klar“, meint sie und schiebt ihr Handy in ihre Hosentasche. Sie wirkt nervös. ,,Alles gut?“, erkundige ich mich. ,,Ja, alles gut.“ Ihre schnelle Antwort verrät sie. Sofort macht sich Unbehagen in mir breit. Ich öffne gerade die Tür zum Vorraum des Hauses, wo die Treppe zur zweiten Wohnung nach oben geht, da höre ich draußen vor der Haustür ein Lachen. Das kann nicht sein. Ich verharre in der Bewegung. Der Zufall wäre zu groß. Es kann nicht sein. Die Haustür wird geöffnet. Warum?

Leah Williamson steht im Türrahmen und lächelt mich an. Es kann wohl doch sein. Sie ist hier. In Rotterdam. Im gleichen Feriendorf. Verdammt, im gleichen Haus. Die Zeit scheint wie still zu stehen. Leah lächelt mich immer noch an. Doch ich starre einfach nur zurück. Dann drehe ich mich zu Svea um. ,,Wusstest du es?“ Svea blickt zu Boden. Dann nickt sie. ,,Warum hast du nichts gesagt?“ ,,Weil ich Angst hatte, dass du dann nicht mitkommen willst.“ Sie kennt mich zu gut. Natürlich hätte ich abgelehnt, wenn ich gewusst hätte, dass Leah auch hier sein wird. Was wenn das bewusst geplant worden ist? Bestimmt. Dann kommt wieder Leben in mich. Ich dränge mich an Leah vorbei. ,,Wir wollten gerade los.“ Tatsächlich folgen wir Jule, Moritz und Svea. Ich sehe, den Blick zwischen Svea und Jade. Ich will gar nicht wissen, was er zu bedeuten hat.

Die gute Stimmung ist allerdings definitiv dahin. Svea weiß überhaupt nicht, was sie sagen soll und ich auch nicht. Vor allem Moritz ist bemüht Gespräche am Laufen zu halten, doch auch wenn er wenig über das alles weiß, scheint auch er zu verstehen, was da vor sich geht. Jule hingegen. Ich kann nicht deuten, was sie denkt. Dabei weiß ich das sonst immer. Ich kenne die besser als jeder andere Mensch auf diesem Planeten. Doch jetzt? Hält sie es etwa für gut, dass Leah und ich wieder aufeinander treffen? Das kann doch einfach nicht gut sein. Moritz hat einen Superball in der Nähe gefunden, sodass wir dort jetzt hinfahren, um einzukaufen. Anschließend will Moritz noch in die Stadt, aber wir anderen drei sind nicht wirklich in Stimmung dafür. Svea wirkt weiterhin ziemlich abwesend und genau das bin ich auch. Ich weiß nicht, ob ich sauer auf sie oder die Gesamtsituation sein soll. Oder wie ich mich jetzt generell verhalten soll. Ihr scheint es nicht anders zu gehen. Und Jule, ich merke, dass sie eigentlich auch lieber in die Stadt will. ,,Wir können ja das auf Morgen verschieben, wenn wir etwas fitter sind. Dann kannst du noch ein paar Dinge raussuchen , die wir anschauen können. Vielleicht können wir ja gleich noch ab den See gehen“, versucht sie einen Kompromiss zu finden. Moritz nickt. Wahrscheinlich entdeckt er gerade den Tourguide, der in ihm schlummert und plant schon den ganzen morgigen Tag. Zurück in der Wohnung ist von den Williamsons erstmal nichts zu sehen. Wir verstauen unsere Einkäufe und gehen dann an den See. Er ist recht klein und für Ende März natürlich viel zu kalt, um darin zu schwimmen. Trotzdem ist er schön und man kann auf der Wiese gut sitzen und die Enten beobachten, die mit ihren Jungen auf dem Wasser schwimmen. ,,Wollen wir vielleicht Jade fragen, ob sie und ihre Familie morgen vielleicht mit in die Innenstadt von Rotterdam wollen?“, bricht Jule irgendwann die angenehme Stille. ,,Nein“, entgegne ich sofort. Es ist unser Urlaub. Der von uns vier und sonst von niemandem. Ich will nicht, dass er zerstört wird. Obwohl, dass eigentlich schon passiert ist. Svea senkt wieder ihren Blick. Scheint so als wäre ihr ganzer Plan nicht aufgegangen. ,,Aber wir sind ja noch ein paar weitere Tage da, vielleicht können wir ja dann noch etwas zusammen machen“, meint Jule. ,,Ja, vielleicht.“

Wir laufen den Weg um den See herum und gehen als es langsam kühler wird wieder zurück zur Ferienwohnung. Jule und ich übernehmen das Kochen. Es soll Nudeln mit Linsenbolognese geben. Moritz leistet uns in der Küche Gesellschaft und liest sich durch die Flyer, die wir bekommen hatten. Es ist schön süß ihn dabei zu beobachten, wie er mit vollem Interesse ein Programm für die nächsten Tage gestaltet. ,,Dauert es noch lange bis es Essen gibt?“, fragt Svea und kommt in die Küche. ,,Zwanzig Minuten sind es auf jeden Fall noch“, antwortet Jule. ,,Dann gehe ich Mal kurz hoch.“

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