38 | Neujahr

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Svea POV

Als wir eine Woche später zurück nach Stuttgart fliegen, liegt Jades Kopf an meiner Schulter, während sie friedlich schläft. Ich habe es geschafft. Ihr geht es deutlich besser. Zu ihr zu kommen, war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Zumindest für uns beide. Wir haben viel über ihre Verletzung geredet. Etwas, was wir zuvor fast nie getan haben, da ich immer Angst hatte, das Thema anzusprechen. Jetzt weiß ich, dass es falsch war. Es hat ihr sehr geholfen darüber zu sprechen. Es scheint so, als finde sie langsam ihren Frieden damit. Zumindest war ihre Stimmung wieder viel besser. Die beiden Weihnachtsfeiertage haben wir nur im Haus – meistens in unserer Zweisamkeit – aber auch mit ihrer Familie verbracht. An den Tagen danach haben wir auch ein paar Dinge unternommen. Jade zeigt mir ihr Lieblingscafé, in dem wir einen ganzen Nachmittag verbringen, da es so schön dort ist. Wir gehen zur Winterlandschaft im Hyde Park, die zum Glück nach Weihnachten nicht mehr ganz so stark besucht, so dass es für Jade mit ihren Krücken etwas einfacher ist sich fortzubewegen. Mit Linn unternehme ich zudem eine kleine Sightseeing Tour. Zwar war ich für das Champions League Spiel gegen Chelsea schon einmal in London, aber von der Stadt habe ich praktisch nichts gesehen. Und auf dem Spaziergang, bei dem ich etwas hätte sehen können, war ich nicht aufnahmefähig. Linn stellt sich als absolute London Liebhaberin und perfekter Tourguide raus. So viel habe ich in einer kurzen Zeit wahrscheinlich noch nie von einer Stadt gesehen, aber Linn weiß genau, wo man was sieht und wie schnell man von A nach B kommt. Sie ist wie Jades ganze Familie total lieb.

Ich wurde wirklich gut aufgenommen, trotz dessen dass ich so spontan gekommen bin. Ob das bei meiner Familie genauso wäre? Bei Jule bestimmt. Bei Moritz auch. Aber hätte Lou Jade so aufgenommen, wie Leah mich? Wahrscheinlich nicht. Wobei Lou Jade ja noch nicht Mal richtig kennengelernt hat. Ich kannte Leah und Jordan ja schon vorher ein bisschen. Und jetzt kenne ich sie richtig. Die Tage in London waren wirklich schön. Und jetzt kommt heute Abend noch die Silvesterfeier mit ein paar aus der Mannschaft und dann geht auch schon das Training wieder los. In zwei Wochen startet die Rückrunde. Und da geht es wieder Schlag auf Schlag. DFB-Pokal, Liga, Champions League. Es steht das Achtelfinale gegen Juventus Turin an, wie die Auslosung gestern ergeben hat. Nach Leahs und Jordans kurz Analyse hat sich seit 30 Jahren nichts an dem Spielstil geändert, auch wenn immer wieder neue Generationen dort gespielt haben. Rein vom Niveau her sollten wir gewinnen. Aber sie haben eine sehr anstrengende Spielweise, die uns Probleme bereiten könnte. Aber es dauert ja zum Glück noch etwas bis dahin.


Erstmal starten wir mit einer ganz entspannten Silvesterfeier in das neue Jahr. Ida, Xenia, Hanna, Jenny, Jade und ich feiern bei uns in der WG. Emy ist noch in Wolfsburg. So ist es eine kleine, aber lustige Runde. Auch Jade hat ihren Spaß. Es ist so schön sie lachen zu sehen. Vor allem, weil ihr Lachen so schön klingt. Wir essen Raclette, spielen einige Spiele und schon ist Mitternacht. Mit einem Kuss von Jade geht es ins Jahr 2051. Das Jahr mit der EM, die hoffentlich wenigstens ich miterleben kann. All das wird sich in den nächsten Wochen zeigen und ich freue mich total darauf. Die kleine Pause war gut, um vor allem wieder zu neuen Kräften zu kommen, aber dafür bin ich jetzt umso motivierter wieder ins Training einzusteigen und an unseren Zielen weiter zu arbeiten. Direkt am zweiten Januar geht es auch schon los. Gleichzeitig beginnt für Jade ihre Reha. So können wir auch endlich wieder zusammen zum Trainingsgelände fahren. Zwar nicht wie sonst immer mit dem Fahrrad, sondern mit Ida und Xenia zusammen in deren Auto, aber bei dem ekligen Winterwetter Fahrrad fahren, ist sowieso nicht das angenehmste.

,,Was geeeeht?“, ruft Jenny, als wir die Kabine betreten. ,,Wir haben uns doch gestern erst gesehen“, lache ich und umarme sie kurz zur Begrüßung. Mit den anderen aus dem Team, die ich noch nicht gesehen habe, tausche ich mich etwas genauer über unsere Feiertage aus. Mittlerweile ist es wirklich meine zweite Familie geworden. Und es ist so schön wieder beisammen zu sein. In dieser Form habe ich das auch noch nicht erlebt. Bei den U-Nationalmannschaften war das zwar ähnlich, aber da wir uns nur so selten gesehen haben, war es dann doch weniger Familie als das Team hier in Stuttgart. ,,Na, wie war dein Weihnachtsfest?“, fragt mich Melly, als wir auf den Platz laufen. ,,Ganz entspannt eigentlich und bei dir?“ ,,Das ist schön. Bei mir war es auch so. Wie geht es Lou?“ ,,Wir haben uns ausgesprochen. Nur bin ich dann am ersten Weihnachtsfeiertag nach London zu Jade geflogen, weil es ihr nicht so gut ging. Seit dem habe ich kaum noch was von Lou gehört. Es war wahrscheinlich nicht meine schlauste Idee“, ich grinse schief, um mein schlechtes Gewissen zu verbergen. ,,Solange du rückblickend sagen kannst, dass es richtig war für Jade da zu sein, wird es schon passen. Weiß sie von euch?“ ,,Warte, woher weißt du von uns?“ Ich bin verwirrt. Wir haben es immer noch nicht vielen Menschen erzählt. Vor allem nicht den Leuten im Team, mit denen wir nicht ganz so viel zu tun haben und dem Trainerteam. ,,Als Jade sich das Kreuzband gerissen hat, war es ziemlich offensichtlich, dass da mehr zwischen euch ist. Also weiß Lou von dir und Jade?“, fragt Melly erneut. Jetzt fällt es mir auch wieder ein. Ich habe sie geküsst, bevor sie ins Krankenhaus gebracht wurde. Das erklärt natürlich einiges. ,,Nein. Ich kann es ihr nicht erzählen. Sie ist nicht gut auf Jades Mutter zu sprechen und ich habe Angst vor ihrer Reaktion. Nur Jule weiß davon.“ ,,Irgendwann wirst du es ihr sagen müssen. Aber du wirst wissen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist“, meint sie. Ich nicke nur. Da wir am Trainingsplatz ankommen, ist das Gespräch beendet. Melly geht zum Trainerteam und ich geselle mich zu Ida, Hanna und Emy. Zusammen laufen wir die Runden zum Aufwärmen. Das ist auch bitter nötig, denn es ist wirklich kalt. Januar eben. Bestimmt schneit es noch in den nächsten Tagen. Das Training gestaltet sich als eine recht lockere Einheit, um wieder rein zu kommen. Dich Leonie hat schon angekündigt, dass es schon morgen wieder härter wird. Aber das muss es ja auch. Schließlich spielen wir noch um drei Titel und wollen diese natürlich auch holen.

Zurück in der Kabine treffen wir dann auch wieder auf Jade. Strahlend sitzt sie auf ihrem Platz. ,,War es gut?“, frage ich sie, obwohl es eigentlich überflüssig ist. ,,Oh ja.“ Es muss sich gut anfühlen für das Comeback endlich etwas tun zu können.

Flowers grow back Where stories live. Discover now