37 | London

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Svea POV

Gut zwölf Stunden später sitze ich nach einer Nacht mit wenig Schlaf am Flughafen. Ich habe noch gewartet bis Feli und Pia gegangen sind, was erst gegen halb zwölf war, dann habe ich sofort mit Jule geredet. Zusammen haben wir nach einem Flug für mich von Braunschweig nach London geschaut. Währenddessen habe ich Leah kontaktiert und sie über meinen spontanen Besuch informiert. Erst als alles sicher war, habe ich Lou mein Vorhaben erklärt. Sie war nicht glücklich, dass ich nicht länger bleibe, aber ich glaube, sie hat es verstanden. Sie kennt zwar immer noch nicht alle Details, aber das soll auch so bleiben. Und so sitze ich jetzt um kurz vor zehn am Flughafen und warte darauf in den Flieger zu dürfen. Jade weiß nichts davon. Nur Leah weiß Bescheid, weil ich sie gebeten habe, mich am Flughafen in London abzuholen. Das ist unkomplizierter. Ich hoffe nur, dass ich das richtig tue. Aber eigentlich war Jades Nachricht gestern Abend eindeutig. Sie vermisst mich. Sie braucht mich. Ich halte es nicht mehr aus sie leiden zu sehen. Ich will ihr helfen, damit es ihr endlich besser geht. Dann wird mein Flug aufgerufen. Schnell begebe ich mich auf den Weg zum Boarding. Ich bin immerhin was das fliegen angeht ziemlich gelassen. Bei Jade ist das ja anders. Jeder meiner Gedanken ist mit ihr verknüpft. Ich sitze am Fenster und starte so auf den nassen Boden. Wieder gibt es kein weißes Weihnachten. Wobei das jetzt mit meinem spontanen Trip nach London wahrscheinlich besser ist. Sonst gäbe es bestimmt Chaos am Flughafen, wenn die Flugzeuge wegen des Schnees nicht fliegen können. Und ich bin schon an das Wetter von London gewöhnt. Warum sollte es dort anders sein, wenn es ja gefühlt immer regnet? Ich lasse meinen Blick durch das Flugzeug gleiten. Es ist zum Glück nicht ganz so voll. Klar, wer fliegt auch am 25. Dezember nach London? So sitzt auch niemand neben mir und ich habe meine Ruhe. Dennoch höre ich nur Musik. Zu mehr bin ich nicht fähig.


Schon landen wir. Schnell verlasse ich den Flughafen. Ich bin nur mit Handgepäck gereist, da ich eh nicht viel brauchen werde. Und ansonsten ziehe ich eben Sachen von Jade an. Leah steht vorm Gebäude. ,,Hey! Schön, dass du da bist", begrüßt sie mich und zieht mich in eine Umarmung. ,,Danke, dass du mich abholst." ,,Kein Problem. Es ist ja schon etwas umständlich vom Flughafen zu uns zu kommen." Zusammen gehen wir zu ihrem Auto. 45 Minuten Fahrt zeigt das Navi. Mit so einer langen Strecke hätte ich allerdings nicht gerechnet. Sofort fühle ich mich schlecht. ,,Ich hoffe, ich habe eure Weihnachtstraditionen jetzt nicht zerstört", sage ich leise. ,,Nein nein, alles gut. Jordans Familie war gestern da und meine kommt erst heute Abend. Es ist wirklich kein Problem dich abzuholen. Vor allem weil es für Jade ist." ,,Was hast du ihr denn erzählt, wo du hinfährst?", frage ich. ,,Gar nichts. Sie war auf ihrem Zimmer und ich dachte, es ist das unauffälligste, wenn ich einfach gehe ohne etwas zu sagen. Sollte es ihr auffallen, wird Jordan sich schon eine Ausrede einfallen lassen", lacht Leah. Ich nicke nur. Ich hoffe nur, Jade wird wirklich nichts vorher erfahren. Ich will nicht, dass sie darüber nachdenkt, dass ich komme. ,,Wie geht es ihr?", frage ich vorsichtig. ,,Sie ist ziemlich niedergeschlagen, gar nicht in der Weihnachtsstimmung, in der sie sonst immer ist. Ich mache mir langsam Sorgen um sie. So habe ich sie noch nie erlebt." Ich merke ihr die Besorgnis wirklich an. ,,Hast du dir in deiner Karriere mal das Kreuzband gerissen?", frage ich. ,,Jap, vor der WM 2023." ,,Dann ging es dir da wahrscheinlich auch nicht gut. Ich glaube, für Jade ist eine Welt zusammen gebrochen. Sie gehört in Stuttgart zur ersten Elf und ist auch in der Nationalmannschaft zur Stammkraft geworden. Sie hätte bei der EM eine tragende Rolle gespielt und diesen Traum jetzt nicht verfolgen zu können, tut weh. Ich glaube, dass hat sie noch nicht ganz verkraftet und ihr fehlt diese Person, die sie auffängt. Wir haben sehr viel Zeit zusammen verbracht in den letzten Wochen, eigentlich jede Minute, die ich nicht beim Training war. Und jetzt, wo wir getrennt waren, ist es für sie wahrscheinlich noch schwerer, da alles noch so frisch ist." ,,Ja stimmt. Ich hoffe, du kannst sie etwas aufheitern, damit es ihr wieder besser geht", meint Leah. ,,Ich werde es versuchen."

Eine halbe Stunde später erreichen wir das etwas ruhigere Borehamwood. Es sieht nach einer wirklich schönen Gegend aus und auch deren Haus passt total ins Bild. ,,Ich bin wieder da", ruft Leah durchs Haus, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hat. Als erstes sehe ich den Labrador auf uns zu rennen. Sofort werde ich stürmisch begrüßt. ,,Sie heißt Mila", höre ich Leah sagen. Tatsächlich schaffe ich es mich von der Hundebegrüßung zu befreien und meine Schuhe und Jacke auszuziehen. Leah führt mich erstmal ins Wohnzimmer. Jordan und eine andere Frau sitzen auf dem Sofa. Auf dem Boden spielt ein kleiner Junge mit Bauklötzen. ,,Hey, ich bin Linn. Und du bist bestimmt die Person, die meine Schwester so glücklich macht." Linn, die wohl Jades Schwester sein muss und wie eine etwas ältere Version meiner Freundin aussieht, steht auf um mich zu umarmen. Damit bin ich wohl ganz offiziell als Freundin von Jade in ihrer Familie bekannt. ,,Hi, ja ich bin Svea", erwidere ich. ,,Jade weiß immer noch von nichts." Auch Jordan nimmt mich in den Arm. ,,Okay gut." ,,Wer ist das?", fragt dann der kleine Junge. Ich würde ihn auf zwei, maximal drei, schätzen. ,,Das ist die Freundin von deiner Tante Jade", erklärt Linn und geht in die Hocke, um ihren Sohn hochzuheben. ,,Nick, sag hallo zu Svea." ,,Hallo Svea." ,,Hallo Nick", lächele ich. ,,Ich gehe dann Mal hoch zu Jade." ,,Mach das. Ihr Zimmer ist das ganz hintere, wenn du oben an der Stelle links gehst. Wenn ihr dann etwas zum Mittagessen wollt, kommt einfach runter", meint Leah.

Ich nicke und gehe die Stufen hoch. An der Wand hängen Bilder von Jade und Linn aus verschiedenen Jahren. Oben folge ich Leahs Erklärung und gehe links. An der hinteren Tür hängt auch ein Namensschild von Jade. Ich atme einmal kurz durch. Dann klopfe ich. ,,Ja", ertönt Jades Stimme. Ich öffne die Tür. Jade steht an ihrem Bett. Ihre Kinnlade klappt nach unten, als sie mich sieht. Ich gehe auf sie zu. Dann fällt sie in meine Arme. Ich halte sie einfach nur. Ihr Körper zittert, sie schluchzt auf. Doch ich stehe einfach nur da und halte sie. Mein Mädchen. ,,Shhh, alles ist gut. Ich bin da", flüstere ich. Ich verstärke meinen Griff. So stehen wir einfach nur da. Und ich bin einfach froh, dass ich hergekommen bin. Wir brauchen uns einfach. ,,Komm, wir setzen uns hin." Langsam wird es etwas unbequem zu stehen. Jade bedeutet, dass wir uns aufs Bett setzen können. Sofort legt sie wieder ihre Arme um mich. ,,Warum tust du das?", fragt sie. ,,Warum tue ich was?" ,,Warum bist du hier?" ,,Weil ich dich brauche. Und du mich brauchst. Ich hab mir solche Sorgen gemacht und musste dich einfach sehen." ,,Ich liebe dich."


Flowers grow back Where stories live. Discover now